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Unterschiedliche Lernentwicklung von Kindern: Jungs schneiden in Mathe schon nach vier Monaten Schule besser ab als Mädchen
Sind Jungs in Mathe besser als Mädchen? Anfangs nicht, doch einer Untersuchung unter drei Millionen Schülerinnen und Schülern zufolge entwickelt sich schon kurz nach dem Schulstart ein auffälliger Unterschied. Aber warum?
Stand:
Dass Frauen zu mathematischen Höchstleistungen genauso fähig sind wie Männer, sollte eigentlich eine Binse sein. Allein schon die Leistungen der deutschen Mathematikerin Emmy Noether und der ersten Mathematikprofessorin Europas, Sofja Kowalewskaja, sind dafür Beleg genug.
Dennoch wird in Schulen immer wieder ein Leistungsgefälle zwischen Mädchen und Jungs in Mathe festgestellt. Die Folge: Zu wenige Studentinnen und Berufsanfängerinnen wählen naturwissenschaftlich-mathematische und technische Disziplinen.
Nun zeigt eine Analyse von fast drei Millionen Schülerinnen und Schülern der ersten und zweiten Klassen in Frankreich, dass sich schon nach vier Monaten Schulzeit ein geschlechtsspezifisches Leistungsgefälle in Mathematik einstellt – zugunsten der Jungs.
Mathekünste von 2,6 Millionen Kindern untersucht
Ein Forschungsteam um die Neuroanthropologin Pauline Martinot von der Universität Paris Cité analysierte dafür Daten aus einem französischen Evaluierungsprogramm.
Über 2,6 Millionen fünf- bis siebenjährige Kinder der ersten und zweiten Klassen hatten daran zwischen 2018 und 2022 zu Schulbeginn, nach vier Monaten und zu Beginn des zweiten Schuljahres teilgenommen.
Im Fachblatt „Nature“ schreiben die Forschenden, dass es zu Schulbeginn „praktisch keinen Unterschied in den durchschnittlichen Mathematikleistungen zwischen männlichen und weiblichen Schülern“ gibt. Allerdings sei schon nach vier Monaten ein deutlicher Unterschied zwischen den Leistungen der beiden Geschlechter festzustellen: Die Jungs schnitten besser ab.
Bis zum Beginn der zweiten Klasse vervierfachte sich die Leistungslücke sogar – und zwar unabhängig vom Ort in Frankreich, unabhängig vom sozioökonomischen Status, der Art der Mathe-Tests und der Schulform (privat oder öffentlich).
Aber was läuft da schief? Was passiert schon in den ersten vier Monaten Schule und verstärkt sich dann in den Folgejahren? Seit Langem wird die Ursache in der generationenübergreifenden Sozialisation der Heranwachsenden vermutet.
Eltern, Lehrende und gesellschaftliche Normen wiederholen das geschlechtsspezifische Vorurteil von mathematisch vermeintlich begabterer Jungs und Mädchen mit geschlechtsbedingt weniger Mathe-Talent. Mädchen werde daher häufiger Angst oder unangemessener Respekt vor Mathematik vermittelt als Jungs.
Aussagen darüber, wie die Situation oder der Unterricht in den Schulen dazu beitragen, lässt die Studie von Martinots Team jedoch nicht zu, betonen die Forschenden. Dazu bräuchte es genauere und häufigere Untersuchungen, nicht nur an drei Zeitpunkten in der Lernentwicklung der Kinder.
Dennoch appellieren die Forschenden schon jetzt an die Politik, die Kluft im Matheunterricht so früh wie möglich anzugehen, möglichst schon im Kindergarten.
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