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Ob bei den beobachteten zwischenartlichen Kratz-Vorfällen äußere Parasiten den Wirt wechseln, hier von Gelbflossen-Thun zu Blauhai, ist noch nicht bekannt.

© Chris Thompson/University of Western Australia

Wildwechsel: Haie als Kratzbürsten

Im offenen Ozean haben Fische, die es juckt, ein Problem. Einige haben einen Weg gefunden, lästige Mitschwimmer abzustreifen.

Patrick Eickemeier
Eine Kolumne von Patrick Eickemeier

Stand:

Ein Juckreiz, wenn er stark genug ist, lässt Lebewesen alle möglichen Tätigkeiten unterbrechen, um sich zu kratzen. Aber was tun, wenn es an einer Körperstelle juckt, an die man nicht rankommt?

Menschenhände, zum Kratzen grundsätzlich hervorragend geeignet, reichen zum Beispiel kaum an Stellen am Rücken, mittig, noch etwas höher, links, ja, genau dorthin. Daher bitten wir andere, in der Regel vertraute Menschen, die Aufgabe zu übernehmen. Oder wir bemühen Kratzbürsten und teleskopische Rückenkratzer – Errungenschaften, die wir unserem evolutionären Stand als Werkzeugmacher zu verdanken haben.

Pragmatismus im offenen Ozean

Es wurde auch schon ein Großzahn-Lippfisch (Choerodon anchorago) beobachtet, der Muscheln zu geeigneten Felsen trug, um sie daran zu knacken. Dass Fische wie Schimpansen, Krähenvögel, Menschen und einige weitere Lebewesen passende Werkzeuge für bestimmte Zwecke herstellen können, ist allerdings bisher nicht bekannt. Dabei wäre Bedarf durchaus gegeben, etwa an Kratzbürsten.

Fische des offenen Ozeans sind häufig von äußeren Parasiten befallen. Mitten im Meer, umgeben von nichts als Wasser, und mit zum Kratzen viel zu kurzen Schwimmflossen sind sie mit dem Bedürfnis konfrontiert, die Plagegeister abzustreifen. Die Vermutung liegt nahe: Es juckt sie.

Wie zwei Forschende von der University of Western Australia im Fachmagazin „Plos One“ berichten, haben manche Fischarten eine Lösung gefunden, die von Risikobereitschaft zeugt und mangels weniger gefährlicher Alternativen auch von Pragmatismus: Thunfische und Regenbogenmakrelen schubbern sich an Haien.

Umschwärmt. Ein Blauhai erregt das Interesse einer Gruppe von Regenbogenmakrelen.

© Chris Thompson/University of Western Australia

Christopher Thompson und Jessica Meeuwig werteten Videoaufnahmen aus, die auf mehreren Expeditionen in den offenen Ozean gemacht wurden. Darauf sind Exemplare dieser beiden Spezies zu sehen, die sich von hinten Blauhaien, Mako- oder Seidenhaien annähern, um sich dann – man darf es vermuten – genussvoll der Länge nach an ihnen zu reiben. Sie streiften mit Kopf, Kiemendeckel, Bauch, Seiten oder Rücken an der Haihaut entlang und mieden dabei das zahnbewährte vordere Ende der Haie.

Haihaut ist von kleinen Placoidschuppen bedeckt, die wie kleine Zähne aussehen. Sie lassen Haie widerstandsarm durchs Wasser gleiten, machen sie aber auch zu geeigneten Kratzpartnern. Die Risikobereitschaft der Thunfische und Makrelen war jedoch begrenzt: Sie mieden Haie, die deutlich größer waren als sie selbst. Kleinere Exemplare schubberten sich häufiger an Artgenossen. Das dürfte zwar weniger effektiv sein, aber auch das Risiko, gefressen zu werden ist geringer.

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