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Auch die Unis sind jetzt bundesweit geschlossen, der Semesterstart vielerorts erstmal verschoben. Hier ein Bild aus der Uni Stuttgart.

© Sebastian Gollnow/dpa

Folgen der Coronavirus-Pandemie für die Unis: "Nicht-Semester" an den Hochschulen gefordert

Digitale Lehre soll zwar stattfinden, das kommende Semester aber formal nicht gelten: Das fordert ein offener Brief. Widerspruch kommt von Berliner Unipräsidenten.

Aufgrund der Coronavirus-Pandemie muss das Sommersemester 2020 ein Nullsemester werden: Wo möglich, soll die Lehre zwar stattfinden, das Semester aber formal nicht gelten. Dies fordern Professorinnen und Professoren zahlreicher Universitäten in einem Appell an Hochschulen und Hochschulpolitik. 

In einem offenen Brief erklären die Verfasserinnen, dass es für Lehrende und Studierende unzumutbar sei, den Status Quo des herkömmlichen Lehr- und Prüfungsbetriebes mit digitalen Mitteln einfach fortzusetzen. 

Stattdessen müssten die Hochschulen in die Lage versetzt werden, auf den überstürzten Takt der öffentlichen Entwicklungen und Maßnahmen entschleunigend zu reagieren.

Mit E-Learning nicht genug vertraut

„Studierenden, die keine Studienleistungen erbringen können, dürfen keine Nachteile entstehen“, heißt es in dem Brief, den die Münchner Soziologin Paula-Irene Villa Braslavsky, die Hannoveraner Amerikanistin Ruth Mayer und die Trierer Literaturwissenschaftlerin Andrea Geier initiiert haben.

Weder die Dozenten noch die Studierenden seien mit den Tools und Methoden des E-Learnings hinreichend vertraut, um Präsenzlehre einfach ins Netz zu verlagern. Zudem seien die technische Infrastruktur und die notwendigen Ressourcen von Forschung und Lehre vielfach urplötzlich weggebrochen.

So sind Bibliotheken inzwischen geschlossen, Computerpools unzugänglich, der Internetzugang durch die Universitäten stark eingeschränkt und Räumlichkeiten nicht mehr betretbar. Zudem sind einschlägige Onlineplattformen jetzt schon vielfach überlastet.

Keine Nachteile für sozial Schwächere

Vor allem den sozial Schwächeren würden hier gravierende Nachteile erwachsen, so die Verfasserinnen des Briefes. Schon jetzt hätten viele Studierende ihre Jobs verloren und müssten sich um neue Verdienstquellen bemühen.

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Zudem stünden Forschende, Lehrende und Lernende vor der neuen Herausforderung, Care-Tätigkeiten wie Kinderbetreuung, Homeschooling oder Pflege von Angehörigen parallel zu den Anforderungen des Uni-Alltags zu stemmen.

Zwar seien die Hochschulen und Universitäten auch weiterhin gefragt, ihren Bildungs- und Forschungsauftrag wahrzunehmen – die solidarische Bewältigung der in jeder Hinsicht unabwägbaren Corona-Krise habe aber Priorität.

Die Hochschulpolitik ist in der Pflicht

„Abgesehen von einer Anpassung von Bafög- und Regelstudiumsauflagen muss ein klares Signal an Studierende und Lehrende gesendet werden, dass die Institutionen sich der außerordentlichen Situation voll bewusst sind“, schreiben die Initiatorinnen des Appells (im Wortlaut hier).

Veränderte Formate seien demnach unumgänglich. So könnten Studierende das Nullsemester nutzen, um etwaige Altlasten aus dem vergangenen Semester zu bewältigen. Befristet beschäftigten Uni-Mitarbeitern wiederum müsse eine Verlängerung ihres Vertrages um mindestens ein Semester angeboten werden.

Die Initiatorinnen des Briefes sehen jetzt die Hochschulpolitik in der Pflicht, den notwendigen Plan vom Nichtsemester in die Tat umzusetzen. Über 1400 Angehörige aus den Hochschulen haben den Brief bereits unterzeichnet.

Widerspruch kommt von den Präsidenten von HU und FU

Widerspruch kommt von Sabine Kunst, der Präsidentin der Humboldt-Universität. „Ich halte diese Forderung im Sinne unserer gesellschaftlichen Verantwortung und im Sinne der Studierenden für keinen praktikablen und daher auch für keinen guten Vorschlag", teilte Kunst dem Tagesspiegel mit.

Ein Nicht-Semester würde eine "Unterbrechung der Bildungskette bedeuten und zu vielen organisatorischen Problemen führen". Sie wolle sich dafür einsetzen, lieber ein nicht ganz vollständiges, vielleicht auch nur ein halbes Semester abzuhalten: "Wir wollen und werden kreative Lösungen finden, um das Semester durchzuführen und es nicht abschreiben.“

"Wir wollen keine verpasste Gelegenheit"

Ähnlich äußerte sich FU-Präsident Günter M. Ziegler. "Unser Ziel ist es, ein vollwertiges Sommersemester anzubieten, für alle, die es wahrnehmen können und wollen. Wir möchten kein Nichtsemester", erklärte Ziegler gegenüber dem Tagesspiegel: "Wir wollen keine verpasste Gelegenheit."

Die Universität werde im Sommersemester selbst zum Experimentierlabor, "in dem wir alle gemeinsam daran arbeiten, neue Studien-, Lehr- und Forschungsformate zu entwickeln und zu erproben."

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