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Nie in der ersten Reihe sitzen: Was ich gerne schon vor meinem Studium gewusst hätte
Studieren, feiern, wohnen, sein Leben organisieren: Für Erstsemester ist nicht nur die Uni neu, auch der Rest des Lebens ist im Umbruch. Unsere Redaktion hat Tipps zum Semesterstart.
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So wird es was mit der Studi-Karriere: Tagesspiegel-Autor:innen verraten, was sie schon gerne zum Start ihrer Hochschullaufbahn gewusst hätten. Und welche Stationen sie für unverzichtbar halten, will man diese prägende Zeit in bester Erinnerung halten.
1 Studiert so lange, wie ihr könnt
Nicht umsonst heißt es, das Studium sei die schönste Zeit im Leben. Meine Studienlaufbahn begann im Oktober 2014 und endete 21 Semester später im März 2024. Dass ich stolze zehn Jahre studiert habe, mag auch an der Wahl meiner geisteswissenschaftlichen Fächer liegen. Ich studierte, was mich interessierte: alt-englische Versepen, die Geschichte des Nahostkonflikts, Hannah Arendts Auffassung der Liebe. Oft war das Erlernte nischenhaftes Spezialwissen, aber ich liebte, was ich las und tat.
Und ich liebte, wie frei ich und meine Kommilitonen dabei waren. Gerade zu Beginn des Studiums schienen alle immerzu Zeit zu haben. Zeit, unter der Woche bis drei Uhr nachts über Hausarbeitsthemen und Weltpolitik zu diskutieren, Zeit, um sich in der Fachschaft zu engagieren, nebenbei Theater zu spielen, Französisch und Arabisch zu lernen. Gestresst gefühlt habe ich mich durch mein Studium erst, als es fast vorbei war und ich die Masterarbeit schrieb. (Nora Tschepe-Wiesinger)
2 Ihr braucht nicht alle Bücher
In den Vorlesungen und Seminaren wird man von euch die Anschaffung von zig Büchern fordern, mitunter haben die Dozentinnen und Dozenten sie selbst geschrieben. Die meisten Standardwerke sind schweineteuer. Man braucht aber nicht alle. Oft verkaufen ältere Semester ihre Bücher aus den ersten Jahren, die sie nicht mehr brauchen (das Schwarze Brett ist euer Freund). Nette Dozierende geben Reader zu Lehrveranstaltungen heraus und in den Bibliotheken findet ihr die Bücher auch. Kopiert euch das, was ihr wirklich braucht. (Philipp Blanke)
3 Im Hörsaal niemals in der ersten Reihe sitzen
Ihr wollt alles so nah wie möglich mitkriegen, und wollt auch, dass der oder die Prof mitbekommt, dass es Euch gibt? Deshalb immer vorneweg und im Hörsaal in der ersten Reihe sitzen? Eine kleine Warnung: Da kann man ein paar Probleme bekommen. Die Netten und Coolen sitzen auch in der Uni meist eher hinten. Und was Freundschaften für die kommenden Jahre angeht, entscheidet sich eben viel in den ersten Tagen und Wochen. Es gibt aber noch andere Gründe. Da ist zum Beispiel die Aussprache der Lehrenden. Sie kann durchaus mal feucht ausfallen.

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Ganz vorn macht man sich auch sonst angreifbar. Wer mal miterlebt hat, wie in einer Vorlesung namens „Medizin für Biologen“ der Prof dem Kommilitonen auf dem falschen Platz in weniger als einem Augenblick einen Stauschlauch um den Oberarm gelegt und ihm Sekunden später bereits 20 Milliliter Blut abgezapft hatte, zu Lehrzwecken natürlich, dem oder der werden die Gefahren der ersten Reihe jedenfalls stets präsent bleiben. (Richard Friebe)
4 Keine Panik vor der Bürokratie
Das erste Mal so richtig auf eigenen Beinen stehen. Das ist herrlich, hat aber Nachteile. Zum Beispiel, dass man plötzlich für Behörden- und Verwaltungsangelegenheiten ganz alleine zuständig ist. Was helfen kann, wenn einen das anfangs überfordert: Eine hübsche Pappkiste kaufen, mit den Worten „Wichtiger Papierkram“ beschriften und sie irgendwo hinstellen, wo sie auf keinen Fall verloren geht. Dann alles, was an Briefen und Unterlagen ins Haus trudelt, wirklich gleich dort hinein und es geht nichts verloren. Das ist bei dem leidigen Thema schon die halbe Miete!
