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Bei der Tagesspiegel-Spendenserie im Jahr 2017 freute sich auch das Familienzentrum über Spenden der Tagesspiegel-Leser:innen

© Mike Wolff TSP

30 Jahre „Menschen helfen!“: Was zehn Millionen Euro Spenden von Tagesspiegel-Lesern bewirkt haben

Die Spenden für die Tagesspiegel-Weihnachtsaktion haben in drei Jahrzehnten vielen geholfen. Jetzt sammeln wir für 2022/23 – und werfen einen Blick ins Archiv.

Der Tagesspiegel war schon immer mehr als eine Zeitung. Die Mitarbeitenden in Verlag und Redaktion und auch unsere Leser:innen haben seit der ersten Ausgabe 1945 immer wieder ein Bedürfnis verspürt: auf Nachrichten proaktiv zu reagieren und selbst humanitäre Verantwortung zu übernehmen.

Eine traditionelle Hilfe feiert jetzt ein besonderes Jubiläum. Drei Jahrzehnte schon sammeln der Tagesspiegel und seine Leser:innen zur Weihnachtszeit Spenden vor allem für bedürftige Menschen in Berlin und Brandenburg, aber auch im Ausland.

Zudem konzipieren wir immer dann, wenn Kriege oder Naturkatastrophen die Welt erschüttern, mit Partnern wie der Deutschen Welthungerhilfe internationale Aktionen: Nach dem Tsunami 2004/5 kamen 550.00 Euro zusammen. Für die Opfer des Krieges in der Ukraine sammelten wir vom 19. März bis Ende November 2022 etwa 600.000 Euro für regionale Hilfen und eine Großaktion mit dem Bündnis Entwicklung Hilft. Doch das war längst nicht alles – eine Zeitreise ins Tagesspiegel-Archiv:

So fing alles an

Los ging es Anfang der 1990er Jahre mit der Weihnachtshilfe für Kinder und für wohnungslose Menschen. In der Nachwendezeit wurden Weihnachtbäumchen zu Symbolen der Hilfe, täglich öffneten wir in der Zeitung Charity-Adventskalendertürchen.

Freitag, 24. Dezember 1993: Warme Kleidung für die kalten Tage Tannenbäume verbinden Ost und West. (...) Eine solch unbürokratische Notunterkunft für Wohnungslose hat der Bezirk (Tiergarten) gemeinsam mit dem Diakonischen Werk in einer ehemaligen Turnhalle an der Turmstraße eingerichtet. 30 bis 40 Menschen, die auch eine Mahlzeit erhalten, können dort seit dem 1. Dezember zwischen 21.30 Uhr und 7 Uhr ein Dach über dem Kopf finden.

660.000 DM kamen bei der ersten Aktion zusammen. In jenen Jahren bewegten der Mauerfall und seine Folgen die Welt. Immer greift der Tagesspiegel bei seiner Weihnachtsaktion aktuelle Bedürfnisse der Zeit auf. So halfen wir damals, das zu retten, was weggekürzt werden sollte – Jugendclubs etwa. Wir setzen uns ein für Themen wie Kinderschutz und Integration. Wir blicken dahin, wo andere wegsehen – für Kinder und Tiere kann man leichter Spenden generieren als für Bedürftige in Gefängnissen oder Drogenentzugskliniken. Im Anfangsjahr der Weihnachtshilfe war zu lesen:

Mittwoch, 8. Dezember 1993: Treffen kann es jeden. 1200 Menschen in Berlin sind nach Angaben von Medizinern bereits schwer an Aids erkrankt. Aus Unwissenheit, Unachtsamkeit, Nachlässigkeit. Etwa 25.000 Berliner haben sich infiziert, ohne es unbedingt zu wissen so lauten weitere Schätzungen. Einen positiven Aids-Test haben 5000 Menschen verkraften müssen. 1000 Berliner sind schon an den Folgen der Immunschwächekrankheit gestorben.

So konnten Tagesspiegel-Leser:innen „den größten Weihnachtswunsch von Berliner Einrichtungen“ und über die Spendenaktion Workshops der Berliner Aids-Hilfe für Erkrankte finanzieren. Ein Beispiel von mehr als 1000 Projekten, für die der Tagesspiegel in 30 Jahren mehr als 10 Millionen Euro spendete. Jedes Jahr sind bei der Weihnachtsaktion „Menschen helfen!“ meist zwischen 12 und 60 ausgewählte Projekte dabei.

Wieder Hoffnung: Auf einer Recherchereise der Autorin 2005 nach dem Tsunami auf Sri Lanka entstand dieses Foto.
Wieder Hoffnung: Auf einer Recherchereise der Autorin 2005 nach dem Tsunami auf Sri Lanka entstand dieses Foto.

