
© DAI, Orient-Abteilung, A. Hausleiter
Von der Bronzezeit zum Ersten Weltkrieg: Sie suchten Keramik und fanden Militärrelikte der Deutschen in Saudi-Arabien
Im Norden Saudi-Arabiens wollen Berliner Archäologen das Dorfleben der Bronzezeit untersuchen. Dabei stoßen sie auf Relikte deutscher Soldaten, die einst gegen Lawrence von Arabien kämpften.
Stand:
Das Ziel war klar gesteckt: In der Nähe der Oase Tayma im Nordwesten Saudi-Arabiens wollte Arnulf Hausleiter das oft vernachlässigte Leben auf den Dörfern in der Bronzezeit untersuchen. Doch am Ende fand das Team um den Forscher vom Deutschen Archäologischen Institut auch weniger antike Relikte: Kleidungsreste, Schuhe, Patronenhülsen, Uniformknöpfe und sogar eine französische Champagnerflasche. Es stellte sich heraus, dass sie aus dem Ersten Weltkrieg stammten. Wie kann das sein?
Die Grabung fand in einem Siedlungshügel (Tell) names Saq 150 km südwestlich von Tayma statt, das schon im Alten Testament als Tema erwähnt wird. Dort kreuzen sich drei ausgetrocknete Flussbetten, sogenannte Wadis.
Ganz in der Nähe des Tells hatte man bei früheren Erkundungen bereits 180 Gräber aus der Bronzezeit gefunden – eine vielversprechende Gegend für Archäologen. Auch Hausleiters Team fand zu Beginn tatsächlich Keramikscherben aus der Bronzezeit.
Patronenhülsen von 1911 gefunden
Das Projekt nahm „einen völlig anderen Verlauf“, erzählt Hausleiter dem Tagesspiegel. Denn weitere Funde führten plötzlich ins Deutschland des 20. Jahrhunderts. Die Forscher stießen auf Patronenhülsen, sie waren überall auf der Oberfläche des Hügels verteilt. Ihre Prägung zeigte, dass sie zwischen 1911 und 1917 in Karlsruhe, Spandau und Magdeburg produziert worden waren.
Uniformknöpfe mit der kaiserlichen Krone ließen keinen Zweifel aufkommen: Die Archäologen waren auf ein deutsches Militärlager aus dem Ersten Weltkrieg gestoßen. Denn auch Reste von Zeltpflöcken fanden sie. „Die Deutschen kommen hierher, um zu graben und was finden sie? Die Deutschen“, hätten die saudischen Kollegen das amüsiert kommentiert.

© DAI, Orient-Abteilung, D. Schäfer
Im weiteren Verlauf der Grabung tauchten Munitionsgürtel, Patronentaschen, drei Uniformen und ein grauer Feldmantel auf. Bei weiteren Uniformknöpfen fehlte die Dekoration. Die Auswirkungen des Kriegs auf die Wirtschaft sind hier sichtbar: Anfangs zierte noch die Kaiserkrone die Knöpfe, später ließ man sie weg – zu aufwändig.
Deutsche Expedition gegen die Briten
Das Zeltlager war anscheinend später in ein Gebäude aus Lehmziegeln geschwemmt worden, in dem sich vier osmanische Dienstsiegel und viele Schreibfedern fanden. „Wir vermuten, dass es hier einen osmanischen Verwaltungsposten gegeben hat, bei dem ein deutsches Militärkommando sein Zeltlager errichtet hatte“, sagt Hausleiter. „Aber warum haben die Soldaten ihre Uniformen weggeworfen? Es deutet alles auf einen plötzlichen Aufbruch“, sagt Hausleiter.
Der Hügel in der Nähe der antiken Stadt Dadan im Tal von Al-Ula, die es heute nicht mehr gibt, bot damals einen perfekten Beobachtungsposten für die weitere Umgebung. Die Palmen, die dort heute stehen, sind maximal 80 Jahre alt. Aus schriftlichen Quellen ist bekannt, dass sich deutsche Soldaten bis 1916 im heutigen Saudi-Arabien aufgehalten haben.

© Foto: DAI, Orient-Abteilung, D. Schäfer
Hausleiters Hypothese lautet, dass sich hier vermutlich Mitglieder der Stotzingen-Neufeldt-Expedition aufhielten, die den Auftrag hatte, die britischen Interessen in Ostafrika zu stören und die Einheimischen zum Heiligen Krieg gegen die Briten aufzustacheln.
Nahm Lawrence von Arabien sie gefangen?
Man weiß, dass diese Expedition mit der Hedschasbahn 1916 bis Al-Ula gekommen ist, um dann die Reise auf Dromedaren bis in den Jemen fortzusetzen. „Es deutet einiges darauf hin, dass Lawrence von Arabien diese Soldaten später weiter südlich gefangen genommen hat“, erzählt Hausleiter.
Ob mit der Entdeckung des Zeltlagers der archäologische Nachweis für die Anwesenheit der Stotzingen-Neufeldt-Expedition in Saudi-Arabien gelungen ist, müssen weitere Forschungen ergeben.
Nachweisen konnten die Archäolog:innen aber mittlerweile ihre ursprüngliche Vermutung, dass es am Tell Saq bronzezeitliche Keramik gegeben hat. Aber auch hier gab es Überraschungen: „Wir sind mit unserer Grabung bis auf die Sandablagerung vorgestoßen, die das Tal von Al-Ula füllte, aber die Spuren des bronzezeitlichen Dorfes haben wir nur in Ansätzen gefunden“, sagt Hausleiter.
Zudem sei es auch kein richtiger Tell, denn es ließen sich keine übereinander abgelagerten Siedlungsschichten nachweisen. Der Hügel sei eher auf natürliche Weise durch Anschwemmungen von Material am Wadi entstanden. Eigentlich kenne man in dieser Gegend auch keine Tell. Ein weiterer Erfolg: Das Team fand Reste von Getreideanbau und konnte damit einen Beweis dafür liefern, dass die dörflichen Bewohner der Oasen im dritten Jahrtausend vor Christus bereits Landwirtschaft betrieben.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- false