zum Hauptinhalt

Riesengebirge: Palazzo Protzki verschandelt polnischen Wintersportort

Im kleinen polnischen Riesengebirgsort Karpacz gibt es großen Ärger um ein Monster-Hotel. Die Regierung fordert einen Rückbau - der Investor zeigt sich unbeeindruckt.

Ein Hotel der Superlative? Oder ist das „Golebiewski“ im 5000-Einwohner-Ort Karpacz (Krummhübel) am Riesengebirge nicht doch etwas aus den Fugen geraten? Knapp 900 Zimmer und Apartments sind entstanden sowie mehr als 30 Konferenzsäle mit bis zu 2500 Plätzen. Auch Restaurants, Sauna, Salzgrotte, Schwimmbäder, Eislaufbahn, Kino und Diskothek gehören zu dem riesigen Hotelkomplex, der in dem traditionsreichen Wintersportort protzt. Der polnische Kulturminister Bogdan Zdrojewski hat indes jetzt angeordnet, das fertige Haus wieder um zwei Etagen zurückzubauen. Außerdem soll das gesamte Dach neu gedeckt werden.

Investor Tadeusz Golebiewski ist zunächst mal unbeeindruckt: „Ich habe vom Ministerium keinen Brief bekommen.“ Und er fügt hinzu: „In zwei Monaten eröffnen wir komplett.“ Bislang dürfen Gäste nur einen kleinen Teil des Hauses nutzen: Die Behörden des Kreises haben vorerst auf ein Jahr befristet die Erlaubnis erteilt, 120 Zimmer des Hotels zu betreiben.

Bis zu 230 Millionen Zloty (58 Millionen Euro) hat Golebiewski für das nun wohl größte Hotel Polens ausgegeben. Nur wenige hundert Meter sind es bis zur nächsten Skipiste. „Mir gefällt es hier“, sagt der 68-Jährige und streicht sich über den dichten Schnauzer à la Lech Walesa. Stolz sitzt er in der lichten Lobby seines neuen Hotels. Viele Brunnen plätschern um gemütliche Sitzgruppen herum, so laut, dass es fast schon unmöglich ist, sich entspannt zu unterhalten. Putztruppen sind unterwegs, während im Außengelände noch Bauarbeiter werkeln.

Das „Golebiewski“ in Karpacz ist das vierte Hotel des Investors, der einst mit der industriellen Produktion von Backwaren reich geworden ist. Mit fünf Sternen soll sein neues Haus bald klassifiziert werden. Die Schwesterhäuser in beliebten Urlaubsregionen wie Masuren und den Beskiden weisen nur vier auf. Ein Doppelzimmer mit Frühstück und Nutzung des Wasserparks Tropikana kostet in der Wintersaison für polnische Verhältnisse stolze 680 Zloty (175 Euro). Im übrigen Jahr sind die Preise etwas günstiger.

Kulturminister Zdrojewski hat mit seinen jüngsten Anordnungen auf die Kritik von Architekten, Denkmalschützern und Naturschützern aus der Region reagiert, die sich im vergangenen Jahr an ihn gewandt hatten. Demnach soll Bauherr Golebiewski die Vorgaben der Baugenehmigungen deutlich missachtet haben. Das Hotel sei viereinhalb Meter höher als erlaubt und das Dach mit Blech und Ziegeln statt mit dem vorgeschriebenen Dachschiefer gedeckt, heißt es. Nur sieben Stockwerke mit 630 Zimmern statt der nun knapp 900 Zimmer waren ursprünglich genehmigt worden. Golebiewski bleibt gelassen. „Die Architekten haben erst jetzt bedacht, dass in Karpacz viel Schnee fällt. Damit dieser sich nicht auftürmt, haben wir statt flacher Dächer auf den Türmen spitze Dächer gebaut – und die sind halt etwas höher.“

Wenig angetan von dem Haus ist auch der Berliner Reiseunternehmer Ulrich Finke (Meso Reisen), der öfter in Karpacz zu tun hat. „Ein hässlicher Klotz mit Wartehallencharakter“, sagt er. Rein äußerlich sei es sogar noch erträglich, weil der Bau in einer Senke liege. „Doch das Innenleben ist geprägt durch breite charakterlose Flure und Restaurants.“ Die Zimmer habe er allerdings noch nicht gesehen. Insgesamt, sagt Finke, sei das Hotel zu groß, weil die Infrastruktur des Ortes nicht entsprechend gewachsen sei.

Kräftig mitgewirkt am Monster hat auch die Stadtverwaltung. Sie hatte Golebiewski unterstützen wollen, indem sie den Raumordnungsplan von Karpacz nachträglich den Bauplänen anpassen wollte. Kein Wunder, schließlich träumt Bürgermeister Bogdan Malinowski schon seit mehr als zehn Jahren davon, den Tourismus seines Ortes in großem Stil voran- zubringen. In einem Gespräch mit dem Tagesspiegel hatte das politische Urgestein – Malinowski gehörte auch vor 1989 zur Nomenklatura – bereits vor zwölf Jahren erklärt, er brauche Investoren für Karpacz. Seinerzeit träumte er gar von Olympia 2014 im Riesengebirge.

Bei dem vermeintlichen Coup hat das Gespann Malinowski/Globiewski jedoch nicht mit den Denkmalschützern gerechnet. Die sehen ein Problem in dem Monsterhotel. Finanzier Golebiewski bleibt jetzt nur noch, die Entscheidung des Ministers gerichtlich anzufechten, der Anordnung zu folgen und zurückzubauen – oder abzuwarten.

Schon während des Baus hatte es immer wieder Verzögerungen gegeben. 2005 hatte Baubeginn sein sollen. Als es dann 2007 tatsächlich losging, hatte es nur zwei Jahre bis zur Eröffnung dauern sollen. Immer wieder wurde von verschiedenen Seiten die gigantische Größe des Hauses kritisiert. In den ursprünglichen Plänen sei das Gebäude „viel gerader“ gewesen, sagt Golebiewski entschuldigend. Jetzt ist es geprägt von verspielten Balkonen, Winkeln und Türmchen. „Das hat der Denkmalschutz so gewollt und jetzt denke ich, dass das auch gut so war“, sagt der Investor. Gleichwohl: Das Hotel mindere „den Wert der Landschaft und passt sich in keiner Weise in die traditionelle Architektur des Ortes ein“, hieß es in einem offenen Brief mehrerer Architektenvereinigungen an den Kulturminister im vergangenen Jahr. Sollten Golebiewskis eigenmächtige Bauveränderungen akzeptiert werden, „wird dies ein deutliches Signal dafür sein, dass man auf örtliches Recht nicht mehr zu zählen brauche und legale Prozeduren nichts mehr wert sind“.

Der Bürgermeister von Karpacz hält zu seinem Investor: „In Deutschland oder England würden ihm noch die Steuern erlassen werden“, sagte Bogdan Malinowski dem Internetportal horecanet.pl, nachdem er von der Entscheidung des Kulturministers erfahren hatte. 500 Arbeitsplätze soll das Hotel bieten, wenn es erst vollständig eröffnet ist. Golebiewski hatte eigentlich schon neue Baupläne: Bei Berlin sollte ein weiteres Hotel ähnlicher Größenordnung entstehen. „Von dem Gedanken habe ich mich jetzt jedoch erst mal verabschiedet“, sagt er. Zunächst müsse er die laufenden Kredite des Karpaczer Projekts zurückzahlen.

Ines Igney

Zur Startseite