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Der Teddy auf dem OP. Mit einem Spielzimmer als OP lernen die kleinen Patienten, was sie im Neuen Kinderkrankenhaus von Helsinki erwartet.

© Rolf Brockschmidt

Was Kinder gesund macht: Das wohl ungewöhnlichste Krankenhaus der Welt steht in Helsinki

Für ihre neue, spezialisierte Kinderklinik gaben viele Finnen Geld. So entstand ein besonderer Ort. Mit großem Erfolg in der Behandlung.

Das glücklichste Volk der Erde, und das zum zweiten Mal in Folge: Die Finnen haben’s geschafft – zumindest wenn man dem „World Happiness Report“ (WHR) der Vereinten Nationen 2018 glauben darf. Eine Ehre, welche die Finnen selbst mit skeptischem Humor kommentieren: „Mich hat keiner gefragt“, heißt es da.

Doch der WHR ist weniger ein Indikator für das Glück des Einzelnen, sondern für das Wohlbefinden einer Nation. Bedeutende Kriterien sind Einkommen, Lebenserwartung, soziale Unterstützung, Freiheit, Vertrauen und Großzügigkeit.

Wer das verstehen will, besuche das jüngst eröffnete New Children’s Hospital in Helsinki oder kurz HUS, was für Helsinki University Hospital steht. Bereits der helle Bau mit seiner Fassade aus bunten Lamellen stimmt fröhlich. 14 Kunstwerke, darunter eine riesige Rose in einer goldenen Vase, wurden extra für das Krankenhaus entworfen.

Dessen Name steht übrigens nicht nur auf Finnisch und Schwedisch am Eingang, sondern auch auf Englisch; Helsinki hat eine internationale Gesellschaft.

Farbenspiel. Das im vergangenen Herbst eröffnete Kinderkrankenhaus in Helsinki, kurz HUS, erhielt den Finlandia-Preis für Architektur 2018.
Farbenspiel. Das im vergangenen Herbst eröffnete Kinderkrankenhaus in Helsinki, kurz HUS, erhielt den Finlandia-Preis für Architektur 2018.

© HUS/Matti Snellman

Im großzügigen Foyer wähnt man sich eher in einem Fünf-Sterne-Designer-Hotel als in einer Uniklinik. Auf einer großen Videowand schwimmen Fische durch eine farbige Unterwasserwelt – mal detailverliebt gemalt, mal mit wenigen Strichen gezeichnet, manche mit Buntstiften, andere mit Wasserfarben.

Diese Fische haben die in der Klinik behandelten Kinder geschaffen. Sie werden eingescannt und schwimmen dann für ein paar Tage durch das virtuelle Aquarium. Ein echtes gibt es im Wartebereich übrigens auch noch.

Rund eine Million Menschen spendeten Geld

Dass dieses Krankenhaus – im September 2018 eröffnet –, etwas mit den Ergebnissen des „Happiness Reports“ zu tun haben muss, wird auf Schritt und Tritt deutlich. In der Eingangshalle wählen die Kinder an einem Check-in-Terminal eine virtuelle Figur (Avatar) – zum Beispiel einen Bären oder einen Vogel – und drucken ihn aus.

Die jungen Patienten wissen, dass sie dem Tier folgen müssen, die Eltern merken sich eine Nummer. Nirgends wird der Name, sondern stets nur der Avatar und die Nummer aufgerufen – so ist Diskretion garantiert.

Schon das erste Kinderkrankenhaus Helsinkis war eine besondere Kraftanstrengung. Es wurde im Zweiten Weltkrieg gebaut und erst 1948 eröffnet. 70 Jahre später folgte nun das HUS. Wie alle finnischen Krankenhäuser ist es eine städtische Klinik. Doch der Neubau, in dem vor allem seltene und schwere Krankheiten behandelt werden, wurde zur nationalen Aufgabe erhoben.

Das erzählt der Direktor Jari Petäjä nicht ohne Stolz. Die Finanzierung gelang nicht zuletzt durch Crowdfunding. Von den 5,5 Millionen Finnen gaben rund eine Million Menschen Geld für diesen Prachtbau. Die Spanne reichte von kleinen Beträgen bis zu einer Million Euro. Auch in Fernsehshows wurde Geld gesammelt. Am Ende beteiligten sich die Finnen an den Baukosten von insgesamt 184,5 Millionen Euro mit 38,2 Millionen Euro. Solidarität und Gemeinschaftssinn machen eben glücklich. „Das Krankenhaus in seiner Summe ist das, was Finnland ausmacht“, meint Jari Petäjä.

