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Der Berliner Mietendeckel soll im ersten Quartal 2020 in Kraft treten.

© Jörg Carstensen/dpa

...und noch ein Gutachten!: Darum hält ein Verfassungsrechtler den Berliner Mietendeckel für rechtswidrig

Der Gutachtenkrieg um den Mietendeckel geht weiter: Jetzt hat sich der Verfassungsrechtler Hans-Jürgen Papier zu Wort gemeldet. Das sind seine Bedenken.

Der Gutachtenwald zum Berliner Mietendeckel ist wieder ein Stück dichter geworden: Der Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat in seinem Papier im Auftrag des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen festgestellt, dass das Gesetz wohl nicht verfassungskonform wäre.

Der Mietendeckel verstoße in mehreren Punkten gegen das Grundgesetz, schreibt Papier in seinem Gutachten, das dem Tagesspiegel vorliegt.

In dem 36-seitigen Gutachten, über das die Zeitungen der Funke-Mediengruppe zuerst berichteten, heißt es, der Mietendeckel sei mit dem Gleichheitsgrundsatz „unvereinbar“. Der Verfassungsrechtler schreibt, Gleiches werde ungleich behandelt und Ungleiches gleich.

Vermieter, die bisher faire Mieten vereinbart hätten, würden etwa genauso beschnitten wie Spekulanten. „Die gesetzliche Regulierung soll zwar eigentlich Wohnungskonzerne oder Immobilienspekulanten treffen. In Wirklichkeit bekommen aber vor allem 'kleine Vermieter' die Folgen dieser Regulierung zu spüren“, schreibt Papier.

Daneben stelle der Deckel einen „unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht der betroffenen Vermieter dar“, urteilt Hans-Jürgen Papier. Die Mietobergrenzen könnten so zu dauerhaften Verlusten bei der Vermietung führen, auch die Substanz von Wohngebäuden könne beeinträchtigt werden, interpretiert der Verfassungsrechtler.

Dass Mieter ihre Mieten in bestimmten Fällen - bei sogenannten „Wuchermieten“ - sogar senken lassen können, hält Papier ebenfalls für unvereinbar mit dem Grundgesetz. Die Mietsenkung käme einer Enteignung der Vermieter gleich.

Es ist bereits das zweite Papier von Papier zum Mietendeckel

Papier schränkt zwar ein, dass es sich nicht um eine Enteignung im Sinne des Grundgesetzes handelt, „gleichwohl ist dieser Eingriff des Gesetzgebers in seiner Schwere einer(Teil-)Enteignung nahezu äquivalent“. Das Grundgesetz erlaube zwar Enteignungen zum Wohl der Allgemeinheit, die dafür notwendigen hohen Anforderungen erfülle der Mietendeckel nicht.

Bereits im September war der 76-Jährige in einem halb so langen Gutachten für den selben Wohnungsverband zu dem Schluss gekommen, dass die Bundesländer überhaupt nicht befugt seien, Mieten zu deckeln. Papier argumentierte damals, dass der Bund für das von ihm geregelte soziale Mietpreisrecht eine Vollkompetenz habe: „Landesverfassungsrecht kann die grundgesetzliche Kompetenzverteilung weder sprengen noch zu deren Auslegung etwas beitragen.“

Hans-Jürgen Papier, damaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, aufgenommen am 28.01.2010 bei einem Interview im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Hans-Jürgen Papier, damaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, aufgenommen am 28.01.2010 bei einem Interview im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

© picture alliance / dpa

Der Bund hatte unter anderem mit der 2015 verabschiedeten Mietpreisbremse und der Anwendung des Bestellerprinzips für Mietwohnungen von seinen Gesetzgebungskompetenzen beim sozialen Mietrecht Gebrauch gemacht. Die bundespolitisch geregelte Mietpreisbremse sieht unter anderem vor, dass in Gebieten mit einem Mangel an bezahltem Wohnraum die Mieten innerhalb von drei Jahren maximal um 15 Prozent steigen dürfen.

Erst Anfang Dezember hatte auch das Innenministerium geurteilt, das von Rot-Rot-Grün angedachte Gesetz sei grundgesetzwidrig. Die Argumente sind ähnlich: Ob die im Grundgesetz geschützten Interessen der Eigentümer derart weit in den Hintergrund gestellt werden dürfen, wie es der Berliner Gesetzentwurf vorsieht, sei zweifelhaft, urteilten die Juristen des Ministeriums. Ein weiteres Problem: Vom Mietenstopp würden unterschiedslos alle Vermieter erfasst, auch solche, die bislang nur geringe Mieten verlangt haben. Dies sei nach dem Gleichheitsgrundsatz problematisch.

[Das Papier des Bundesinnenministeriums können Sie hier als pdf herunterladen.]

Bereits im März war ein 63-seitiges Rechtsgutachten der Professoren Franz Mayer und Markus Artz für die SPD-Fraktion auf ein gegenteiliges Ergebnis gekommen. Sie verweisen auf die Verfassung von Berlin, die ein Recht auf Wohnen festschreibt (anders als das Grundgesetz) und auf die Verordnungsermächtigung im BGB, wonach Landesregierungen bei Wohnungsnot Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten bestimmen können.

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Der Landesgesetzgeber dürfe deshalb in einen überhitzten Markt eingreifen. Ihr Ergebnis ist dabei ebenso wenig überraschend wie Papiers Gutachten für einen Immobilien-Verband: schließlich regiert die SPD in Berlin und trägt den Deckel mit. Letztlich wird das Verfassungsgericht entscheiden müssen - FDP und CDU im Berliner Abgeordnetenhaus sowie die FDP und Teile der Unionsfraktion im Bundestag haben bereits angekündigt, gegen das Gesetz klagen zu wollen.

Das Mietendeckel-Gesetz wurde Ende November vom Berliner Senat beschlossen. Im Januar muss noch das Abgeordnetenhaus zustimmen. Passiert das, werden die Mieten in Berlin für fünf Jahre eingefroren und können im Fall von Wuchermieten auf Antrag der Mieter sogar abgesenkt werden. Wer eine Wohnung wiedervermietet, darf maximal 9,80 Euro für den Quadratmeter nehmen.

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