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In Nizza treffen sich Vertreter von rund 130 Staaten zum weltweit wichtigsten Gipfel für Meeresschutz.

© Joseph Barrientos

UN-Ozeankonferenz in Nizza: Wie entscheidend ist der Meeresschutz für die Zukunft der Menschheit?

In Nizza treffen sich Vertreter von rund 130 Staaten zum weltweit wichtigsten Gipfel für Meeresschutz. Warum sie dabei keine Zeit verlieren sollten, sagen drei renommierte Experten.

Von
  • Angelika Brandt
  • Hans Otto Pörtner
  • Katja Matthes

Stand:

Zurückhaltung ist Emmanuel Macron eher wesensfremd, und so hat Frankreichs Präsident für Nizza auch das ganz große Ziel ausgegeben: Die UN-Ozeankonferenz, die dort vom 9. bis 13. Juni stattfindet, soll für die Weltmeere ähnlich bedeutend werden wie die Pariser Klimakonferenz 2015 für den Kampf gegen den Klimawandel.

Derzeit stehen nur etwa acht Prozent der Weltmeere unter Schutz, Paris würde gerne in Nizza die Schwelle von zehn Prozent überschreiten.

Notwendig wäre es, denn den Meeren geht es schlecht, aus vielen Gründen. Sorgen macht Wissenschaftlern und Umweltschützern jetzt zusätzlich, dass Unternehmen und manche Staaten das Schürfen nach Rohstoffen auf dem Meeresgrund vorbereiten oder planen.

Bislang unterstützen jedoch nur etwa 30 Länder ein Moratorium für Tiefseebergbau, darunter Deutschland. US-Präsident Donald Trump dagegen hat Ende April ein Dekret zum Tiefseebergbau in internationalen Gewässern unterzeichnet. Unter ihm schicken die USA nun auch zum ersten Mal keine Delegation zum wichtigsten internationalen Gipfel für den Meeresschutz.

Warum es umso wichtiger ist, dass die Delegierten aus rund 130 anderen Staaten sich kraftvoll für eine bessere Zukunft der Weltmeere einsetzt, und was das mit der Zukunft der Menschheit zu tun hat, sagen hier drei international renommierte Wissenschaftler in unserer Rubrik „3 auf 1“. Alle bislang erschienenen Folgen finden Sie hier.


Ozean-Schutz ist kein isoliertes Umweltthema

Die Zukunft der Ozeane ist untrennbar mit der Zukunft der Menschheit verbunden.

Als größter Lebensraum der Erde regulieren die Weltmeere das Klima, produzieren Sauerstoff, binden CO₂ und stellen eine zentrale Quelle für Nahrung, Energie und Rohstoffe dar. Fischerei und Aquakultur sichern die weltweite Ernährung. Zugleich liefern Ozeane wichtige Rohstoffe wie Sand und Kies, wir nutzen sie zur Energiegewinnung.

Unsere Meere beherbergen eine enorme biologische Vielfalt – über 90 Prozent davon sind bislang unerforscht, und ihre komplexen Wechselwirkungen beginnen wir erst allmählich zu verstehen. Überfischung, Verschmutzung, Erderwärmung und Versauerung aber setzen die marinen Ökosysteme zunehmend unter Druck. Hinzu kommen weitere menschengemachte Einflüsse wie Tiefseebergbau, Rohstoffabbau, Tourismus und Wassersport.

Wir erforschen diese Veränderungen, um fundiertes Wissen für nachhaltige Entscheidungen bereitzustellen. Nur wenn wir die Funktionsweise und Verletzlichkeit der Ozeane verstehen, können wir ihre Leistungen für kommende Generationen sichern.

Der Schutz der Ozeane ist kein isoliertes Umweltthema – er ist die Grundlage für globale Gesundheit, Ernährungssicherheit und Klimastabilität.


Der Ozean wirkt dem menschengemachten Klimawandel entgegen

Der Ozean speist als größtes lebenserhaltendes System den globalen Wasserkreislauf, ermöglicht durch Niederschläge Leben an Land und bestimmt durch Umverteilung den Wärmehaushalt der Erde; ohne ihn gäbe es kein Leben und keine menschliche Zivilisation.

Dem menschengemachten Klimawandel wirkt der Ozean entgegen; er nimmt mehr als 90 Prozent der zusätzlichen Wärme auf und puffert Temperaturspitzen ab. Auch nimmt er ein Viertel aller CO₂-Emissionen auf und speichert langfristig das überschüssige CO₂. Der Ozean beherbergt hohe Biodiversität, liefert Protein für circa drei Milliarden Menschen, und dient der Inspiration und Erholung.

Kehrseite ist, dass er durch Übernutzung (Überfischung), Verschmutzung (Plastik) und den Klimawandel unter großem Druck steht. Wirkungen reichen vom Rückzug der Korallenriffe und Schwinden der Fischbestände über die Auswirkungen der Ozeanversauerung und des Meeresspiegelanstieges bis zu intensiveren Stürmen und Niederschlägen.

Lebensraumverlust ist die Folge, auch für den Menschen. Ozeanschutz heißt Arten- und Menschenschutz; konsequent und mit sozialem Ausgleich erfolgt dies durch die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft.


Keine Meeresnutzung ohne Meeresschutz

Ohne den Ozean sähe die Welt längst anders aus. Bislang hat er uns vor den schlimmsten Folgen des Klimawandels bewahrt: Die Meere binden über ein Viertel des vom Menschen verursachten CO₂ und nehmen einen Großteil der überschüssigen Wärme auf. Doch sie sind unter massivem Druck.

Die Meere werden immer wärmer, verlieren Sauerstoff, die Versauerung schreitet voran. Ganze Ökosysteme geraten aus dem Gleichgewicht – mit Folgen für das Leben unter Wasser und für uns Menschen.

Mit der Ozeankonferenz in Nizza hat die von den Vereinten Nationen ausgerufenen Ozeandekade Halbzeit. Jetzt muss sich zeigen, ob die internationale Gemeinschaft in der Lage und willens ist, die Meere zu schützen.

Schutz und Nutzung gehören zusammen. Nachhaltige Nutzung ist nur möglich, wenn wir die Meere konsequent schützen. Deshalb brauchen wir die Ausweitung von Meeresschutzgebieten, den Verzicht auf risikoreichen Tiefseebergbau und eine verantwortungsvolle Erforschung von CO₂-Speicheroptionen im Meer.

Ich hoffe sehr, dass die Staats- und Regierungschefs in Nizza die Stimmen aus der Forschung hören – und handeln. Denn ohne gesunde Meere gibt es keine gesunde Zukunft.

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