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Mark Kennedy war in 20 Ländern mit falscher Identität für den britischen Staatsschutz unterwegs.

© Guardian

Update

Auch in Berlins linker Szene aktiv: Einsatz eines verdeckten Ermittlers aus London für illegal erklärt

Das Schweriner Verwaltungsgericht befasste sich mit dem Einsatz des britischen Undercover-Agenten Mark Stone. Er hatte die G8-Proteste in Rostock ausgespäht.

Stand:

Der Einsatz eines verdeckten Ermittlers der britischen Polizei in Deutschland ist für illegal erklärt worden. Das teilten der Kläger in dem Verfahren und das Verwaltungsgericht Schwerin am Montag mit.

In dem sechsjährigen Verfahren ging es um den Staatsschützer Mark Kennedy, der 2007 als „Mark Stone“ unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern aktiv war. Geklagt hatte der deutsch-amerikanische Umweltaktivist Jason Kirkpatrick, der in Berlin lebt.

Der verdeckte Ermittler aus England hatte zu Kirkpatrick freundschaftlichen Kontakt gepflegt und bewegte sich unter Aktivisten in England sowie europaweit in der linken Szene. Der vom Gericht beurteilte Einsatz drehte sich um den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm. Damals mobilisierten Gewerkschaften, Linksradikale und Bürgerinitiativen zu Protesten nach Rostock. Es gab Ausschreitungen.

Grob vereinfacht formuliert haben Kläger und Innenministerium einen Vergleich geschlossen, aber unter anderem mit der expliziten Feststellung des Gerichts, dass der Einsatz illegal war. Was der staatliche Spitzel konkret an Informationen gesammelt hatte, klärte das Gericht nicht. Dies unter anderem deshalb, weil nur noch wenige Akten zugänglich sind. Einige sind nach wie vor Verschlusssache, andere vernichtet.

Die zuständige Polizeibehörde in Großbritannien habe keine Aussagegenehmigung für den Polizisten und seine Führungspersonen erteilt, schrieb das Verwaltungsgericht, es gebe also „Beweisschwierigkeiten“, der Undercover-Einsatz sei aber „objektiv“ rechtswidrig gewesen.

Es stehe nun die Frage im Raum, teilte die Anwältin des Klägers mit, ob der Fall dem Landesverfassungsgericht vorgelegt werden müsse. Denn es sei unklar, ob nicht ein Richter schon vor dem Gipfel über den Einsatz des britischen Ermittlers hätte entscheiden müssen.

Hoffnung auf Informationen über konspirativ geplante Aktionen

Kirkpatrick hatte das Land Mecklenburg-Vorpommern 2016 verklagt. Damals war bereits bekannt, dass das regionale Landeskriminalamt (LKA) abgesegnet hatte, dass der britische Beamte inmitten der Protestler 2007 unterwegs sein würde. Man hatte sich von der britischen Polizei auf Basis seiner Undercover-Arbeit offenbar Informationen über konspirativ geplante Aktionen der Demonstranten erhofft.

Konkret sehe er, sagte Kirkpatrick, durch die Überwachung sein Recht auf Schutz der Privatsphäre, auf informationelle Selbstbestimmung und die Unverletzlichkeit der Wohnung verletzt.

Wie seine Anwältin mitteilte, hatte das Bundesverfassungsgericht schon in einem ähnlichen Fall entschieden, dass der Einsatz eines verdeckten Ermittlers durch die Polizei von einem Richter genehmigt werden müsse. Dieser sogenannte Richtervorbehalt sei jedoch in den Gesetzen von Mecklenburg-Vorpommern nicht vorgesehen gewesen.

Die Landesregierung in Schwerin hatte 2011 erklärt, dass das LKA einen verdeckten Ermittler nutzte, um die linksradikale Szene in Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg auszuforschen. Demnach zahlte das Land für Kennedy alias Stone unter anderem Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten.

Kennedy, britischen Medienberichten zufolge 1969 in London geboren, kannten auch Aktivisten in Berlin als Mark Stone. Seit 2003 war er europaweit als Agent des britischen Staatsschutzes unterwegs und schickte Informationen über Proteste an seinen Führungsoffizier – ein Einsatz, der sieben Jahre dauerte.

Im Oktober 2010 fand eine von ihm getäuschte Freundin in England einen Pass, der nicht auf den Namen Mark Stone ausgestellt war, dazu Unterlagen, die nicht zur Legende des Agenten passten. Englische Aktivisten machten den Fall öffentlich, Kennedy tauchte, wie berichtet, ab.

Der Enttarnung folgte ein Skandal. Oppositions- und Regierungspolitiker in Deutschland verlangten Aufklärung. In einer Sitzung des Innenausschusses im Bundestag teilte Jörg Ziercke, der frühere Präsident des Bundeskriminalamts mit, dass deutsche Behörden vage über Kennedys Einsatz informiert waren.

In Berlin, wo Kläger Kirkpatrick lebt, war der Agent demnach nur, um seine Legende als Aktivist zu pflegen, nicht mit konkretem Spähauftrag.

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