zum Hauptinhalt
So könnte er aussehen. Künstlerische Darstellung des Planet 9. Den Berechnungen zufolge hat er etwa die zehnfache Masse der Erde.

© Abb.: Caltech/R. Hurt (IPAC)

Update

Sonnensystem: US-Forscher wollen Hinweise auf neunten Planeten entdeckt haben

In den Außenbezirken des Sonnensystems könnte es einen weiteren Planeten geben, behaupten US-Forscher. Gesehen wurde er aber noch nicht.

Die Familie der Planeten ist vielleicht doch größer als derzeit in den Lehrbüchern geschrieben steht. Nachdem Pluto 2006 zum „Zwergplaneten“ degradiert wurde, sind es nur noch acht. Weit draußen in den Außenbezirken des Sonnensystems könnte aber noch ein weiterer kreisen, behaupten Konstantin Batygin und Mike Brown vom California Institute of Technology (Caltech). Mit einer Masse, die rund zehnmal so groß ist wie die der Erde, wäre der große Unbekannte allemal ein vollwertiger Planet, meinen die Forscher und bezeichnen ihn daher als „Planet 9“.

Das Jahr von Planet 9 ist vermutlich bis zu 20000 Erdjahre lang

Gesehen haben sie ihn freilich noch nicht. Sie berufen sich auf Beobachtungen anderer Himmelskörper im Kuiper-Gürtel, der sich jenseits der Umlaufbahn Neptuns befindet. Einige dieser mutmaßlich eisigen Brocken beschreiben außergewöhnlich geformte Bahnen. Nicht nur das, sechs von ihnen haben stark elliptische Umlaufbahnen, wobei das „spitze“ Ende bei allen in nahezu dieselbe Richtung weist. Schief, und zwar wiederum um den ähnlichen Betrag gekippt, sind die Bahnen obendrein. Mit Zufall, sind sich Batygin und Brown sicher, lasse sich das kaum erklären (oder zumindest nur mit 0,007-prozentiger Wahrscheinlichkeit). Wohl aber mit einem zusätzlichen Planeten.

Nachdem die Forscher einen solchen in eine Simulation des Sonnensystems eingefügt hatten, passten die seltsamen Bahnen der Objekte des äußeren Kuipergürtels hervorragend zusammen, schreiben sie im „Astronomical Journal“. Demnach ist das Schwerefeld von Planet Nummer 9 die bislang unbekannte Kraft im äußeren Sonnensystem. Seine Bahn läge weit draußen. Den Simulationen zufolge kommt er der Sonne höchstens 30 Milliarden Kilometer (der 200-fache Abstand zwischen Sonne und Erde) nahe. Der sonnenfernste Punkt könnte bis zu 180 Milliarden Kilometer weit weg sein (die 1200-fache Distanz zwischen uns und der Sonne). Dementsprechend lange benötigt er für einen Umlauf. Batygin und Brown schätzen, dass es 10.000 bis 20.000 Jahre dauert, um einmal die Sonne zu umkreisen.

Verrückte Suche nach unentdeckten Planeten

Neu ist der Gedanke von einem unentdeckten Planeten in einer fernen Ecke des Sonnensystems nicht, die Astronomie ist voll von solchen Geschichten. Der berühmteste Fall ist wohl „Planet X“, der irgendwo hinter Neptun kreisen sollte. Der Textilfabrikantenerbe Percival Lowell suchte ihn seit 1905 jahrelang mithilfe eines eigens errichteten Observatoriums nahe Flagstaff (Arizona). Ohne Erfolg. Erst 1930, da war Lowell lange tot, entdeckt Clyde Tombaugh jenen Planet X. „Pluto“, wie er bald heißt, war allerdings zu klein, um die von Lowell verfolgten Auffälligkeiten in den Bahnen von Uranus und Neptun zu erklären. Wie sich herausstellte, waren die Bahnen gar nicht so ungewöhnlich, es handelte sich um Messfehler.

