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Psychedelischer Pilz: Ein jahrzehntelang gesuchter LSD-Verwandter
Was Albert Hofmann, Entdecker der berüchtigtsten halluzinogenen Droge, nicht schaffte, gelang jetzt einer Studentin. Auf einer Blume. Die Folgen könnten nicht nur bewusstseinserweiternd sein.
Stand:
Wenn es jemals einen echten Chemiker-Superstar gab, dann war sein Name Albert Hofmann. Der Schweizer, 2008 fast 100-jährig verstorben, entdeckte die halluzinogene Wirkung von LSD. Jenes Lysergsäurediethylamid stammt aus Mutterkornpilzen.
Doch auch andere Organismen haben ähnliche Wirkungen. Etwa die Prunkwinde. Hofmann vermutete einen mit den Pflanzen in Symbiose lebenden Pilz als Ursache. Er suchte jahrzehntelang danach. Erfolglos. Gefunden hat diesen Pilz nun eine junge Studentin der Umwelt-Mikrobiologie.
An der West Virginia University (WVU) in den USA suchte jene Corinne Hazel auf und in Prunkwinden der Art Ipomoea tricolor nach Schutzchemikalien. Solche Substanzen, die etwa bei der Abwehr von Schädlingen helfen, werden von sehr vielen Pflanzen gebildet. Sie heißen auch sekundäre Pflanzenstoffe. Und viele von ihnen haben sich als gesundheitsförderlich auch für Menschen erwiesen.
Die Dosis macht das Gift
Hazel scheint jedenfalls sehr genau hingeschaut zu haben. An einer kleinen Samenschale sah sie einen leichten weißen Überzug. Einen Pilz.
Ähnlich wie andere Forscher – etwa Alexander Fleming, der in Schimmelpilzen Penizillin und damit die Antibiotika an sich entdeckte – warf sie die verpilzte Probe nicht einfach in den Müll. Zusammen mit ihrem Professor Daniel Panaccione vom College of Agriculture and Natural Resources isolierte und kultivierte sie den unbekannten Organismus und ließ sein Genom sequenzieren.

© (WVU Photo/Brian Persinger)/Brian Persinger
Endergebnis: ein neu entdeckter Pilz, der den Namen Periglandula clandestina bekam, und der Mutterkorn-Alkaloide produziert, Substanzen ähnlich dem LSD. Die Ergebnisse wurden jetzt im Fachmagazin „Mycologia“ veröffentlicht.
Mutterkornalkaloide sind eines der besten Beispiele dafür, dass Paracelsus Recht hatte mit dem Satz, für den er bis heute berühmt ist: Die Dosis macht das Gift.
Und die Dosis macht eben auch das Heilmittel.
Mutterkorn war über die Jahrhunderte gefürchtet. Der Pilz wächst auf Getreide-Ähren, vor allem Roggen. Wenn man ihn nicht findet und aussortiert, wenn zu viel davon ins Mehl oder ins Tierfutter gelangt, kann er durch sein Nervengift tödlich sein. Vor allem, wenn in Zeiten mit schlechten Ernten die arme Bevölkerung gezwungen war, auch ungereinigtes, vom Felde aufgelesenes Getreide zu essen, kam es oft zu Massenvergiftungen.
Viele Dinge sind giftig. Aber wenn man sie in der richtigen Dosierung verabreicht oder sie verändert, können sie nützliche Arzneimittel sein.
Daniel Panaccione, Phytopathologe
In niedrigeren Dosen haben die Inhaltsstoffe des Pilzes – es sind neben dem LSD mehr als 80 weitere, teils verwandte Substanzen – aber auch andere Wirkungen. Auch solche, die über die psychedelischen hinausgehen.
So können Mutterkorn-Alkaloide etwa zur Behandlung von Migräne, bei Blutungen und zur Behandlung neurologischer Erkrankungen eingesetzt werden. Parkinson ist eine davon.

© dpa-mag/Hilke Segbers
„Viele Dinge sind giftig. Aber wenn man sie in der richtigen Dosierung verabreicht oder sie verändert, können sie nützliche Arzneimittel sein“, sagte Panaccione der Website „Live Science“. Und man könne „vielleicht Wege finden, um die Nebenwirkungen zu umgehen“.
Periglandula clandestina könnte sich besonders gut eignen. Erste Ergebnisse zeigen zumindest, dass er Mutterkornalkaloide in großen Mengen produzieren kann. Das könnte ihn für den biotechnologischen Einsatz prädestinieren.
Mykologen, also Pilzforscher, vermuten, dass es noch zahlreiche unbekannte Pilze gibt, die auf Pflanzen oder auch Tieren leben und medizinisch hochwirksame Substanzen enthalten sollten. Die Forschung auf diesem Gebiet ist aber eher rückläufig, auch, weil immer weniger Biologinnen und Biologen sich mit Pilzen und ihrer Identifikation auskennen.
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