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Bis vor kurzem schlummerte der Schadstoff auch in Kassenbons.

© Kitty Kleist-Heinrich

Umweltgift: Früherer Tod durch Bisphenol A

US-Forscher sehen erhöhte Sterblichkeit bei Menschen, die höhere Konzentration der Chemikalie im Blut haben.

Die Umweltchemikalie Bisphenol A (BPA) erhöht einer Studie zufolge die Sterblichkeit. Menschen, bei denen höhere BPA-Werte gemessen worden waren, hatten ein höheres Risiko dafür, vorzeitig zu sterben, als Menschen mit niedrigeren BPA-Werten, berichten US-Forscher im Fachmagazin „JAMA Network Open“. 

Die zugrundeliegenden Mechanismen seien noch nicht bekannt. Denkbar sei, dass die Chemikalie Entzündungsprozesse hervorruft oder die Steuerung der genetischen Aktivität beeinflusst.

Stoff in vielen Alltagsprodukten enthalten

Bisphenol steckt in zahlreichen Alltagsprodukten vor allem aus bestimmten Kunststoffen oder Epoxidharzen – in Plastikflaschen, Konservendosen, Thermopapier, CDs, Bodenbelägen oder auch medizinischen Materialien wie Zahnfüllungen. Spuren der Substanz sind auch im menschlichen Körper nachweisbar – in den USA etwa bei 90 Prozent der Bevölkerung, wie die Forscher um Wei Bao von der University of Iowa schreiben.

Seit 2018 ist BPA in der EU als „besonders besorgniserregender Stoff“ in der Chemikalienverordnung „Reach“ gelistet. Bereits seit 2011 darf die Substanz nicht mehr zur Herstellung von Baby-Trinkflaschen eingesetzt werden. Seit Januar dieses Jahres gilt ein Verbot von BPA in Thermopapier, etwa in Kassenbons. 

Auch in Trinkflaschen aus Kunststoff kann der Stoff enthalten sein.
Auch in Trinkflaschen aus Kunststoff kann der Stoff enthalten sein.

© Kitty Kleist-Heinrich

BPA zählt zu den Stoffen mit hormonähnlicher Wirkung – greift also in das Hormonsystem von Menschen und Tieren ein – und kann etwa die Sexualfunktion und Fruchtbarkeit bei Männern und Frauen beeinträchtigen. Studien weisen auch auf eine Verbindung mit der Entstehung von Fettleibigkeit, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin.

Daten aus einer US-Bevölkerungsstudie analysiert

Langzeitstudien zu den gesundheitlichen Auswirkungen seien aber rar und die Frage, inwieweit Bisphenol A die Sterblichkeit beeinflusst, ebenfalls unklar, schreiben die Forscher. Sie analysierten nun Daten von insgesamt 3883 Teilnehmern einer US-Bevölkerungsstudie, in denen verschiedenen Aspekte zu Gesundheit und Ernährung über längere Zeit untersucht wurden. 

Die Teilnehmer beantworteten unter anderem Fragen zu ihrem Verhalten und gaben Urinproben ab, in der die Forscher den BPA-Gehalt maßen. Die Wissenschaftler verfolgten das Schicksal der Teilnehmer im Schnitt zehn Jahre lang. Schließlich verknüpften sie die Daten der Teilnehmer mit der nationalen Sterbefall-Datenbank, in der auch die Todesursachen erfasst sind.

Statistisch signifikantes Ergebnis

Im Beobachtungszeitraum verstarben 344 Teilnehmer, darunter 71 an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung und 75 an Krebs. Probanden, bei denen eine höhere BPA-Belastung (über 5,7 Nanogramm pro Milliliter) gemessen worden war, hatten der Auswertung zufolge ein 1,5 Mal höheres Risiko, vorzeitig an Krankheiten aller Ursachen zu sterben, als die der am niedrigsten belasteten Gruppe (0,7 Nanogramm pro Milliliter). Der Unterschied war statistisch bedeutsam. 

Ebenfalls erhöht war das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, allerdings war dieser Zusammenhang nicht statistisch signifikant. Für Krebserkrankungen fanden die Forscher keinen Zusammenhang. 

[Der Streit um die in vielen Alltagsprodukten enthaltene Chemikalie geht bereits in die Jahre. Hintergründe lesen Sie hier]

Andere mögliche Einflussfaktoren wie die ethnische Zugehörigkeit, Alter, Geschlecht, verschiedene Ernährungs- und Lebensstilfaktoren und Körpergewicht hatten die Forscher bei der Analyse herausgerechnet.

«Der mögliche Mechanismus, der dem mit BPA assoziierten erhöhten Sterberisiko zugrunde liegt, muss noch erforscht werden», schreiben die Wissenschaftler. Denkbar sei, dass die Substanz den Kalziumstoffwechsel im Herz beeinflusse, Ionenkanäle hemme oder aktiviere, oxidativen Stress und Entzündungen hervorrufe oder die genetische Aktivität verändere.

Ein Schwachpunkt der Studie sei, dass der BPA-Wert nur in einzelnen Urinproben der Teilnehmer gemessen worden sei. 24-Stunden-Messungen seien in Studien mit vielen Teilnehmern schlicht zu aufwendig. Es sei zudem denkbar, dass es weitere, unbekannte Einflussfaktoren gebe, die die Forscher in ihrer statistischen Auswertung nicht berücksichtigt haben und die die Zusammenhänge erklären könnten.

Vielfältige toxische Wirkungen

Obwohl die BPA-Exposition in den USA zurückgegangen sei, sei die Chemikalie auch 2013/14 noch in fast 96 Prozent der Urinproben der Studienteilnehmer nachgewiesen worden. Aufgrund der vielfältigen toxischen Wirkungen sei es dringend geboten, die Exposition zu senken. Die Forscher raten allerdings zu Vorsicht bei den derzeit zunehmend eingesetzten Alternativen wie Bisphenol F oder Bisphenol S.

Die gesundheitlichen Wirkungen dieser Substanzen seien weitgehend unerforscht. Einige vorläufige Studienergebnisse deuteten darauf hin, dass auch sie gesundheitsschädlich sind.  (dpa)

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