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Die Paxlovid-Tabletten sollen vor einem schweren Covid-19 Verlauf schützen

© Fabian Sommer/dpa

Notnagel statt Game-Changer: Wem das Corona-Medikament Paxlovid bei einer Infektion helfen kann

Tabletten schlucken und so einen schweren Covid-19-Verlauf verhindern? Was erst einmal vielversprechend klingt, hat in der Praxis bisher noch einige Haken.

Eine Million georderte Packungen für Deutschland und hohe Wirksamkeit gegen schwere Covid-19-Verläufe: Nach mehreren Impfstoffen und Medikamenten hat vorige Woche die Auslieferung eines Präparats in Deutschland begonnen, das man auf den ersten Blick für einen Ausweg aus der Pandemie halten könnte.

Die Tabletten, um die es geht, heißen Paxlovid und stammen vom US-Pharmakonzern Pfizer. Sie zielen darauf ab, die Virusvermehrung im Körper zu hemmen. Seit Ende Januar ist das Mittel in der EU bedingt zugelassen, seit wenigen Tagen können Ärzte in Deutschland es verordnen. Es kann auch zu Hause eingenommen werden.

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Tabletten ersetzen nicht die Impfung

Die ersten Daten klingen vielversprechend: Die Behandlung mit den zwei Wirkstoffen (Nirmatrelvir/Ritonavir) habe verglichen mit einem Scheinmedikament zu einem um 89 Prozent geringeren Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf geführt, heißt es in der Studie zu Paxlovid im Fachblatt „The New England Journal of Medicine“.

Fachleute betonen auf dpa-Anfrage jedoch, dass man sich nicht anstelle der Impfung auf ein vermeintliches Wundermittel zum Schutz vor Intensivstation oder Tod verlassen sollte. „Paxlovid ist nicht der Pandemieüberwinder, sondern die Impfung“, teilte etwa die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM) mit. Mit Paxlovid habe man „einen Notnagel“: Der Einsatz erfordere äußerste Vorsicht und gute Patientenaufklärung und -überwachung. Das Medikament komme für eine kleine Gruppe von Menschen in Betracht: „für die Ungeimpften über 65-Jährigen, die noch nicht genesen sind“.

Ein Mitarbeiter am Pfizer Standort in Freiburg prüft eine Paxlovid-Tablette.
Ein Mitarbeiter am Pfizer Standort in Freiburg prüft eine Paxlovid-Tablette.

© Pfizer/dpa

Für ungeimpfte Risikopatienten sinnvoll

Für die Studie waren zwei Gruppen verglichen worden: Während rund 1100 Sars-CoV-2-Infizierte fünf Tage lang alle 12 Stunden Paxlovid bekamen, erhielt die zweite Gruppe ein Scheinmedikament. In der Placebo-Gruppe traten rund ein Dutzend Todesfälle auf, wohingegen keiner der mit dem Medikament behandelten Probanden starb. Es konnten an der Studie nur Erwachsene in der Frühphase der Infektion und mit Risikofaktoren wie etwa Übergewicht oder Bluthochdruck teilnehmen. Zu Nebenwirkungen wie Geschmacksstörungen, Durchfall und Erbrechen schreiben die Autoren, diese seien nicht ernst gewesen.

[Lesen Sie auch: "Beatmung, Entzündungshemmer und Antikörper: Mit diesen Therapien kämpfen Ärzte um das Leben ihrer Covid-19-Patienten" (T+)]

Durchgeführt wurde die Studie noch vor Entdeckung von Omikron. Eine Wirksamkeit gegen diese und auch gegen andere Sars-CoV-2-Varianten wird jedoch angenommen. „Das gilt auch für Omikron-Subtyp BA.2, der sich gegenwärtig ausbreitet“, sagte der Experte der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), Stefan Kluge. Er koordiniert die Leitlinie mit Empfehlungen zur stationären Therapie von Covid-19-Patientinnen und -Patienten.

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Generell hält Kluge fest: „Paxlovid ist kein Allheilmittel.“ Er rechne dennoch mit einer relevanten Zahl von Patienten, die damit binnen fünf Tagen nach Symptombeginn behandelt werden könnten: Geeignet sei das Medikament gemäß der vorliegenden Studie nur für Patienten ohne Impfschutz mit mindestens einem Risikofaktor, wozu etwa auch ein Alter ab 50 Jahre zähle. „Es ist anhand bisheriger Daten kein Medikament für beispielsweise schlanke, sportliche 20-Jährige oder 60-Jährige mit Booster, die ein positives Testergebnis erhalten“, sagte Kluge. Zum Einsatz bei Geimpften generell gebe es bisher keine verlässlichen Daten.

Mögliche Wechselwirkungen

In Hinblick auf den frühzeitig nötigen Behandlungsbeginn verweist der Professor vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf auf die Problematik, dass viele Patienten nicht sofort zum Arzt gehen und zusätzlich noch Zeit bis zum Vorliegen des Testergebnisses vergeht. Wegen der gebotenen Eile ist laut Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände vorgesehen, dass Ärzte ausnahmsweise Rezepte direkt an Apotheken schicken, die das Medikament dann beim Großhandel bestellen und es „möglichst kontaktarm“ per Boten an Patienten ausliefern. „Apotheken dürfen Paxlovid nicht bevorraten“, hieß es.

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Ein weiterer Haken sind mögliche Wechselwirkungen mit einer Reihe anderer Medikamente, etwa gegen Bluthochdruck, Krebs, Depressionen oder zur Behandlung anderer Infektionen. Dies dürfte die Verschreibung gerade für besonders gefährdete Patienten erschweren. Experten wie Kluge dringen darauf, die Gefahr von Wechselwirkungen zwingend zu überprüfen. In der Packungsbeilage sind Patienten aufgerufen, ihrem Arzt und Apotheker eine Liste ihrer Arzneimittel zu zeigen.

Breiter Einsatz des Medikaments nicht erwartet

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt begrüßte zwar die Fortschritte bei der Entwicklung von Covid-19-Medikamenten. „Einen breiten Einsatz von Paxlovid in den Hausarztpraxen erwarten wir nach aktuellem Kenntnisstand jedoch nicht.“ Auch die DEGAM teilte mit, Nachfrage und Verschreibung seien aktuell in der hausärztlichen Versorgung „eine Randerscheinung“. Fachleute verweisen jedoch auch darauf, dass zum Glück dank der Impfungen und der in der Regel milderen Omikron-Variante generell deutlich weniger schwere Verläufe zu beobachten seien.

Paxlovid ist nicht das erste Mittel, das ambulante Patienten in der Frühphase der Sars-CoV-2-Infektion vor schweren Verläufen schützen soll. Bereits länger gegeben werden zum Beispiel sogenannte monoklonale Antikörper - in der Regel als Infusion. Neben Paxlovid werden in der jüngst aktualisierten Therapie-Leitlinie auch die Wirkstoffe Remdesivir und Molnupiravir genannt. Auch sie kommen jedoch nicht für alle Patientengruppen in Frage. Und hier gilt ebenfalls die frühe Gabe als entscheidend für den Behandlungserfolg. (dpa)

Gisela Gross

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