Auch später beobachteten Astronomen immer wieder seltsame Bahnen von Himmelskörpern, die sie dazu verführten über unentdeckte Planeten zu spekulieren. Gefunden wurden keine. Doch das Bild von den Vororten des Sonnensystems änderte sich in den vergangenen Jahren. Lange dachten die Himmelsforscher, dass hinter dem Kuipergürtel (der sich etwa auf die doppelte Entfernung der Neptunbahn erstreckt) nichts mehr käme. Dann entdeckte jener Brown, der jetzt mit Planet 9 Furore macht, den Brocken „Sedna“ im angeblichen Niemandsland. Wie er dahin kam, konnte keiner erklären. 2014 berichtete Chadwick Trujillo, der schon bei der Sedna-Entdeckung beteiligt war, von einem weiteren Körper jenseits des Kuipergürtels namens 2012VP113. Es muss noch einen weiteren großen Planeten da draußen geben, schlussfolgerte er. Batygin und Brown schauten sich die Sache genauer an, eigentlich um zu zeigen, wie verrückt die Idee war.

„Je weiter wir der Sache nachgingen, umso mehr waren wir überzeugt“

Doch je weiter sie sich damit befassten, umso überzeugter wurden sie, berichten die beiden Caltech-Forscher in einer Mitteilung des Instituts. So kamen sie schließlich auf Planet 9 und seine postulierten Eigenschaften, die zumindest im Computermodell die großen Rätsel des äußeren Kuipergürtels lösen können. Selbst auf die offenkundige Frage, wie ein großer Planet in diese sonnenferne Gegend komme, haben sie eine Antwort: Es sei denkbar, dass er wie Gasplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun begann: Mit einem festen Kern, der alles Gas in der Nähe an sich heranzog. Kollisionen und Eruptionen formten die Planeten und brachten sie an ihre heutige Position. Auch Planet Nummer 9 könnte das widerfahren sein, wäre er Jupiter oder Saturn zu nahe gekommen, könnte er in einen fernen, exzentrischen Orbvit geschleudert worden sein, erläutert Brown.

Die Nachricht wird von Forscherkollegen sehr unterschiedlich aufgenommen. Alessandro Morbidelli vom Observatoire de la Cote d'Azur in Nizza, der die Publikation vor der Veröffentlichung geprüft hatte, sagte dem Fachmagazin „Nature“, er sei „ziemlich überzeugt“, dass der Planet existiere. Harold Levison vom Southwest Research Institute in Boulder (Colorado) hingegen sagte dem Magazin, er habe während seiner Laufbahn zahlreiche solcher Behauptungen erlebt. „Alle erwiesen sich als falsch.“

"Wenn es einen Planet X da draußen gibt, werden wir ihn finden"

Jim Green, Direktor für Planetenforschung bei der Nasa, zeigt sich in einem Videostatement ebenfalls zurückhaltend. Er finde die Veröffentlichung „aufregend“ und sei überzeugt, dass sie eine wissenschaftliche Diskussion anstoße. Nötig sei diese aber unbedingt, denn „was wir bis jetzt haben, ist nicht die Entdeckung eines neuen Planeten, sondern lediglich eine Vorhersage, die auf Modellierungen beruht“. Auch in diesem Fall gelte, dass neue Erkenntnisse von weiteren Forschern bestätigt und alternative Erklärungen in Betracht gezogen werden müssen. „Wenn es einen Planet X da draußen gibt“, schließt Green pathetisch, „werden wir ihn finden – oder eine andere Erklärung für die Daten, die wir haben.“

Sollten sich die Hinweise verdichten und es tatsächlich einen ernstzunehmenden Planeten jenseits der Neptunbahn geben, dürfte es dennoch schwierig sein, ihn zu erspähen – weil er so weit draußen kreist und nur wenig Licht bis zur Erde schickt (vermutlich „leuchtet“ er bis zu 10.000-mal schwächer als Pluto). Batygin und Brown haben es seit einem Jahr mit einem Teleskop auf Hawaii versucht, bisher ohne Erfolg. Das Problem besteht darin, dass der genaue Verlauf der Planetenbahn unklar ist. Wo also sollen Astronomen suchen? Die beiden Caltech-Forscher sind sich dennoch sicher, dass viele Teleskope prinzipiell geeignet sind, um die Nummer 9 aufzuspüren.

„Ich würde den Planeten liebend gern selbst entdecken“, sagt Brown. Es wäre ihm aber ebenso recht, wenn das jemand anderem gelingt. „Deshalb veröffentlichen wir unsere Studie, wir hoffen, dass andere davon inspiriert werden und anfangen, danach zu suchen.“ Nicht nur Brown und Batygin hoffen auf einen Erfolg. Auch Morbidelli käme das sehr gelegen. In der „New York Times“ kündigte er an, sogar darauf zu wetten, das da draußen wirklich etwas ist. 10.000 Dollar würde er setzen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false