© Annette Kögel/ TSP

Kaum Verwaltungskosten

Bei „Menschen helfen!“ gehen die Erlöse fast komplett an die Projekte, es gibt nur geringe Verwaltungskosten: Die vier federführend im Verein Mitarbeitenden und die weiteren Mitglieder sind während der Arbeitszeit oder ehrenamtlich für den Spendenverein aktiv. Honorare und andere Ausgaben fallen nur in geringer Höhe an, etwa für die Überprüfung, wie die Vereine das Geld verwenden.

Schon immer haben wir gemeinsam mit unseren Leser:innen über die Stadtgrenzen hinausgeschaut. Wie 1994 bei der Aktion mit dem damaligen Sender Freies Berlin und dem Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg. Da brachte allein ein Fußball mit den Unterschriften der deutschen Weltmeister-Mannschaft von 1974 3000 DM.

Montag, 29. August 1994: Aufgerüttelt durch Berichte von den Massakern, der Massenflucht und grassierender Epidemien (Ende Juli starb in den Lagern alle drei Minuten ein Kind), halfen die Berliner und Brandenburger in einer Aktion, die ihresgleichen sucht. (...)

Tagesspiegel-Aktion für Ruanda-Flüchtlinge bringt Rekordergebnis: Berliner und Brandenburger spenden mehr als sechs Millionen DM. „Das ist die bei weitem größte und erfolgreichste Sammelaktion, die es je für die UNO-Flüchtlingshilfe gab“, (...) bewertet der Bonner Sprecher des UNO-Flüchtlingswerks UNHCR, Stefan Telöken, die Hilfsbereitschaft. Die Leser und Hörer haben genausoviel Geld gespendet, wie ansonsten in der ganzen Republik zusammengekommen ist. Die Aktion sei zu einer regelrechten „Bürgerbewegung“ geworden.

Erfolgreichste Sammelaktion für UNO-Flüchtlingshilfe

Stefan Telöken, 1994, Sprecher des Flüchtlingswerks UNHCR

Unternehmen, Kirchengemeinden, Leser:innen spendeten – eine Bürgerbewegung der Nächstenliebe löst die Tagesspiegel-Weihnachtsaktion immer in ihrer Heimatregion aus. Wenn wir in unserer Spendenserie gefährdete oder innovative Projekte stellvertretend für alle ausgewählten vorstellen, helfen unsere Leser:innen nach der Lektüre auch ganz persönlich: Sie spenden Musikanlagen, Kleidung oder Bücher.

Dienstag, 21. Dezember 1999: Der Wagen von Frank Priebe steht kaum still. „Letztens habe ich fast zwanzig Tagesspiegel-Leser besucht, die Sachen für unsere Einrichtung abgeben wollten. Und die Leute geben wirklich aus ehrlichem Herzen“, freut sich der Kraftfahrer der Kreuzberger Kirchengemeinde zum Heiligen Kreuz.

Das Langzeit-Wohnprojekt mit medizinischer Versorgung ist nicht die einzige Einrichtung, die von der Großzügigkeit unserer Leser profitiert. Bis gestern sind schon über 300.000 Mark auf dem Tagesspiegel-Konto für die Obdachlosen-Weihnachtshilfe eingegangen. „Das Echo ist sehr erfreulich“, sagt Rainer Deiters, Mitarbeiter im Weglaufhaus für Menschen, die es in psychiatrischen Kliniken nicht mehr ausgehalten haben.

„Fünf, sechs Anrufe“ gingen in der Villa Stöckle ein, nachdem der Bericht erschienen war. Seit Anfang Dezember haben wir unseren Lesern jeden zweiten Tag eine der zwölf ausgewählten Institutionen vorgestellt dazu gehören ein Hilfsprojekt mit dem Deutschen Roten Kreuz und dem Türkischen Bund für die Erdbebenopfer in Izmit, auf ambulante medizinische Versorgung spezialisierte Hilfsorganisationen sowie Vereine, die etwa von Zuhause geflüchteten Frauen und Mädchen helfen.

Die Leser haben sich die Rufnummer selbst besorgt.

Rainer Deiters, 1999, Weglaufhaus

Einen Leser aus Spandau hat das Schicksal der Menschen im Weglaufhaus besonders beeindruckt. „Der Mann hat seine Musikanlage mit dem Auto selbst vorbei gebracht“, sagt Rainer Deiters. „Die Leser haben sich die Rufnummer selbst besorgt, im Artikel hatten wir sie bewusst nicht veröffentlicht.“

Soziales Team. Die Autorin, Tagesspiegel-Redakteurin Annette Kögel (l.), engagiert sich seit 30 Jahren für die Tagesspiegel-Weihnachtsspendenaktion und organisiert „Menschen helfen!“ federführend gemeinsam mit Stefanie Dujardin-Sommer aus dem Tagesspiegel-Vertrieb. 
Soziales Team. Die Autorin, Tagesspiegel-Redakteurin Annette Kögel (l.), engagiert sich seit 30 Jahren für die Tagesspiegel-Weihnachtsspendenaktion und organisiert „Menschen helfen!“ federführend gemeinsam mit Stefanie Dujardin-Sommer aus dem Tagesspiegel-Vertrieb. 

