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Meißen: Mit Kreide geschrieben steht "Covid19" auf einem Sarg mit einem Verstorbenen, der an oder mit dem Coronavirus gestorben ist.

© Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Von Anfang Dezember bis Ende Februar: Übersterblichkeit von 58 Prozent in Sachsen

Die Krankenkasse AOK Plus hat im ostdeutschen Freistaat einen deutlichen Anstieg der Todesrate festgestellt. Auch in Thüringen stiegen die Zahlen.

Die für die Bundesländer Sachsen und Thüringen zuständige AOK Plus hat im vergangenen Winter unter ihren Versicherten einen außerordentlichen Anstieg von Todesfällen registriert. In Sachsen, so teilte die Kasse gestern mit, seien von Anfang Dezember bis Ende Februar 58 Prozent mehr Menschen als im Vorjahreszeitraum gestorben, in Thüringen habe der Anstieg 38 Prozent betragen.

Die Krankenkassen erhalten bei Sterbefällen zwar keine Informationen über die jeweilige Todesursache. Dass die registrierte Steigerung aber maßgeblich auf die Corona-Pandemie zurückzuführen ist, dürfte unzweifelhaft sein.

Die Zahlen sind auch deshalb als weitgehend repräsentativ zu betrachten, weil die AOK Plus in Sachsen und Thüringen mehr als 3,2 Millionen Menschen versichert. Den höchsten Anstieg an Todesfällen registrierte die Kasse über den genannten Zeitraum im sächsischen Görlitz – mit 82 Prozent.

Es folgen die Landkreise Mittelsachsen (79 Prozent), Zwickau (73 Prozent) und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (71 Prozent). In Thüringen kam der Landkreis Hildburghausen mit 68 Prozent auf die größte Übersterblichkeit. Auf den weiteren Plätzen: Saalfeld-Rudolstadt (57 Prozent), Eichsfeld und Stadt Suhl (56 Prozent) sowie der Kreis Gotha (52 Prozent).

Die Kasse verbreitete die Zahlen gestern über den Kurznachrichtendienst Twitter. Man sehe die hohe Sterblichkeit in Sachsen und Thüringen mit „großer Sorge“, hieß es in dem AOK-Tweet. Und: „Wir (…) bitten euch inständig, weiterhin vorsichtig zu sein.“

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Mehr Tote und weniger Neugeborene in Deutschland

Insgesamt gab es im vergangenen Jahr in Deutschland mehr Tote und minimal weniger Neugeborene. Die Gründe für die jeweiligen Entwicklungen sind unterschiedlich.

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So starben im letzten Jahr etwa 986.000 Menschen, das sind 46.000 Todesfälle (5 Prozent) mehr als 2019. „Das ist ein merklicher Anstieg, der noch einmal deutlich höher gewesen wäre, wenn Corona nicht eingedämmt worden wäre“, sagte Mortalitätsexperte Sebastian Klüsener vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB). 2020 gab es demnach drei Phasen der Übersterblichkeit: zur ersten Corona-Welle im Frühjahr, während einer Hitzewelle im Sommer sowie zur zweiten Corona-Welle zum Jahresende.

Zudem habe es in den Phasen deutliche regionale Unterschiede gegeben. „Da wo die Pandemie stark um sich gegriffen hat, waren die Anstiege in der Sterblichkeit höher.“ So war Sachsen stärker betroffen als etwa Bremen oder Schleswig-Holstein, sagte der Experte. Zahlen, die sich auch in der AOK-Statistik wiederfinden.

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Klüsener sieht noch einen anderen Grund für Anstiege bei den Todesfallzahlen: „Die geburtenstarken Jahrgänge Ende der 1930er Jahre kommen nun zunehmend in ein Alter mit erhöhter Sterblichkeit.“ Und das Statistische Bundesamt wies zudem darauf hin, dass 2020 ein Schaltjahr war. Dieser zusätzliche Tag bedeute im Schnitt 3000 zusätzliche Tote.

Betrachtet man die Geburten des vergangenen Jahres, stellt man fest, dass 2020 etwas weniger Kinder auf die Welt gekommen sind. Die Zahl sank um rund 5000 auf 773.000 Babys, das entspricht einem Rückgang von 0,6 Prozent. Damit nimmt die Differenz zwischen Todesfällen und Geburten weiter zu: So starben im letzten Jahr 212.000 Menschen mehr als Kinder geboren wurden. 2019 lag dieses Geburtendefizit noch bei 161.000. Neu ist diese Entwicklung nicht: Dass es in Deutschland mehr Sterbefälle als Geburten gibt, ist ein langfristiger demografischer Trend, der seit 1972 anhält.

Erste Corona-Lockdown hat nicht zu deutlich mehr Babys geführt

Ein Baby klammert sich an den Finger seiner Mutter.
Ein Baby klammert sich an den Finger seiner Mutter.

© picture alliance/dpa/Fabian Strauch

„Das Geburtenniveau bleibt nahezu auf dem Level der Vorjahre“, sagt Martin Bujard, Experte für Geburtenentwicklung am BiB. Und: „Wir haben immer noch über 100.000 mehr Neugeborene als im Jahr 2011. Damals war mit lediglich 663.000 Geburten einen Tiefpunkt erreicht worden.“ Deutschland liege im europäischen Mittelfeld, „nachdem wir viele Jahre bei den Geburten sehr weit hinten waren“.

Aber wie wirkt sich die Pandemie aus? „Corona kann die konkrete Kinderfrage schon massiv beeinflussen, dies kann aber individuell in unterschiedliche Richtungen gehen“, sagt Bujard. So könnten einerseits Sorgen oder Existenzängste dazu führen, dass ein Kinderwunsch verschoben werde. Andererseits könne gerade in der Corona-Zeit die Familie an Bedeutung gewinnen und der Kinderwunsch konkret werden.

Aus den Daten für das letzte Jahr lässt sich noch nicht viel ableiten, doch der Blick auf die Geburtenzahlen zwischen Dezember 2020 bis Februar 2021 zeigt: Der erste Corona-Lockdown 2020 hat nicht dazu geführt, dass deutlich mehr Babys gezeugt wurden. Die Kontaktbeschränkungen hätten sich „nicht spürbar“ auf die Geburtenzahl ausgewirkt, hieß es unlängst beim Bundesamt. (mit dpa)

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