zum Hauptinhalt
Gerade Promovierende hangeln sich aktuell von einer Befristung zur nächsten.

© mauritius images / Jozef Polc / Alamy / Alamy Stock Photos

Reformvorschläge: Doktoranden sollen Arbeitsvertrag über mindestens drei Jahre erhalten

Die Bundesforschungsministerin legt Eckpunkte vor, um das Arbeitsrecht in der Wissenschaft zu reformieren. Für Doktoranden soll der Erstvertrag mindestens drei Jahre laufen.

Stand:

Für Doktoranden soll künftig beim ersten Arbeitsvertrag eine Mindestlaufzeit von drei Jahren gelten. Das ist ein Kernpunkt der Reform des „Wissenschaftszeitvertragsgesetz“, das die Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) am Freitag in Eckpunkten vorstellte.

Sie wolle „mehr Verlässlichkeit, Planbarkeit und Transparenz im Wissenschaftsbetrieb“ schaffen, sagte Stark-Watzinger. Die Vorschläge würden „signifikante Veränderungen“ bringen. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Wissenschaftsbetrieb solle verbessert werden.

Die Reform hat die Ampel bereits im Koalitionsvertrag versprochen, gerungen wird darum seit längerem. Hinter dem sperrig klingenden Gesetz verbirgt sich eines des drängendsten Probleme des Wissenschaftsbetriebs: Nämlich die prekäre Beschäftigung und die unsicheren Karriereperspektiven vieler junger Forschender, wobei als „jung“ an den Hochschulen noch viele gelten, die deutlich jenseits der 40 Jahre sind.

Das Gesetz regelt dabei wichtige Ausnahmen im Arbeitsrecht für den Wissenschaftsbetrieb. Bis zu zwölf Jahre Arbeit ohne Dauerstelle sind möglich, solange sie offiziell der Qualifikation dienen: sechs davon bis zur Promotion und weitere sechs danach. Die Folge: Rechnet man die Professor:innen raus, waren im Jahr 2020 tatsächlich 81 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen an Hochschulen befristet angestellt, Kettenverträge mit teils sehr kurzen Laufzeiten waren gerade für Doktorand:innen üblich.

81
Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen an Hochschulen sind befristet angestellt.

Zwar wird für die Promotionsphase der Zeitraum von sechs Jahren, in denen befristet werden kann, auch künftig nicht angetastet. Die neue Mindestlaufzeit von drei Jahren für einen Erstvertrag in diesem Bereich würde aber eine deutliche Veränderung bedeuten. Bisher gab es eine solche Vorschrift nicht.

Für Post Docs wird Befristungsdauer gesenkt

Für alle, die nach der Promotion als Postdoktoranden beschäftigt sind, soll die Höchstbefristungsdauer deutlich gesenkt werden – und zwar von sechs auf drei Jahre. Der Erstvertrag in diesem „Postdoc“-Bereich soll künftig mindestens zwei Jahre laufen. Dadurch werde es sich künftig deutlich früher entscheiden, ob es für Wissenschaftler:innen eine dauerhafte Karriereperspektive gebe, sagte Stark-Watzinger.

Studentische Beschäftigte werden nach dem Eckpunktepapier künftig eine Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr erhalten, hier gab es bisher keine derartige Regelung. Bestehende Verlängerungsmöglichkeiten der Höchstbefristungsgrenze etwa für Doktoranden, die ein Kind bekommen, bleiben erhalten. Die Ampel will auch die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Tarifpartner erweitern, bei Drittmittelprojekten soll zeitlich die Qualifizierungs- vor der Drittmittelbefristung Vorrang haben.

Wie streng die gesetzlichen Vorgaben künftig sein sollen, ist in der Wissenschaft ein umstrittenes Thema. Während die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für „Dauerstellen für Daueraufgaben“ kämpft und zum Beispiel Befristungen prinzipiell überhaupt nur noch bei nicht-promovierten Wissenschaftler:innen erlauben will, pochen insbesondere die Leitungen von Hochschulen und außeruniversitären Instituten auf Flexibilität.

Bei zu vielen Dauerstellen sei nachfolgenden Kohorten der Zugang ins Wissenschaftssystem versperrt, da für sie keine Stellen frei würden. lautet die Argumentation. Gerade erst hat sich Martin Stratmann, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, dahingehend im Tagesspiegel geäußert.

Die Gewerkschaften zeigten sich in ersten Reaktionen nur teilweise zufrieden. Die GEW erklärte, die Ampel müsse nachlegen. Positiv seien die konkreten Mindestvertragslaufzeiten, die würden angesichts einer durchschnittlichen Promotionsdauer von 5,7 Jahren aber zu kurz greifen. Der Druck auf Postdocs würde sich sogar erhöhen, wenn lediglich die Höchstbefristungsdauer halbiert werde. Hier brauche es zusätzlich „berechenbare Perspektiven“ auf eine Dauerstelle. Ähnlich äußerte sich Verdi.

Zusätzlichen Stellen werden mit der Reform des Gesetzes aber zunächst nicht geschaffen, wie auch Stark-Watzingers Staatssekretär Jens Brandenburg (FDP) sagte. Er erwarte von den Ländern, dass sie die zusätzlichen Bundesmittel aus dem Zukunftspakt Studium und Lehre dafür einsetzten, neue Dauerstellen einzurichten. Die Länder seien auch im Vorfeld bereits eingebunden gewesen.

Die Debatte um die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft dürfte mit den vorgelegten Eckpunkten daher noch lange nicht beendet sein. Die Eckpunkte müssen nun in einem Gesetzentwurf ausgeführt werden, dieser wiederum wird dann Verbänden zur Anhörung vorgelegt. Stark-Watzinger will das Gesetz vor der Sommerpause im Kabinett beschließen lassen. Danach berät der Bundestag. Ende 2023/Anfang 2024 könnte es dann auch von den Abgeordneten abgesegnet werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })