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Eine männliche Zauneidechse im Bahnschotter in Brandenburg.

© Alina Janssen, Museum für Naturkunde

Tiere im Gleis: Bahnstrecken sind für Eidechsen das Paradies

Zauneidechsen gibt es immer weniger. Sie erschließen sich aber auch neue Lebensräume: Entlang von Gleisen fühlen sie sich besonders wohl, zeigt eine Studie an einer Brandenburger Zugstrecke.

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Verstecke, sonnige Plätze und genügend Krabbeltiere als Nahrung – eine geschotterte Bahnstrecke bietet Zauneidechsen ideale Lebensbedingungen. Das berichten Wissenschaftler vom Berliner Museum für Naturkunde, die ins Brandenburger Umland nach Neißemünde gefahren sind, um die flinken Tiere dort mit kleinen Funksendern auszustatten.

Keine einfache Aufgabe für die Forscherin Alina Janssen: „Die Sender dürfen zum Beispiel nicht über die Zauneidechse hinausragen, da sich die Tiere dann leicht damit in der dichten Vegetation verfangen.“ Letztlich brachte sie an knapp 80 ausgewachsene Echsen mit medizinischem Klebeband winzige elektronische Geräte an. Diese wogen nur 300 Milligramm und fielen nach zwei bis drei Wochen von selbst ab. Über alle Jahreszeiten in den Jahren 2020 und 2021 hinweg beobachteten sie und ihre Kollegen das Treiben der Reptilien.

Die Bewegungsdaten, die sie nun im Fachjournal „Salamandra“ vorstellten, hielten eine Überraschung bereit. Im Vergleich zu Studien an Sandgruben, Halbtrockenrasen, Öd-, Heide- oder extensivem Agrarland bewegten sich die Tiere am Gleis viel weniger. „Manche Eidechsen bewegten sich wirklich nur wenige Meter entlang des Bahndamms“, wird Mark-Oliver Rödel, Reptilienexperte am Naturkundemuseum, in einer Mitteilung zitiert.

Das ganze Jahr stünde den Tieren am Gleis alles zur Verfügung, was sie zum Leben brauchen, folgert das Team. Das sei gut für die Echsen: Wer weniger weit wandern muss, spart Energie und muss keine Angst haben, bei den Trips gefressen zu werden.

Bahn will Echsen schonen

Diese Erkenntnis ist wichtig für die Deutsche Bahn (DB), die die Tiere bei Bauarbeiten regelmäßig einfängt und umsiedelt. Der Konzern finanzierte die Studie auch.

Die Echsen bewegten sich durchschnittlich nur innerhalb einer Fläche von knapp 70 Quadratmetern, in anderen Studien werden Gebiete von hunderten oder gar tausenden Quadratmetern beschrieben. Die Echsenfänger der DB müssen nun also ihre Fallen engmaschiger aufstellen, um alle Tiere zu erwischen.

Im Sommer liebten die Zauneidechsen zudem den warmen Schotter und nutzten ihn nachts als Schlafplatz. Die Forscher raten deshalb, dass die Bahn in den Sommernächten besser nicht mit schwerem Gerät für Gleisarbeiten anrückt. Die Gefahr sei groß, dass die Tiere dabei zu Schaden kommen oder getötet werden.

An Bahnstrecken kommt es häufig zu Störungen – nicht nur wie im untersuchten Areal, wo stündlich Züge durchrauschen. Wenn Signaltechnik installiert oder das Gleisbett ausgebessert, die Böschung gemäht oder Bäume auf den Dämmen beschnitten werden, dürften die Tiere einigem Stress ausgesetzt sein.

Eigentlich sind solche „linearen Infrastrukturen“ wie Straßen und Gleise nicht gut für die Natur, erklären die Forschenden: Sie zerschneiden Landschaften und trennen so Wildtierpopulationen voneinander. Die Echsen aber scheinen sich mit den Schotterstrecken geeignete neue Lebensräume erschlossen zu haben. Sie raten sogar, ähnliche Steinhaufen auch umgesiedelten Tieren anzubieten.

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