zum Hauptinhalt
Das Abschmelzen des grönländischen Eisschilds, das Absterben von Korallenriffen oder eine Abschwächung der atlantischen Ozeanzirkulation sind Beispiele für ein Kippen von Elementen des Klimasystems.

© / dpa/Donald Slater

Vier Klimakippelemente geraten ins Wanken : Droht jetzt eine Kettenreaktion?

Eine neue Studie zeigt: Grönlands Eisschild, die Atlantikströmung, der Amazonas-Regenwald und das Monsunsystem in Südamerika sind in Gefahr. Forschende warnen vor abrupten und unumkehrbaren Veränderungen – doch es gibt auch Hoffnung.

Stand:

Vier zentrale Bestandteile des Erdsystems rücken gefährlich nahe an einen Punkt, an dem sie irreversibel in einen anderen Zustand kippen können. Das geht aus einer neuen Studie hervor, an der das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) beteiligt ist. Betroffen sind der grönländische Eisschild, die Atlantische Meridionale Umwälzströmung (AMOC), der Amazonas-Regenwald und das südamerikanische Monsunsystem. Alle vier gelten als sogenannte Kipppunkte des Klimas, deren Überschreiten abrupte und möglicherweise irreversible Folgen hätte.

„Wir haben jetzt überzeugende beobachtungsbasierte Belege dafür, dass mehrere miteinander verbundene Teile des Erdsystems sich destabilisieren“, sagt Niklas Boers, Leitautor der Studie und Forscher am PIK sowie an der Technischen Universität München. „Das bedeutet, dass diese Systeme sich kritischen Schwellenwerten nähern könnten, deren Überschreiten abrupte und irreversible Veränderungen mit schwerwiegenden Folgen auslösen könnte.“

Kettenreaktionen befürchtet

Besonders besorgniserregend sei, dass die Systeme nicht isoliert wirken. Vielmehr sind sie über Ozeane und Atmosphäre eng miteinander verknüpft. Destabilisiert sich ein Element, kann dies Kettenreaktionen auslösen, die andere Systeme mitreißen.

Um diese Entwicklungen zu erfassen, wertete ein internationales Team langfristige Beobachtungsdaten aus und entwickelte eine neue mathematische Methode. Analysiert wurde, wie gut die jeweiligen Systeme nach Störungen zur Ausgangslage zurückkehren können. Diese „Resilienz“ gilt als Gradmesser für Stabilität – und nimmt nach den Berechnungen in allen vier Fällen ab.

Die Befunde zeigen: Während Klimamodelle die komplexen Wechselwirkungen bislang nur eingeschränkt abbilden, lassen sich die Veränderungen in der Realität bereits beobachten. So verliert der grönländische Eisschild durch Rückkopplungen immer schneller Masse.

Jedes Zehntel Grad zählt

Die Ozeanströmung AMOC wird durch Süßwassereintrag aus Schmelzwasser und Niederschlägen geschwächt, weil dadurch Salzgehalt und Dichte im Nordatlantik abnehmen – beides treibt die Strömung eigentlich an. In Südamerika schwächen Klimawandel und Abholzung den Amazonas-Regenwald. Parallel droht das Monsunsystem instabil zu werden, wenn der Feuchtigkeitskreislauf des Waldes zusammenbricht.

Mit jedem Zehntel Grad zusätzlicher Erwärmung steigt die Wahrscheinlichkeit, einen Kipppunkt zu überschreiten“, betont Boers. Das sei ein „starkes Argument für sofortige und entschlossene Reduktionen der Treibhausgasemissionen“.

Hoffnung trotz Alarmzeichen

Da die exakten Schwellenwerte weiterhin unbekannt bleiben, drängen die Forschenden auf ein globales Überwachungs- und Frühwarnsystem. Satellitendaten zu Vegetation und Eisschmelze, kombiniert mit langfristigen Messreihen und Methoden des maschinellen Lernens, könnten künftig in Echtzeit Hinweise auf kritische Entwicklungen liefern.

Trotz der alarmierenden Befunde gibt es Hoffnung: Durch konsequente Reduktion der Treibhausgasemissionen und die Etablierung eines globalen Frühwarnsystems könnten abrupte und irreversible Veränderungen vermieden werden. Die Forschung liefert damit nicht nur Warnsignale, sondern auch konkrete Werkzeuge, um die Stabilität des Erdsystems aktiv zu überwachen und zu schützen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })