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„Wir brauchen eine Flucht nach vorn“: Was Eltern und Schulen tun können, damit junge Menschen Krisen meistern
Psychische Überforderung, fehlende Mitbestimmung und Frust setzen junge Menschen massiv unter Druck. Extremismus und gesellschaftliche Spaltung drohen. Jugendforscher Klaus Hurrelmann erklärt im Interview, was jetzt getan werden muss.
Stand:
Herr Hurrelmann, Sie sagen, der Jugend gehe es schlecht. Übertreiben Sie da nicht ein wenig?
Nein, ich übertreibe nicht, denn aktuelle Studien zeigen: Jugendliche und junge Erwachsene fühlen sich heute so stark belastet wie selten zuvor. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die junge Generation vor größeren Herausforderungen steht als die vorherige – oder ob sie einfach schlechter darauf vorbereitet ist.
Wie schätzen Sie das ein?
Wahrscheinlich ist beides der Fall. Weder ein Krieg in Europa noch die Diskussion über die Wiedereinführung der Wehrpflicht waren vor zehn Jahren absehbar. Auch die schwieriger werdende wirtschaftliche Situation war nicht erwartet worden. Klimawandel, die notorische Schwäche der traditionellen politischen Parteien und die irritierende Dynamik der Künstlichen Intelligenz kommen hinzu.
Die jungen Menschen empfinden diese Bündelung von Krisensituationen als existenzbedrohend, weil sie keine Erfahrungen damit haben. Niemand hat sie darauf vorbereitet. Ältere Generationen haben schon Krisen durchlebt, sie fühlen sich lange nicht so stark belastet.

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Was lässt sich aus den Studien dazu konkret ablesen?
Junge Menschen unter 30 leiden stark unter der Situation und empfinden sie als psychisch belastend. Fast die Hälfte von ihnen leidet unter Anspannung und Stress. Mehr als 20 Prozent erklären sich selbst als psychisch behandlungsbedürftig. Das ist ein hoher Wert, ein sehr ernst zu nehmender Befund. Bei den Älteren liegen diese Werte deutlich niedriger.
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