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Schlaf gut, Sommerzeit: Spart das Energie – oder kann das weg?
Die halbjährliche Uhrenumstellung ist ziemlich unsinnig und dass die Wecker im Frühling de facto eine Stunde früher klingeln, ist eine Zumutung. Schluss damit!

Stand:
Schon wieder. Vergangene Nacht wurde uns eine Stunde genommen, die wir erst im Herbst zurückerhalten werden. Dann werden Deutschlands Uhren von der jetzt geltenden Sommerzeit wieder auf die Winterzeit – übrigens auch bekannt als „Normalzeit“ – zurückgestellt.
Sinn und Unsinn des nächtlichen Eingriffs in den Tagesablauf werden ebenso regelmäßig diskutiert. Ich plädiere nicht zuletzt persönlich motiviert (Lasst mich ausschlafen!) für Bewegung in einer festgefahrenen Debatte. Auch wenn die Chancen dafür nicht gut stehen.
Wir sollten versuchsweise über die tiefen Gräben springen, die zwischen den Lagern verlaufen: Umstellen versus nicht Umstellen und, unter den Nicht-Umstellern, ganzjährig Sommerzeit versus ganzjährig Normalzeit. Ich behaupte, dass die Differenzen überwindbar sind und wir mit Normalzeit am besten führen. Und wenn uns das nicht gefällt, hüpfen wir halt zurück. Sollte kein Problem sein, wird uns derzeit ja auch zweimal jährlich abverlangt.
Zunächst mal die unverstellbaren Fakten: Morgens geht die Sonne auf, abends unter. So weit herrscht große Übereinstimmung. Aber wie viel Uhr es dabei jeweils ist, ändert sich im Jahresverlauf. In Deutschland erfolgen der früheste und der späteste Sonnenaufgang – Achtung, Angaben in mitteleuropäischer Normalzeit und Ost-West-Differenzen mal beiseite – um etwa 4 Uhr und um etwa 8 Uhr, mancherorts erst gegen halb neun. Frühester und spätester Sonnenuntergang liegen etwa bei 16 und gegen 21 Uhr. Normalzeit. Letzteres aber im Sommer. Also gegen 22 Uhr Sommerzeit. Alles klar?
Das abrupte Vorrücken des Tagesablaufs im Frühling betrifft nur die sozialen Zeitgeber wie den Schul- oder Arbeitsbeginn. Der natürliche Zeitgeber Tageslicht verändert sich behutsamer, hinkt der Sommerzeit erstmal hinterher. Erst vier Wochen nach der Uhrenumstellung stimmen die Sonnenaufgangszeiten wieder wie gewohnt mit den Aufstehzeiten überein.
Das kann gesundheitliche Folgen haben. Am Sonntag dürfen wir noch ausschlafen, aber am Montag und in den ersten Tagen danach klingelt der Wecker, um es mal so zu sagen, „viel zu früher“. Wir sind unausgeschlafen und mehr Menschen erleiden am Tag nach der Umstellung einen Herzinfarkt als nach unverkürzten Nächten [KORREKTUR, siehe unten]. Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit sind eingeschränkt, Menschen mit Schlafstörungen sind besonders betroffen.
Also warum die Manipulation? Mehr Tageslicht in den Abend hinein sollte ursprünglich helfen, Strom für Beleuchtung zu sparen. Auch der Kühlbedarf von Bürogebäuden sinkt. Aber die Effekte sind gering und bei konsequentem Ausbau der kostengünstigen Erneuerbaren verzichtbar.
Medizinische Fachleute, etwa von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, empfehlen, die Normalzeit beizubehalten. Damit wären Uhrzeit und Sonnenstand ganzjährig besser im Einklang.
Wenn es schwierig ist, dies in Europa zu koordinieren, etwa zwischen Ostpolen und Westspanien, sollten wir die mitteleuropäische Zeit beim Wort nehmen, und europäische Länder ihre Uhren nach ihrem Tagesrhythmus stellen lassen. So einfach wäre das.
Und ich wäre morgen besser ausgeschlafen. Dafür würde ich auf die geschenkte Stunde im Herbst, wenn wir die Uhren wieder zurückdrehen, verzichten. Sie war ohnehin nur von mir ausgeliehen. Ohne mich zu fragen.
[KORREKTUR: Absatz wurde verändert, um gesundheitliche Folgen genauer darzustellen. Der Hinweis auf vermehrte Verkehrsunfälle wurde gelöscht, da diese nach dem Zurückstellen auf Normalzeit auftreten. Vielen Dank für den kritischen Hinweis in den Kommentaren!]
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