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Wilde Wölfe in Polen lassen sich von Vogelgesang kaum beunruhigen.

© Dries Kuijper

Wären sie furchtlos, wären sie tot: Vor diesem Wesen haben Wölfe Angst

„Wer hat Angst vorm bösen Wolf?“, fragen drei kleine Schweinchen im Disneyfilm. Umgekehrt zeigt sich, dass auch Wölfe Angst haben oder zumindest abhauen. Aber vor wem?

Patrick Eickemeier
Eine Kolumne von Patrick Eickemeier

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Schon klar, Rotkäppchen, den drei kleinen Schweinchen und auch den sieben Geißlein wäre viel Unheil erspart geblieben, hätten sie nur ein bisschen besser aufgepasst. Doch fast alle fallen auf den Märchenwolf herein, der nicht nur groß, böse und sehr hungrig, sondern auch noch listig daherkommt.

Die alten Geschichten stützen den märchenhaft schlechten Ruf der Art Canis lupus. Es werden aber auch neue hinzugefügt, mit direktem Märchen-Bezug: Dass der Wolf seine Scheu vor dem Menschen verliert, schon verloren hat oder gar nie hatte. Das drohe vor allem da, wo er gesetzlich geschützt ist. Stimmt das?

Die US-amerikanische Ökologin Liana Zanette und der polnische Wolfsexperte Dries Kuijper stellten wilde Wölfe auf die Probe. In der Tucheler Heide in Zentralpolen hängten sie dazu Kamerafallen auf.

Tappte ein Tier hinein, wurde nicht nur eine Videoaufnahme gestartet, sondern es wurden auch Tonaufnahmen abgespielt: von Vogelgesang, Hundegebell oder Menschen, die sich ruhig auf Polnisch unterhielten.

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Wie die beiden Forscher jetzt im Fachjournal „Current Biology“ berichten, verhielten sich Wölfe nicht anders als ihre bevorzugten Beutetiere Wildschwein und Hirsch. Erklangen die menschlichen Stimmen, rannten sie doppelt so häufig weg – und das auch doppelt so schnell – wie bei Vogelgesang oder Hundegebell.

Die Wölfe hätten ihre Aktivitäten aufgrund der Scheu vor tagaktiven Menschen in die Nacht verlegt, sagen die beiden Wissenschaftler. Der Mensch sei für sie ein Super-Prädator, ein Überraubtier.

Liana Zanette stellt eine Kamerafalle für Wölfe.

© Michael Clinchy

„Gesetzlicher Schutz ändert nichts an der Scheu der Wölfe vor Menschen, denn gesetzlicher Schutz bedeutet nicht, dass Wölfe nicht getötet werden“, sagte Zanette. In der Europäischen Union würden Wölfe viel häufiger getötet, legal und illegal, als sie natürlicherweise sterben. „Jeder furchtlose Wolf, der dem Menschen nicht aus dem Weg geht, wäre sehr bald ein toter Wolf“, so die Biologin.

Zanette und Kuijper schlagen vor, die Diskussion um die Tiere zu verlagern: von der Frage, ob sie ihre Scheu verloren haben, hin zu den Gründen, aus denen sie sie überwinden.

Für Wölfe sind Menschen eine tödliche Bedrohung. Gleichzeitig sind sie aber von Nahrung in großer Menge und von bester Qualität umgeben. In Wolfsgebieten sollten Menschen daher besser darüber aufgeklärt werden, wie sie sicher vor Wölfen Nahrungsmittel lagern, Abfälle entsorgen und Nutztiere schützen.

Das Problem sei nicht der böse Wolf, sondern wie wir ihn von unserer Nahrung fernhalten.

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