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Abgefangen. Am Kraftwerk Schwarze Pumpe wurde fünf Jahre lang das Abtrennen von Kohlendioxid aus dem Rauchgas erforscht. Im Juli wird die Anlage stillgelegt.

© dpa

CCS-Technologie: Neue Endlager gesucht

Kohlendioxid unter die Erde - das ist eine Option, um die Erderwärmung zu bremsen. Ob das wirklich funktioniert, sollte jetzt erforscht werden.

Deutschland steht eine weitere Endlagerdebatte bevor. Dieser Schluss lässt sich ziehen, wenn man den jüngsten Teil des Berichts des Weltklimarats ernst nimmt. Gemeint ist nicht ein tiefes Grab für radioaktiven Müll – das muss ohnehin gefunden werden. Es geht es um einen anderen Abfall aus der Energiewirtschaft: Kohlendioxid.

Langfristig muss das vom Menschen verursachte Treibhausgas wohl aus der Atmosphäre entfernt werden, um die Erderwärmung in den Griff zu bekommen, schreiben die Autoren des Berichts. Carbon Capture and Storage (CCS) heißt die Technik. Das Kohlendioxid wird aus dem Rauchgas von Kraftwerken oder Industriebetrieben abgeschieden und in tiefe Erdschichten gepumpt.

Pilotanlage in Brandenburg wird stillgelegt

Es werden Erinnerungen wach an Proteste in Schleswig-Holstein oder Brandenburg. „Kein CO2-Endlager!“ war auf Plakaten zu lesen, die oft mit einer bedrohlich wirkenden schwarzen Gasmaske versehen waren. Gelbe Holzkreuze in der Landschaft östlich Berlins künden bis heute davon, dass viele gegen CCS waren. So viele, dass die zuständigen Politiker in Bund und Ländern reagierten und das Verpressen von Kohlendioxid in die Tiefe massiv erschwerten. Lediglich ein alter Gasspeicher bei Berlin wurde zu Forschungszwecken mit Kohlendioxid gefüllt.

Die Projekte der Kohleverstromer, bei denen Techniken zum Abscheiden des CO2 entwickelt wurden, liefen auf Sparflamme weiter. Das eingefangene Treibhausgas ging teilweise in die Chemieindustrie, die daran forscht, ob es eines Tages als Rohstoff anstelle von Erdöl genutzt werden könnte. Es wurde auch an Algen verfüttert, großteils aber in die Atmosphäre entlassen. An der Pilotanlage von Vattenfall in Schwarze Pumpe wurden in der vergangenen Woche die Ergebnisse aus fünf Jahren Forschungsarbeit präsentiert. Im Juli wird sie stillgelegt. Die Pläne für ein Demonstrationskraftwerk in Jänschwalde, das die Technik im großen Maßstab nutzen sollte, hatte der Konzern wegen der unsicheren Zukunft für CCS bereits 2011 verworfen.

Biomasse und CCS soll den Treibhauseffekt bremsen

Dabei gelang es den Ingenieuren immer besser, das CO2 effektiv aus dem Rauchgas zu holen. Zugleich zeigen Versuche an Land und unter dem Meer, dass es möglich ist, das Kohlendioxid in mehreren hundert Metern Tiefe sicher einzuschließen. Dort reagiert es im Lauf der Zeit mit dem Gestein und bildet feste Minerale.

Diese Ergebnisse haben die Autoren des Weltklimaberichts bewogen, CCS als ernsthafte Option in Erwägung zu ziehen. Demnach könnte die Technik in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts vorrangig als Bio-Variante im Einsatz sein: Unsere Enkel bauen großflächig Biomasse an, um das Treibhausgas aus der Luft zu holen, und bringen das bei der anschließenden Verbrennung anfallende CO2 unter die Erde.

In Kanada geht bald die erste große Anlage in Betrieb

Doch es gibt noch allerhand Probleme. Weder existieren schlüsselfertige Anlagen, die einfach an den Schornstein zu hängen sind, noch sind ausreichend große und geeignete Untergrundschichten für die erwartete Menge an Kohlendioxid ausgewiesen. Von den nötigen Anbauflächen auf einer dicht besiedelten Welt einmal ganz abgesehen. Es ist keinesfalls sicher, ob das Bio-CCS einmal so funktionieren wird, wie man heute hofft.

Um das herauszufinden, muss die Technik jetzt weiterentwickelt werden. Ausgerechnet Kanada, das Land des Ölsands und der Klimaschutzverweigerer, geht voran. Im Sommer soll am Block 3 des Kohlekraftwerks Boundary Dam die erste große CCS-Anlage in Betrieb gehen. 95 Prozent des CO2, rund eine Million Tonnen im Jahr, sollen aufgefangen und in ein nahes Ölfeld sowie in tiefe Salzwasserschichten gedrückt werden. Ähnliche Vorhaben gibt es in den USA und Großbritannien.

Je schneller die Chancen und Risiken erkannt werden, umso besser

In Deutschland, wo immer mehr Kohle verfeuert wird und die Emissionen steigen, ist CCS weiterhin ein Tabuthema. Dabei wäre es die Chance, die gern erwähnte Vorbildrolle für andere Staaten mit Leben zu füllen: Indem man den eigenen Bürgern erklärt, warum es wichtig ist, die Technik zu erforschen. Indem man gemeinsam geeignete Regionen für die Endlagerung des – selbst erzeugten – Kohlendioxids findet. Indem man sich um eine Finanzierung für das Unterfangen bemüht. Nur so gewinnen wir Klarheit über die Chancen und Grenzen der Technik.

Je schneller das gelingt, umso besser. Im besten Falle gibt es bald ein wirksames Mittel gegen weitere Emissionen – seien sie fossilen Ursprungs oder „bio“. Erweist sich CCS jedoch als Sackgasse, bleiben nur noch zwei Optionen, um die Stromversorgung CO2-frei zu machen: die erneuerbaren Energien sowie die Kernenergie.

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