Doch der Anspruch war nicht nur ein wunderbarer Bau – für den das Büro SARC Architects and Architect Group Reino Koivula mit dem Finlandia-Preis für Architektur 2018 ausgezeichnet wurde – sondern auch exzellente medizinische Versorgung. 800 Krankenpflegerinnen und -pfleger, 300 Ärztinnen und Ärzte sowie 200 spezialisierte Mitarbeitende kümmern sich um die rund 100 Notfallpatienten, die täglich das Krankenhaus aufsuchen. Im Schnitt werden 30 Operationen pro Tag durchgeführt. 300 Menschen werden täglich ambulant behandelt.

Die Erfolge können sich sehen lassen

„Wir bündeln die Behandlung seltener Krankheiten für ganz Finnland in unserer Klinik, die komplett auf das Wohl des Kindes konzentriert ist“, erklärt Direktor Jari Petäjä. Organtransplantationen, Herzoperationen und Krebstherapie gehören neben der Behandlung von Diabetes zu den Spezialgebieten der Klinik. 23 Prozent der kleinen Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation sind nicht einmal einen Monat alt, 28 Prozent sind jünger als ein Jahr.

Bei den Kindern, die sich einer Herz-OP unterziehen müssen, sind es sogar 70 Prozent. Die Erfolge können sich sehen lassen: 97 Prozent der an Leukämie erkrankten Kinder leben mit fünf Jahren noch. Bei Lebertransplantationen und nach Krebstherapien liegt die Rate bei 95 Prozent. „Entscheidend ist eine vernetzte Pflege“, sagt Petäjä.

Hell und freundlich. Eines der 140 Betten der Klinik. Dass die Eltern bei ihren Kindern wohnen können, ist selbstverständlich.
Hell und freundlich. Eines der 140 Betten der Klinik. Dass die Eltern bei ihren Kindern wohnen können, ist selbstverständlich.

© HUS/Matti Snellman

Bereits im Vorfeld hatten die Architekten Kinder und Eltern gefragt, was sie von einem neuen Krankenhaus erwarten; die Ergebnisse flossen in die Planung ein. Jede Etage hat ein Thema – vom Meeresboden mit seinem Aquarium im Erdgeschoss über den Wald bis hinauf ins Weltall. Über Böden und Wände tollen die Mumins – jene niedlichen Trolle aus der Feder von Tove Jansson, die in Finnland zum nationalen Kulturgut gehören.

Neben den Zeichnungen sind Zitate aus den „Mumin“-Büchern zu lesen. Große Spielbereiche laden Patienten und Geschwisterkinder ein. Jeder hat einen Spiel-OP und ein Spiel-Krankenzimmer, in dem die Mädchen und Jungen am Beispiel eines Teddys sehen können, was sie im Krankenhaus erwartet. Eltern haben selbstverständlich das Recht, bei ihren Kindern zu wohnen.

Digitale Lösungen und reale Vorbilder

Die kleinen Patientinnen und Patienten bekommen ein Tablet, auf dem all ihre Daten gespeichert sind. Kinder mit Diabetes sammeln ihre Broteinheiten mit Hilfe eines Computerspiels, das sie sich auf ihr Mobiltelefon laden und so die Messwerte an die Klinik übermitteln können.

Auch die Ärztinnen und Ärzte haben alle Daten auf dem Tablet jederzeit bei sich – und können sofort Alarm schlagen, wenn diese sich ungewöhnlich entwickeln. Mithilfe des kleinen tragbaren Computers können die Kinder aber auch Kontakt zu ihrer Schulklasse halten und aus der Ferne am Unterricht teilnehmen.

Zum Wohlbefinden der Patienten tragen im HUS auch sogenannte Soundduschen auf den Balkonen bei: spezielle Lautsprecher, unter denen man bei entspannenden Klängen gut abschalten kann. Teenagern steht ein Raum mit Billardtisch und Bühne für Bandauftritte zur Verfügung.

Die jungen Patienten der Tagesklinik bekommen alle wichtigen Informationen aus einem virtuellen „Gesundheitsdorf“. In dem individualisierten Spiel „Triumph Health“ lernen sie, mit ihrer Krankheit umzugehen. Gleichzeitig misst der Computer die psychologischen Folgen.

Bei allen digitalen Lösungen und Fortschritten kommt es aber immer auf die Teamarbeit zwischen Ärztinnen, Psychologen, Psychiaterinnen und Sozialarbeitern an. Empathie und Vorbilder sind wichtig. Eines dieser Vorbilder ist der junge Eishockeynationalspieler Kaapo Kakko, der auch an Diabetes erkrankt ist. Er wurde dennoch Weltmeister.

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