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Medikamente und ein Fiberthermometer liegen auf einem Nachttisch.

© dpa/ Maurizio Gambarini

Saisonale Influenza: Grippewelle erreicht vorläufigen Höchststand

24.000 Menschen infizierten sich in der dritten Februarwoche. Doch wie viele Menschen in einer Saison tatsächlich an Grippe erkranken oder sterben, ist so einfach nicht zu messen.

Sogar Gott hat’s erwischt: Der Sänger Karel Gott („Biene Maja“) liegt seit Dienstag mit Grippe in einem Prager Krankenhaus. Mit seinen 78 Jahren gehört der Schlagerstar zu der Gruppe von Menschen, denen die Influenza-Viren, die alljährlich in den Wintermonaten weltweit weitergereicht und verbreitet werden, ernsthaft gefährlich werden können. Neben chronisch Kranken und Schwangeren laufen vor allem ältere Menschen Gefahr, dass eine Influenza-bedingte Atemwegserkrankung nicht mehr kontrollierbar ist und zum Tode führt.

Derzeit ist das Ansteckungsrisiko besonders hoch. Das Berliner Robert-Koch-Institut (RKI) meldet einen „vorläufigen Höchststand“ der Infektionsmeldungen: 24.000 in der dritten Februarwoche, in der Woche davor waren 18.700 nachweislich mit Influenza infiziert. Seit Beginn der Saison im Oktober hat das RKI, wo die bundesweiten Influenzameldungen gesammelt werden, insgesamt 82.000 Influenza-Infektionen und 136 auf die Viren zurückzuführende Todesfälle registriert – vier davon in Berlin.

Ist diese Grippesaison außergewöhnlich?

So tragisch jeder einzelne Todesfall ist, so wenig fallen die Zahlen allerdings bisher aus dem Rahmen des Üblichen. In der vergangenen Grippesaison 2016/17 zählte das RKI insgesamt 723 Todesfälle mit nachgewiesener Influenza-Infektion, bei 448 dieser Fälle wurde gemeldet, dass die Person aufgrund der Influenzaerkrankung oder deren Folgen verstorben ist. Von diesen Zahlen ist man zurzeit noch weit entfernt. Noch gravierender als 2016/17 stuft das RKI die Jahre 2012/13 und 2014/15 ein.

Ein anderer Messwert, die Anzahl der Arztbesuche aufgrund einer akuten Atemwegserkrankung, ist derzeit um das 2,5-fache erhöht, verglichen mit einem vergleichbaren Zeitraum ohne Grippewelle. Das ist mehr als im vergangenen Jahr, aber vergleichbar mit den Werten in 2014/15 und 2012/13.

Wie aussagekräftig sind die Zahlen?

So exakt die Daten über die Grippeinfizierten, die auf Pflichtmeldungen der Ärzte zurückgehen, klingen – wie viele Menschen in einer Saison tatsächlich an Grippe erkranken oder sterben, ist so einfach nicht zu messen. Zum einen liegt das daran, dass in Deutschland nur Fälle meldepflichtig sind, bei denen Influenza diagnostisch nachgewiesen wurde. Doch den Tests wird nur ein geringer Teil der Patienten mit Grippesymptomen überhaupt unterzogen. Zum anderen können sich Todesfälle, die eigentlich der Influenza zuzuschreiben wären, in anderen Diagnosen der Todesursache, etwa „Lungenentzündung“ verbergen.

Daher sind Zahlen darüber, wieviele Menschen in einer Saison an Grippe sterben (40.000 Europäer sagt die EU-Kommission) Schätzungen aus statistischen Verfahren. Dabei werden Gesamttodesfallzahlen, Statistiken zu Todesfällen aufgrund von Atemwegserkrankungen und ähnliche Daten herangezogen und dann die ohnehin statistisch zu erwartende Sterblichkeitsrate in den Monaten der Grippewelle von der tatsächlichen abgezogen. Der Rest wird der Influenza zugeschrieben.

Ist der Höhepunkt der Grippewelle erreicht?

Die Wahrscheinlichkeit, dass die diesjährige Grippewelle noch außergewöhnliche Ausmaße annimmt, hält Susanne Glasmacher vom Robert-Koch-Institut für gering. Mit rund 25.000 Influenzameldungen in der dritten Februarwoche liege die Zahl der Infektionen in vergleichbarer Dimension des Vorjahres (etwa 21.000 Meldungen). „Außerdem können wir nie ganz sicher sein, ob in der einen oder anderen Saison einfach mehr oder weniger Virusdiagnostik durchgeführt wurde“, sagt Glasmacher.

