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Die Gilbert-Inseln sind eine Gruppe von 16 Inseln, die zu Kiribati in Mikronesien gehören.

© Nasa/MODIS

Männlich, Segler, sucht...: Sesshafte Frauen und mobile Männer auf den Inseln Mikronesiens

Die Inseln Mikronesiens wurden in mehreren Wellen besiedelt. Zwischen den Inseln wanderten zunächst vor allem die Männer.

Es sind Postkarten-Idylle. Hinter einem hellen Sandstrand am glasklaren Wasser des Pazifiks schwanken die dunkelgrünen Blätter von Palmen im Wind. Auf solchen Inseln im Pazifischen Ozean leben oft viele Einwohner, auch wenn sie häufig Hunderte von Kilometern voneinander entfernt liegen. Die ersten Siedelnden erreichten unbewohnte Inseln wahrscheinlich auf Ausleger-Kanus. Woher sie kamen, war bisher oft kaum bekannt.

Für die östlich und nördlich von Papua-Neuguinea liegenden Inseln Mikronesiens haben David Reich von der Harvard Universität im US-Bundesstaat Massachusetts und sein Team versucht, dies anhand von Erbgut-Analysen aufzuklären. In der Zeitschrift „Science“ berichtet das Team, dass es bereits vor Jahrtausenden mindestens fünf Einwanderungswellen aus Ost-Asien, Papua-Neuguinea und Polynesien gab.

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Einwanderung über Papua-Neuguinea

Für ihre Untersuchung hat die Gruppe Erbgut aus den sterblichen Überresten von 164 Menschen analysiert, die an fünf Fundstätten auf den über 2000 Inseln Mikronesiens geborgen wurden. Mit der Radiokarbonmethode bestimmte sie das Alter von 30 dieser Funde. Der älteste stammt von einem Menschen, der vor 2800 Jahren und der jüngste von einem Menschen, der vor 500 Jahren lebte. Zusätzlich analysierte die Gruppe das Erbgut von 112 heutigen Einwohnern dieser Inselwelt.

Aus Vergleichen schlossen sie auf drei Wellen von Einwanderern, die jeweils vor mindestens 2800, 2400 und 2100 Jahren aus Regionen kamen, in denen aus Indonesien und von den Philippinen stammende Menschen lebten. Dieses Ergebnis deckt sich mit archäologischen Funden auf den Inseln Mikronesiens. Dort ausgegrabene Ton-Scherben sind höchstens 3500 Jahre alt und ähneln der Keramik, die zur gleichen Zeit auf den Philippinen genutzt wurde.

Die Menschen der vierte Besiedlungswelle stammten nach den Erbgut-Analysen aus dem heutigen Papua-Neuguinea. Allerdings müssen die Träger dieses Erbguts nicht auf direktem Weg nach Mikronesien gekommen sein.

Hinweise auf einen anderen Weg hat Cosimo Posth gefunden, der an der Universität Tübingen mit Erbgut-Analysen ähnliche Wanderungen analysiert, der an der Science-Studie aber nicht beteiligt war. Mitte Juni diesen Jahres hatte der Tübinger Forscher gemeinsam mit Kolleg:innen vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig eine Studie im Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht, in der sie das Erbgut von Menschen analysierten, die einst auf den Wallacea-Inseln lebten. Dieses Archipel zwischen Indonesien und Papua-Neuguinea ist seit Jahrmillionen sowohl vom Osten Asiens wie auch von Neuguinea durch breite und tiefe Meeresstraßen getrennt.

Und doch finden sich im Erbgut von menschlichen Überresten dort eindeutige Spuren, nach denen sich seit mindestens 3000 Jahren mehrmals Menschen aus dem Osten Asiens mit Papua-Gruppen mischten. „Etwas Ähnliches könnte natürlich auch bei der Besiedlung Mikronesiens eine Rolle gespielt haben“, vermutet Posth. Möglicherweise könnten sich Menschen aus Ostasien, die nach David Reich und seinem Team die dritte Wanderungswelle bildeten, bereits zuvor auf anderen Inseln dieser Region mit Papua-Gruppen gemischt haben.

Sollten diese Leute dann nach Mikronesien gekommen sein, würde die dritte Welle aus Ostasien mit der vierten Welle mit Papua-Erbgut verschmelzen. „Diese Möglichkeiten sollten weiter untersucht werden“, sagt Posth.

Die fünfte Besiedlungswelle könnte nach der Studie von Reich und Team vor mindestens tausend Jahren Mikronesien erreicht haben. Doch Posth beurteilt die Schlussfolgerung skeptisch, „basiert sie doch auf dem Erbgut eines einzigen Individuums, von dem nicht einmal der Fundort in Mikronesien bekannt ist.“ Da die Menschen der Südsee hervorragende Navigatoren waren und mit ihren Ausleger-Kanus zwischen den abgelegenen Inseln reisten, könnte es sich bei diesem Fund durchaus um alltägliche Mobilität und nicht um eine Einwanderungswelle handeln. Auch diese eventuelle fünfte Welle sollte also noch weiter untersucht werden.

Gegensätzliches Muster zum steinzeitlichen Europa

Verblüffend, aber eindeutig fällt dagegen die Analyse des Erbguts aus den Mitochondrien der Überreste der Mikronesier aus. Diese DNA aus den Kraftwerken der Körperzellen wird ausschließlich von Müttern an ihre Kinder vererbt, die Väter haben keinerlei Einfluss auf dieses Erbgut. Diese Mitochondrien-DNA aus längst verstorbenen Menschen unterscheidet sich zwischen den abgelegenen Inseln Mikronesiens sehr stark, ist aber innerhalb einer Gruppe jeweils sehr einheitlich.

Daraus schließen David Reich und sein Team, dass die Frauen ihre Kinder praktisch immer in der gleichen Gruppe aufzogen, in der sie selbst geboren worden waren. Die Männer dieser Frauen kamen dagegen oft von anderen Inseln und blieben dann vermutlich in der Gruppe ihrer Partnerin. Nach diesen Erbgut-Analysen brachten vor allem Männer das Papua-Erbgut auf etliche Inseln Mikronesiens, möglicherweise auf der Suche nach Partnerinnen.

„Dieses Verhalten ist allein deshalb hochinteressant, weil nach bisherigen Studien die Verhältnisse im Europa der Steinzeit genau umgekehrt waren“, erklärt Posth: „Dort kamen die Frauen in die Gruppe der Männer, mit denen sie später Kinder hatten.“

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