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Psychotherapie: Ausbildung reformiert, doch nicht verbessert
Vor vier Jahren regelte der Bund die Ausbildung zum Psychotherapeuten neu. Doch noch immer ist die Finanzierung unklar. Studierende sind frustriert.
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„Wir sorgen für eine moderne und attraktive Psychotherapeutenausbildung. Das ist gut – für Therapeuten und Patienten gleichermaßen“, so kündigte der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) 2019 eine umfassende Reform an. Wenn Yolanda, die ihren Nachnamen nicht genannt haben möchte, an diese Aussage zurückdenkt, wird sie wütend. „Nichts hat sich bisher verbessert”, sagt die 38-Jährige, die an der Freien Universität in Berlin studiert und im Herbst eigentlich ihre Weiterbildung zur Psychotherapeutin beginnen wollte. Eigentlich – denn noch immer ist nicht klar, ob es genug Plätze geben wird.
„Dabei ist die Neuregelung im Kern richtig“, sagt sie. Sie hatte sich gefreut, als die Große Koalition 2019 beschloss, die Ausbildung zu reformieren. Bis dahin musste jede:r, der oder die Psychotherapeut:in werden wollte, Psychologie studieren und im Anschluss eine mindestens dreijährige Ausbildung absolvieren – ohne dass es dafür einen Vergütungsanspruch gab. Nicht selten bekamen die angehenden Therapeut:innen Praktikumsverträge. Und nicht nur das: Auch mussten sie teure Supervisionen, Theoriestunden und Selbsterfahrungskurse bezahlen. Viele starteten mit Schulden ins Berufsleben.
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Ein Studiengang mit besser bezahlten Praxisphasen
Mit der Reform wurde ein neuer Studiengang geschaffen, der eine integrierte Approbationsprüfung beinhalten sollte, nach der man sich als Psycholog:in bezeichnen darf. Und zudem: eine „angemessen“ bezahlte Weiterbildung, wie es in den landesübergreifenden Gesetzen dazu heißt.
„Die Uni riet mir zu wechseln und jetzt sagt man mir, dass ich doch die Ausbildung nach dem alten System machen soll.“
Psychologiestudentin Yolanda von der FU Berlin, die die Proteste mit organisierte.
Doch fast vier Jahre später ist weiterhin unklar, wie das alles finanziert werden soll. Fachverbände und die Studierendenschaft sind deshalb schon lange frustriert. „So wird es kaum Weiterbildungsplätze geben. Wir brauchen endlich ein Gesetz, das die Finanzierung der stationären und ambulanten Weiterbildung festlegt“, sagt Felix Kiunke von der Psychologie-Fachschaftenkonferenz, der Interessenvertretung der Psychologiestudis deutschlandweit. In Absprache mit der Bundespsychotherapeutenkammer hat der Student eine Petition gestartet, die den Bundestag auffordert, aktiv zu werden. Und es eilt: Die ersten Studierenden haben bereits ihren Master absolviert, bis Herbst 2024 werden rund 1000 Absolvent:innen erwartet.
Durch das Parallelsystem entsteht Ungleichheit
Für sie ist die Situation besonders ärgerlich, denn sie sind vom alten ins neue System gewechselt. Dafür mussten sie zusätzliche Kurse absolvieren, teilweise Praktika nachholen, bei einigen hat sich die Studienzeit verlängert. Auch bei Yolanda. „Die Uni riet mir zu wechseln und jetzt sagt man mir, dass ich doch die Ausbildung nach dem alten System machen soll“, sagt sie. Heute frage sie sich, ob sie damals richtig entschieden hat. „Ich fühle mich im Stich gelassen. Es gibt kaum gesicherte Informationen.“
Gemeinsam mit anderen hat sie einen Aktionstag organisiert und vor dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) demonstriert. „In den nächsten Jahren wird es noch zahlreiche Psychotherapeut:innen in Ausbildung geben, die für Kliniken die weit günstigeren Arbeitskräfte sind als wir alle, die in Weiterbildung sind.“ Es konkurrieren also Absolvent:innen nach dem alten und neuen System um die begrenzten Plätze in Kliniken und Praxen. Auch für die Ausbildungsinstitute seien die Studierenden, die noch nach dem alten System ihre Praxiserfahrung sammeln, gewinnbringend, betont Yolanda.
Tom Putensen, der an der International Psychoanalytic University (IPU) studiert, wird ebenfalls im Herbst fertig. Auch er weiß nicht, was danach kommt. „Ich bereite mich darauf vor, nicht mit der Weiterbildung starten zu können”, sagt der 29-Jährige. Stattdessen überlegt er, zur Überbrückung als Psychologe zu arbeiten und nicht als Therapeut. Für ihn ist die Unklarheit, in der die Politik die Studierenden belässt, existenziell: Die IPU ist eine Privatuniversität, Tom muss wie viele seiner Kommiliton:innen seine Studienkredite zurückzahlen und braucht deshalb ein gesichertes Einkommen.
Und Yolanda? Sie hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben: „Ich habe so viel in die Umstellung investiert und ein Recht auf die Weiterbildung nach dem neuen System. Das wollen wir so schnell wie möglich durchsetzen.” Auch dank ihrer Protestaktionen ist sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) des Problems immerhin bewusst. Auf dem Psychotherapie-Kongress in Berlin sagte er kürzlich: „Wir können nicht durch die Unterfinanzierung der Weiterbildung das alte System in das neue System übertragen. Dieser Verantwortung bin ich mir voll bewusst.” Die Studierenden werden sich diese Worte merken – und, wenn sich die Lage nicht bessert, wieder vor seinem Ministerium demonstrieren.
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