Ein wichtiger Indikator für die Gefährlichkeit einer Grippewelle sind die kursierenden Influenzatypen. So sei dieses Jahr vor allem der vergleichsweise mildere Typ B vertreten. Der für besonders schwere Krankheitsverläufe und damit auch mehr Todesfälle vor allem bei älteren Patienten bekannte Erregertyp A-H3N2 werde hingegen bislang seltener diagnostiziert als in den Vorjahren und anders als derzeit in den USA.

Wie gut wirken die Grippe-Impfstoffe?

Jedes Jahr tragen Forscher die Informationen über die weltweit am häufigsten kursierenden Varianten von Influenza-Viren zusammen und versuchen dann vorherzusagen, welche sich in der nächsten Saison am stärksten verbreiten werden. Das ist ein Stück weit Kaffeesatzleserei, die sich aber nicht vermeiden lässt, weil die Virustypen für den Impfstoff Monate vor der nächsten Saison ausgewählt werden müssen. Die Pharmafirmen brauchen diese Zeit, um genügend Impfstoffdosen produzieren zu können.

Es gibt tri- und tetravalente Impfstoffe, die also gegen drei beziehungsweise vier Virustypen schützen. Der Vierfach-Impfstoff deckt auch den B-Typ (Yamagata-Linie) der Influenza-Viren ab, ist allerdings teurer und wird noch nicht von allen Kassen übernommen, weil die Ständige Impfkommission seine Verwendung erst seit kurzem empfiehlt.

In diesem Jahr schützt der am häufigsten verwendete trivalente Impfstoff immerhin fast die Hälfte (46 Prozent) der Geimpften vor einer Infektion. Das klingt nach wenig, ist im Vergleich zum Vorjahr (35 Prozent) jedoch deutlich besser.

Viel lieber hätten Forscher und Ärzte aber einen Impfstoff, der gegen alle Influenza-Typen immun macht – doch den gibt es noch nicht. Erste Tests an Menschen sind aber bereits auf dem Wege, sagt der Influenzaforscher Peter Palese vom New Yorker Mount Sinai Krankenhaus. Sein Team hat den Impfstoff entwickelt, der Proteinbruchstücke enthält, die in allen Influenzaviren gleich sind. Palese ist sich sicher, „dass wir es schaffen können, so einen Universalimpfstoff zu entwickeln.“ Bei Mäusen und Frettchen funktioniere er bereits.

Wie kann man sich jetzt noch vor einer Grippeinfektion schützen?

Auch jetzt nützt eine Impfung noch, betont das RKI. Zwar brauchen die Impfstoffe etwa zwei Wochen, bis sie das Immunsystem gegen die Erreger gewappnet haben. Aber die Grippesaison kann unter Umständen noch bis in den April andauern. Außerdem schützen Impfungen zu einem gewissen Maß auch in den folgenden Jahren. Unabhängig vom Wirkstoff gibt es verschiedene Verabreichungsformen: ein Impfstoff wird in den Muskel, ein anderer unter die Haut gespritzt, und für Kinder und Jugendliche zwischen zwei und 17 Jahren gibt es auch ein Nasenspray. Personen über 65 Jahren bekommen einen Impfstoff mit Wirkverstärker – nicht zuletzt, weil das Immunsystem im Alter allmählich an Kraft verliert und unterstützt werden muss.

Aber auch ohne Impfung kann man sich schützen – mit einfachen Hygieneregeln, etwa die Hände so oft wie möglich mit Seife zu waschen. Das reduziert die Zahl der Keime um das Tausendfache und vermindert die Infektionsgefahr. Denn die Erreger wirbeln nicht nur durch Luft in die Lunge, sondern werden häufig über Schmierinfektionen übertragen. In öffentlichen Verkehrsmitteln Handschuhe und Mundschutz zu tragen mag modisch uncool sein, hilft aber. Auch das Händeschütteln zu verweigern, wirkt unhöflich, ist aber effektiv.

Sehr wirksam ist es, nicht in die Hand, sondern in den Ellbogen zu Husten oder zu Niesen, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Gerne vernachlässigt als Einfallstor für Viren sind die Augen, in denen man besser nicht herumreibt, solange die Erreger gerade massenhaft kursieren. In Arztpraxen ist naturgemäß besondere Vorsicht geboten. Wenn es getrennte Wartebereich für vermutlich infektiöse Patienten gibt, sollten sie genutzt werden, und Handdesinfektionsspender sollten eine Selbstverständlichkeit sein.

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