Für Fortgeschrittene: sich einmal im Monat einen Podcast anmachen und den Papierkram sortieren: Das kann weg, das wird unter „Uni“, „Versicherungen“, „Wohnen“ und so weiter abgelegt. (Karin Christmann)
5 Nutzt alle Studentenrabatte
Nie war ich in Berlin so regelmäßig im Museum, wie während meiner Studienzeit. Nicht nur, weil ich neben den paar Kursen pro Tag damals deutlich mehr Tagesfreizeit hatte als heute. Sondern auch, weil die Studierendenrabatte in Berlins Staatlichen Museen beinahe unschlagbar sind. Einzeltickets für Sonderausstellungen kosten im Normalfall die Hälfte des regulären Preises. Die Jahreskarte für die Dauerausstellungen in allen Häusern des Museumsverbunds gibt es für 25 statt regulär 59 Euro.
Auch andere Kultureinrichtungen wie Theater, Opern und Kinos bieten in Berlin oft ermäßigte Karten für Studierende. Technikanbieter wie Microsoft und Apple gewähren Rabatte auf ihre Produkte, ebenso die Modekette Urban Outfitters. Portale wie Unidays oder ISIC locken mit speziellen Angeboten für Studierende in zahlreichen Online-Shops. Ermäßigungen gibt es außerdem bei den Berliner Volkshochschulen und den Bäderbetrieben. Im Zweifel lohnt es sich, bei so ziemlich jeder geplanten Anschaffung und Unternehmung, kurz online zu checken, ob ein Studierendenrabatt verfügbar ist. (Lea Becker)

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6 Geht auf wirklich alle Uni-Partys
Ihr seid neu in der Stadt oder auch nur an der Uni? Fast alle anderen auch. Jede und jeder sucht hier Anschluss, ist dankbar, wenn er sich eine Clique oder gar einen Freundkreis aufbauen kann. Entsprechend offen und kontaktfreudig sind die meisten Studierenden. Geht nicht nur auf die Partys eurer Fachbereiche und Fakultäten, schaut euch auch an anderen Instituten um, wenn Partys veranstaltet werden. Mit einem schmalen Studi-Budget lässt sich auf Uni-Partys besser zurechtkommen, als in Berlins überteuerten Clubs. Und der Vibe ist meist auch besser. (Philipp Blanke)
7 Nebenjobs können auch Spaß machen
Das Leben in Berlin ist teuer geworden. Doch Augen auf bei der Wahl des Nebenjobs! Kellnern oder Supermarktregale einräumen ist ja schön und gut, aber Geldverdienen geht auch spaßiger. Du kannst ein Musikinstrument spielen und gut erklären? Super, dann biete doch privat Musikunterricht an. Du magst Katzen? Registriere dich bei „Cat in a Flat“ und hüte die Katzen von Leuten, die in den Urlaub fahren, und verdiene beim Netflixen und Kuscheln Geld. Gibt’s auch mit Hunden! Und wenn du lieber etwas machen möchtest, das dir später beim Berufseinstieg hilft, dann schau nach passenden Werkstudentenjobs. (Dana Bethkenhagen)

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8 Geht ins Ausland
Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, an dem Eni und ich Freundinnen wurden. Es war 2017 in der Küche eines nordenglischen Studentenwohnheims. Ich war 23 und erfüllte jedes Klischee einer Erasmus-Studentin. Eni kam als eine der letzten zur Party, in Badelatschen, denn sie wohnte im Häuserblock gegenüber. In den nächsten vier Monaten sahen wir uns beinahe täglich, meist in einer Traube anderer Austauschstudierenden, manchmal waren Engländer dabei. Heute, acht Jahre später, ist Eni immer noch eine meiner engsten Freundinnen.
