
© dpa/Monika Skolimowska
Wegen Kürzungen gegen das Land Berlin klagen?: Berlins Technische Universität tendiert nach langer Debatte zu drittem Weg
Die TU Berlin erwägt ein Mediationsverfahren gegen das Land. Den den Kürzungen angepassten Vertrag zu unterzeichnen, den die Wissenschaftssenatorin anbietet, hält die TU-Präsidentin für nicht vertretbar.
Stand:
Bis zu 67 Millionen Euro pro Jahr muss die Technische Universität Berlin bis 2028 wohl einsparen, weil Berlin unter Spardruck das Budget seiner Hochschulen stark beschnitten hat. Soll die TU versuchen, die einst versprochenen Zuschüsse vom Land einzuklagen? Die Debatte darüber hält an – und hat jetzt eine neue Wendung genommen. Auf Anregung des Kuratoriums könnte sich die Uni entscheiden, den Senat um ein Mediationsverfahren zu bitten.
Bis zum 22. August will die Senatsverwaltung für Wissenschaft von den Berliner Hochschulchefs wissen, wie sie zu der Frage der Klage stehen – beziehungsweise ob sie ihren Gremien empfehlen, die wegen der Kürzungen angepassten Verträge mit dem Land zu unterzeichnen. Nach Angaben von Präsidentin Geraldine Rauch ist die TU derzeit die einzige Hochschule, an der eine Klage weiterhin ernsthaft als Option im Gespräch ist.
Präsidium der TU ist sich nicht einig
Was ist unter dem enormen Spardruck, der die TU in wenigen Jahren deutlich verkleinern wird, die richtige Strategie gegenüber der Politik? Darüber ist nicht nur das wichtigste Gremium, der Akademische Senat (AS), gespalten, sondern das Präsidium selbst. Dies wurde auf einer Sondersitzung des AS mit dem Kuratorium an diesem Mittwochnachmittag deutlich.
Kanzler Lars Oeverdieck sowie zwei Vizepräsident:innen sprachen sich, wenn auch mit Verweisen auf langes „Hadern“ und viele Bedenken, gegen die Klage aus. Der Kanzler begründete dies unter anderem damit, die Senatsverwaltung würde der TU bei Bauprojekten entgegenkommen, sich etwa für einfachere und schnellere Vorbereitung einsetzen.
Präsidentin Geraldine Rauch dagegen plädierte vehement dafür, den Rechtsweg gegen das Land zu gehen. Rückhalt habe sie vom Vizepräsidenten Christian Schröder, dieser war bei der Sitzung nicht anwesend. Nicht zu klagen wäre „der schlimmste Fehler“, den sie an ihrer Amtszeit an der TU erleben würde.
Grünes Licht für eine Klage gab es
Der AS der TU und das Kuratorium hatten schon zuvor grünes Licht für eine Klage gegeben, sollten die Nachverhandlungen mit Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) für die kommenden Jahre für die TU nicht befriedigend ausgehen. Auch die Senate anderer Unis, etwa der Freien Universität, hatten vor der Sommerpause Bedingungen für eine Einigung mit dem Land formuliert und die Option, zu klagen, beibehalten.
Mit dem neuen Entwurf für den Pakt über Leistungen und Zuschüsse, die Czyborras Team und die Hochschulen Mitte Juli abgestimmt hatten, ist die Lage anders. Während die Senatorin sich zufrieden zeigte, schlimmere Sparszenarien abgewendet zu haben und auf Einigung mit den Unis hofft, zeigte sich in der TU-Sitzung niemand erleichtert.
Auf Bau-Zusagen hoffen oder in Konflikt gehen?
Präsidentin Rauch klang geradezu verzweifelt: „60 Millionen bis 2028 einsparen: Das schaffen wir nicht“, schloss sie ihr Plädoyer für die Klage. Und rechnete vor: Selbst wenn man 35 Professuren, deren Inhaber bis 2028 in Rente gehen, abbaue, spare man lediglich 17,5 Millionen Euro. Sich auf den neuen Deal mit dem Land einzulassen bedeute, „keine einzige Stelle“ mehr nachzubesetzen, außerdem drohe 2029 Zahlungsunfähigkeit.
Kanzler Oeverdieck wandte dagegen die Sorge ein, der Senat könne das voraussichtlich bis 2027 eingeklagte Geld zeitnah „wieder wegnehmen“. 2028 laufen die Hochschulverträge aus, 2026 wird in Berlin wieder gewählt. Alle wüssten, so Oeverdieck: „2029 kommen ohnehin wieder Kürzungen auf uns zu.“ Vor dem Hintergrund gelte es, ein gutes Verhältnis mit der Landespolitik zu wahren. So argumentierten der Kanzler und weitere, die eine direkte Klage ablehnen.
Klage-Befürworter dagegen brachten wiederholt Zweifel zum Ausdruck, dass das Land sich künftig überhaupt an Zusagen halte, und fanden, dass man noch selbstbewusster mit Forderungen auftreten müsse.
Kuratorium schlägt Mediationsverfahren vor
Nach langer, intensiver Debatte über mögliche Vor- und Nachteile, die der TU durch den konfrontativen Weg einer Klage entstehen könnten, stimmte am Mittwoch eine Mehrheit von 16 Stimmen für einen Mittelweg: „ein juristisch zertifiziertes vorgeschaltetes Mediationsverfahren“. Sollte es bis Ende November scheitern oder der Senat dieses ablehnen, werde Klage eingereicht, heißt es in der Beschlussvorlage.
Vorsitzender Ortwin Renn empfahl im Namen des Kuratoriums die Mediation und verwies auf die Verbindlichkeit von bei einer Mediation erzielten Einigungen. Zudem würde es mit Blick auf die Beziehung zum Senat „kein Porzellan zerschlagen“.
Über die neue Option des Mittelwegs, den Teile des AS und das Kuratorium nun befürworten, will das Präsidium sich erneut beraten. Zudem klang in der Sitzung der Wunsch an, im Einklang mit den anderen Berliner Hochschulen zu handeln.
Im Kürzungsstreit zwischen der Wissenschaft und Senat bleibt es damit spannend. Bis 22. August, wenn Czyborra ein Signal für oder gegen die Unterzeichnung des neuen Pakts erwartet, haben die TU-Mitglieder noch etwas Zeit, den anderen Hochschulen ihre neue Strategie vorzustellen.
Wie es auch kommt: Unterschrieben dürften die Verträge erst um den Jahreswechsel sein. Sie müssen noch durch Gremien, Ausschüsse und auch das Abgeordnetenhaus.
Über den Rechtsweg gegen die Kürzungen durch den Senat vorzugehen ist möglich, weil diese einen einseitigen Vertragsbruch des Landes Berlin mit den 2024 abgeschlossenen Hochschulverträgen bedeuten. Dies wurde bereits in zwei Gutachten bestätigt.
Zugesagt hatte das Land Berlin ursprünglich deutlich höhere Zuschüsse an die Hochschulen, die Diskrepanz dürfte bis 2028 insgesamt fast 800 Millionen Euro betragen. Wie der Tagesspiegel berichtete, hätten Hochschulen mit einer Klage durchaus Chancen auf Erfolg.
Hinweis: In einer früheren Version hießt es, die TU müsse zwischen 60 und 70 Millionen Euro bis 2028 einsparen. Korrekt ist, dass Sparvorgaben in dem Umfang (bis zu 67 Millionen Euro) jährlich bis 2028 anfallen. Wir haben dies korrigiert.
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