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Pflanzen hängen davon ab, ob der Boden gesund ist.

© Matthias Rillig

Schaden durch den Menschen: Wie unsere Böden auf Stress reagieren

Der Boden unter unseren Füßen hält viel aus. Aber traktiert der Mensch ihn zu stark, ist er überfordert – und verliert seine Anpassungsfähigkeit.

„Wir sollten unseren Böden nicht zu viel zumuten, sonst könnte ihre Gesundheit leiden“, sagt Matthias Rillig von der Freien Universität Berlin und vom Berlin-Brandenburgischen Instituts für Biodiversitätsforschung (BBIB). Der Bodenökologe stützt seine Annahme auf ein Experiment, in dem er gemeinsam mit seinen Mitarbeitern testet, wie Böden auf verschiedene menschengemachte Einflüsse wie steigende Temperaturen, Agrarchemikalien oder Eintrag von winzigen Plastikteilchen reagieren. Das Ergebnis, das jetzt im Fachmagazin „Science“ veröffentlicht wurde: Im Zusammenspiel dieser Faktoren ergeben sich oft noch ganz andere, dramatischere Wirkungen.

In der Natur kommen meist mehrere Einflüsse zusammen: Der Klimawandel verändert Temperatur und Niederschläge, der Bauer bringt Insekten-, Pflanzen- und Pilzvernichtungsmittel aus, zusätzlich erreichen vielleicht giftige Schwermetallverbindungen von einem nahen Industriegelände den Boden. Zu analysieren, wie diese Faktoren zusammenwirken, kann aufwendig sein.

Experimente mit mehr als drei Einflussfaktoren gibt es fast nicht

Kombinieren die Forscher zwei solcher Einflüsse miteinander, müssen sie zum Beispiel fünf unterschiedliche Temperaturen mit fünf verschiedenen Konzentrationen von Mikroplastik miteinander vergleichen und benötigen dafür nicht nur 25 Ackerflächen, sondern auch noch eine Reihe von Kontrollen mit nur einem dieser Einflüsse in diversen Größen.

In solchen Laborgefäßen testeten die Berliner Forscher, wie die Kombination schädlicher Einflüsse die Bodengesundheit verringert.
In solchen Laborgefäßen testeten die Berliner Forscher, wie die Kombination schädlicher Einflüsse die Bodengesundheit verringert.

© Matthias Rillig

„Experimente mit drei oder mehr unterschiedlichen Faktoren gibt es daher fast keine“, erklärt – ebenfalls in „Science“ – Peter Manning, der am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum (SBiK-F) in Frankfurt am Main vor allem die Böden der europäischen Graslandschaften erforscht. Die reale, alltägliche Situation auf einem Getreidefeld oder auf einer Weide konnte also bisher von den Forschern kaum untersucht werden.

Der neue Ansatz der Gruppe um Rillig jedoch bezieht bis zu zehn verschiedene Einflüsse mit ein. So erhöhten die FU-Forscher die Temperatur der Bodenproben um fünf Grad Celsius, sorgten für künstliche Trockenheit, erhöhten den Salzgehalt, behandelten die Proben mit Insekten-, Pflanzen- und Pilzmitteln, dem Schwermetall Kupfer, Mikrofasern aus Polyesterkunststoff, Antibiotika und Stickstoffdünger sowie zufälligen Kombinationen aus diesen Maßnahmen.

Mehr Einflüsse stressen die Böden zusätzlich

Eigentlich sollte man bei einer solchen rein zufälligen Auswahl eher chaotische Ergebnisse erwarten. „Stattdessen fanden wir immer eine Tendenz zu Verlusten“, sagt Matthias Rillig. Mikroorganismen im Untergrund könnten mit einzelnen Einflüssen durchaus umgehen. Mehrere überfordern aber die Anpassungsfähigkeit häufig. Dann bauen sie zum Beispiel Reste von Pflanzen schlechter ab und formen weniger Bodenkrümel, in denen Kohlenstoff gespeichert wird.

Ein weiterer Befund: Die Vielfalt der verschiedenen Pilze nahm ab, die unter der Erde Pflanzen abbauen und so die darin steckenden Nährstoffe für andere Organismen zugänglich machen. Auch könnten durch verschiedene Umweltfaktoren belastete Böden die Folgen der mit dem Klimawandel erwarteten längeren Trockenperioden erheblich verschlimmern.

Rillig fordert, dass möglichst schnell die wichtigen negativen Umwelteinflüsse auf die Böden verringert werden, um größeren Schäden vorzubeugen. „So sollte zum Beispiel die unsachgemäße Entsorgung von Kunststoffen unterbleiben, Agrarchemikalien sollten möglichst selten angewendet werden“, sagt Rillig.

Die Wissenschaftler haben ihren Ansatz vorerst nur in einem recht kleinen Maßstab getestet. Trotzdem, sagt Manning, könnten die Ergebnisse eines Tages dazu beitragen, Kipppunkte für Bodenökosysteme besser vorauszusagen.

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