Wenn man sich darauf einlässt, bekommt man durch das Studieren im Ausland einmaligen Einblick in andere Kulturen und die Wissenschaft des Gastlandes. Während meines Masters habe ich ein weiteres Jahr im Ausland an der Hebräischen Universität Jerusalem studiert. An der Uni habe ich einen Hebräischkurs gemacht und schnell israelische Freunde gefunden. Ich bin auch ins Westjordanland gefahren, habe Menschen und Perspektiven eines Konflikts kennengelernt, denen ich in Deutschland zuvor nicht begegnet bin. Das hat mich nachhaltig geprägt.
Also: Geht ins Ausland, gern auch zweimal! Belegt Seminare, die es zu Hause nicht gibt, lernt die Sprache des Gastlandes, probiert die lokale Küche. Auch wenn es schwierig sein mag: Versucht, euch mit den Locals anzufreunden. Seid neugierig, habt Spaß – wenn es sein muss, auch auf den Erasmus-Partys. (Nora Tschepe-Wiesinger)
9 Sammelt nach dem Abi erstmal andere Erfahrungen
Es kann bereichernd sein, nach dem Schulabschluss keinen Leistungsdruck zu haben und auf anderen Wegen zu erkunden, was man eigentlich will. Ich wollte mit 18 erstmal raus aus meinem Heimatort und habe mich für ein freiwilliges soziales Jahr beworben. In Frankreich habe ich elf Monate in einer Organisation für und mit Menschen mit Behinderung gelebt. Da lernt man, in einem internationalen Team zu arbeiten, Verantwortung zu tragen, den Menschen zuzuhören, Französisch zu sprechen. Ich habe auch meine Grenzen kennen und akzeptieren gelernt. Wäre ich direkt an die Uni gegangen, hätte dieser Teil meiner Entwicklung gefehlt.
Oft zeigt sich später: Studierende, die diese „Pause“ genutzt haben, wirken reifer als jene, die direkt weitermachen. Das hilft auch fürs spätere Studium, weil man Inhalte mit mehr Abstand und Verständnis für den größeren Zusammenhang betrachtet. (Corinna von Bodisco)
10 Macht so viele Praktika wie möglich
Viele Vorlesungen und Seminare sind hoch spannend – doch auf das Berufsleben bereiten so manche von ihnen nur am Rande vor. Ich kann deshalb nur empfehlen: Nutzt, wenn ihr es schafft und euch leisten könnt, die Zeit der langen Semesterferien, um so viele Praktika wie möglich zu machen. Sie helfen, herauszufinden, was man konkret später machen möchte. Und was nicht. Sie vermitteln jene praktischen Fähigkeiten, die im Studium manchmal zu kurz kommen. Und man knüpft ein erstes Netzwerk, auf das man später bei der Jobsuche aufbauen kann. In der Industrie sind Praktika zudem oft nicht schlecht vergütet. (Sandra Calvez)
11 Deine Bude ist nur ok? Bleib trotzdem dort wohnen!
Wenn du ein Zimmer hast, das bezahlbar ist und nicht schimmelt, fault oder unter Wasser steht und deine Mitbewohner nicht die letzten Psychos sind: Bleib da wohnen! Der Berliner Miet- und Wohnungsmarkt ist einer der studentenunfreundlichsten der Republik. Die nächste Bude wird doppelt so teuer, mindestens – und dafür halb so groß. Wenn deine Eltern allerdings so reich sind, dass sie dir eine Wohnung fürs Studium kaufen können, dann gilt: Behalte es entweder um Himmels willen für dich. Oder zieh woanders hin. München dürfte dann eher deine Stadt sein. (Philipp Blanke)
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