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Nach einer langen Pause zurück ins Studium? Viele fühlen sich allein gelassen.

© imago/Caspar Benson

Nach langer Pause zurück ins Studium: „Viele wollen gleich lossprinten“

Nach krankheitsbedingter Langzeitpause wieder ins Studium zurückfinden – wie kann das gelingen? Ein Workshop der Humboldt-Universität bietet Betroffenen Unterstützung.

Von Clara Dünkler

Ich habe so viele Vorlesungen verpasst, wie soll ich das jemals wieder aufholen? Muss man einige Seminarsitzungen aussetzen, staut sich schnell viel Lernstoff an. Wer mal länger krank war, kennt vielleicht auch das unangenehme Gefühl, dies im Arbeits- und Ausbildungsumfeld erklären zu müssen.

Diese Probleme und Fragen beschäftigen auch Studierende, die wegen einer Krankheit ihr Studium unterbrechen mussten und jetzt wieder starten wollen. Ein Workshop an der Humboldt-Universität (HU) hilft Betroffenen, die sich dabei überfordert fühlen. Bedarf daran gibt es.

„Meistens sind es psychologische Belastungen, wie Depression, Angststörungen und Burn-Outs, die dazu führen, dass Studierende aussetzen müssen“, sagt Anne Gürgens, die den Workshop „Wieder einsteigen nach gesundheitlicher (Zwangs-)Pause“ durchführt.

Bis zu 15 Plätze gibt es pro Workshop, das Hilfsangebot wird von der psychologischen Beratungsstelle der HU organisiert. Die meisten Teilnehmenden seien Medizinstudierende, berichtet Gürgens – ein Fach mit hohem Lernpensum und Prüfungsdruck.

Belastung durch die Pandemie

Viele Studierenden erzählen ihr, sie hätten das lange Onlinestudium nicht gut verkraftet: „So langsam zeigen sich die Folgen von Corona.“ Es sei trotzdem nicht klar, ob es durch die Pandemie mehr Studierende gab, die Zwangspausen einlegen mussten. Denn den Workshop gibt es erst seit vergangenem Herbst.

In jedem Fall aber sei durch die Covid-Pandemie mehr Aufmerksamkeit auf die psychologischen Belastungen von Studierenden gelenkt worden, sagt der Psychologe Holger Walther, der die HU-Beratungsstelle 1994 gegründet hat und seitdem Studierenden hilft. Der Bedarf sei nun auch von höherer Stelle erkannt worden und Mittel bereitgestellt, mit denen jetzt die Workshops finanziert werden.

Der Wiedereinstieg fällt oft schwer

Das Thema Wiedereinstieg ist für Walther aber nicht neu. Aus seiner langjährigen Erfahrung weiß er, dass es auch schon vor der Pandemie immer Studierende gab, die von dem Problem betroffen waren. „Sie fühlen sich allein“, sagt Walther. Gerade deswegen biete sich das Gruppenformat im Workshop an, um aus der Gemeinschaft Kraft zu schöpfen. Die Studierenden sollen sich in sicherem Rahmen austauschen können.

Die Teilnehmenden verabreden sich und schließen Freundschaften.

Anne Gürgens, systemische Coachin und Workshopleiterin

Der Workshopleiterin Gürgens nach funktioniert das Konzept. „Die Teilnehmenden verabreden sich und schließen Freundschaften.“ Die Studierenden seien dankbar für die Möglichkeit, über ihre Ängste sprechen zu können. Häufig sind es sehr persönliche Geschichten, die sie miteinander teilen.

Die Gründe für die Langzeitpause sind unterschiedlich. Doch gemeinsam sei den Betroffenen, dass sie sehr hohe Erwartungen an den Neustart haben. „Viele wollen gleich lossprinten“, sagt Walther. Das sei aber keine gute Idee. Er führt den Sportvergleich weiter: „Wer ewig nicht joggen war, legt auch nicht sofort mit einem Marathon los.“

Was gibt es für Tipps?

Walthers Tipps: Kleine Ziele, aber dafür erreichbare. Am ersten Tag könnte das bedeuten, überhaupt erstmal zur Uni zu fahren. Außerdem helfe, sich eine Antwort zurechtlegen, wenn jemand fragt, wo man war. „Mit dieser Frage ist eine große Angst verbunden. Sich für sein Fehlen rechtfertigen zu müssen, ist kein gutes Gefühl,“ sagt der Psychologe. Doch das müsse man meist ohnehin nicht: Die Info, man habe aus gesundheitlichen Gründen gefehlt, reiche oft vollkommen aus. „Da fragen die meisten nicht weiter nach Details.“

Es bleibt die Frage, wie nachhaltig ein dreitägiger Workshop ist. Schon ohne Zwangspause ist es manchmal schwierig, die Motivation für das Studium aufrechtzuerhalten. Das beschäftigt auch Gürgens: „Direkt danach sind die meisten sehr angespornt, aber wie sieht das einen Monat später aus?“ Die systemische Beraterin hofft, dass das Angebot in Zukunft weiter ausgebaut wird.

Nach einer langen Pause zurück ins Studium? Viele fühlen sich allein gelassen.
Nach einer langen Pause zurück ins Studium? Viele fühlen sich allein gelassen.

© imago images/Shotshop/K-H Spremberg

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