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„Sind Juden im Land der Täter heute noch sicher?“: Steinmeier erschüttert über antisemitische Übergriffe
70 Jahre Leo Baeck Institut: Der Bundespräsident erinnert an Hannah Arendt und ihre Mitstreiter, die das kulturelle Erbe der deutschen Juden bewahren wollten. Eine Aufgabe, die bleibt.
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigt sich erschüttert über die Zunahme antisemitischer Übergriffe wenige Jahrzehnte nach der Schoah. „Jüdinnen und Juden fragen sich wieder, ob sie im Land der Täter von einst eigentlich sicher sind“, erklärte Steinmeier in einem Grußwort zum 70-jährigen Bestehen des Leo Baeck Instituts. „Das beschämt mich und macht mich wütend.“
Das Leo Baeck Institut wurde 1955 - zehn Jahre nach Ende des Holocaust - von einer Gruppe geflüchteter Intellektueller gegründet, darunter Hannah Arendt, Martin Buber, Max Grunewald und Robert Weltsch. Ziel war, das fast vernichtete kulturelle Erbe des deutschsprachigen Judentums zu bewahren.
„Vermächtnis ist Verpflichtung“
Heute ist das LBI mit Zweigstellen in Jerusalem, London, New York und Berlin Forschungsstätte und Bibliothek mit Zehntausenden Bänden zur jüdischen Kultur, die großteils auch digital zugänglich sind. Namensgeber ist der Rabbiner und Holocaust-Überlebende Leo Baeck.

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„Leo Baecks Vermächtnis bedeutet zugleich eine Verpflichtung für uns“, erklärte Steinmeier. „Seine Hoffnung ist unsere Verantwortung: Nur wenn Jüdinnen und Juden in Deutschland wieder zu Hause sind, nur dann ist Deutschland ganz bei sich.“
Gradmesser für die Demokratie
LBI-Präsident Michael Brenner sagte der Deutschen Presse-Agentur, Anfeindungen gegen jüdisches Leben sei keine nur auf Deutschland bezogene Entwicklung. „Aber aufgrund der Geschichte des 20. Jahrhunderts wird die Bedrohung jüdischen Lebens in Deutschland verständlicherweise unter besonderen Gesichtspunkten gesehen.“ Die Entwicklung jüdischen Lebens gelte auch als Gradmesser für die Demokratie in Deutschland.
„Man muss sich zunächst vergegenwärtigen, wie klein die jüdische Gemeinschaft in Deutschland heute ist: Sie umfasst nicht mehr als 0,2 Prozent der deutschen Bevölkerung“, sagte Brenner weiter. Das sei weniger als die Bevölkerung der Stadt Oberhausen. „Doch jüdische Existenz ist 80 Jahre nach der Schoah in Deutschland auch eine symbolische Präsenz. Wenn diese bedroht ist, ist auch Deutschlands Demokratie bedroht.“

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Historische Aufgabe
Das große Verdienst des Leo Baeck Instituts sei es, das deutsch-jüdische Erbe weltweit bewahrt zu haben. Die historische Aufgabe bleibe. „Wir achten darauf, dass die Jahrhunderte lange Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland nicht in Vergessenheit gerät“, sagte Brenner. Es gelte nicht nur, auf die Zerstörung durch die Shoah hinzuweisen, sondern auch auf das, was wieder aufgebaut worden sei.
Solidarität mit jüdischen Studierenden
Die Präsidentin der Wissenschaftsministerkonferenz, Bettina Martin, sicherte unlängst bei einem Treffen der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) ihre Solidarität und Unterstützung zu. „Jüdinnen und Juden müssen an deutschen Hochschulen diskriminierungsfrei, sicher und ohne Angst studieren und arbeiten können“, sagte Martin.
Gemeinsam mit dem Antisemitismusbeauftragten Nikolaus Voss sprach Martin am vergangenen Freitag mit Vertreterinnen und Vertretern der JSUD über die Situation jüdischer Studierender an deutschen Hochschulen. Martin unterstrich die Notwendigkeit entschlossenen Handelns gegen Antisemitismus und verwies auf den Aktionsplan der Kultusministerkonferenz. (dpa, mit Kix)
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