© Mike Wolff, TSP

Prominente Unterstützer

Es gibt Trends in bestimmten Jahren – teils werden Möbel oder Küchen oft als Wunsch angegeben, Firmen melden sich dann. Welches Projekt im Frühjahr wieviel Geld aus dem Topf erhält, entscheidet dann der Spendenverein – um effektiv zu wirken. Auch Banken wie die Berliner Bank und die PSD Bank unterstützten Menschen helfen!“. Unternehmer Hans Wall finanzierte den Kinderkrankenschwestern vom Externen Pflegedienst das Auto für die Hausbesuche und lud das Personal hinter den Kulissen jahrelang zum Gänsebratenessen ein. Auch Tenor Björn Casapietra war an unserer Seite.

Die Bewerber werden geprüft

Bevor eine Aktion startete, lief immer im Herbst eine Ausschreibung für mildtätige und gemeinnützige Vereine, freie Träger und Ehrenamtsinitiativen. Tagelang saßen die Federführenden im Spendenverein im Bedarfsbüro, gewichteten, prüften und entschieden – bis zu Pandemie. Dann funktionierte das digital. Statt Einzelpersonen stärkt der Spendenverein lieber Dachverbände.

Immer wieder fragten auch Spendenwillige wie Eva Herlitz uns um Rat. Die Aufnahme in die Aktion verlieh Projekten zu Renommee. Der Dank von allen Seiten ist groß. Wir im Spendenverein bekommen Torten, selbstgemalte Bilder von Kindern oder auch Erste-Hilfe-Koffer der Verbände der freien Wohlfahrtspflege.

Freitag, 11. Februar 2000: Spenden der Tagesspiegel-Weihnachtshilfe 1999 an zwölf Obdachloseneinrichtungen übergeben Dank an die Leser: Als die Summe ausgesprochen wurde, die auf dem Scheck steht, ging ein Raunen durch die Runde. „Das ist ja Wahnsinn“, entfuhr es einer Frau, und dann brandete spontan Beifall auf. Nein, mit 53.899,54 Mark hatte keiner der Vertreter der zwölf Obdachlosen-Einrichtungen gerechnet. Doch die Leser des Tagesspiegels hatten sich wieder „als sehr großzügig erwiesen“, wie Verlags-Geschäftsführer Rolf Aschermann bei der Spendenübergabe im Cafe der Kreuzberger Kirche zum Heiligen Kreuz sagte: Rund 650.000 Mark sind zusammengekommen.

Immer wieder unterstützen wir aus dem Spendenverein heraus als Zeitung zudem Berliner Aktionen. So halfen Leser:innen 2004 nach dem Abbiege-Unfalltod des neunjährigen Dersu der Aktion „Weg mit dem toten Winkel“. Am 5. Mai 2004 konnten wir melden, dass Leser:innen in zwei Wochen bereits mit 7700 Euro die Anschaffung von rund 50 der besonderen Lkw-Spiegel ermöglichten. Mit einem Leser setzten wir eine Haiti-Hilfe auf, füllten die Philharmonie, es gab auch eine Benefiz-CD „Berlin hilft Haiti“.

Ehrenamtlich Helfende in der Suppenküche der Malteser in Charlottenburg 2012, mit dem Tagesspiegel-Spendenstern.
Ehrenamtlich Helfende in der Suppenküche der Malteser in Charlottenburg 2012, mit dem Tagesspiegel-Spendenstern.

© Thilo Rückeis/ TSP

Ein Vierteljahrhundert

Die Freude war auch später groß, als wir am 30.11.2006 folgende Zeilen abdruckten: „Wir möchten uns bei Ihnen, dem Tagesspiegel, von ganzem Herzen für die Unterstützung und Hilfe bedanken“, schrieben Hannah, Anne und Leon Fritz. Ihnen half die Berliner Schreibaby-Ambulanz.

Die Aktion ist ein Teil von Berlin.

Elke Breitenbach, 2018, Sozialsenatorin

Später feierten wir groß 25 Jahre Spendenaktion:

Sonnabend, 20.04.2018: Ulrike Teschke, Mitglied der Tagesspiegel-Geschäftsführung und auch im Verein, ist den Lesern des Tagesspiegel „sehr dankbar“ (...). „Diese Spendenaktion ist bundesweit einmalig, darauf können wir sehr stolz sein.“ Für Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) „ist diese Aktion längst ein Teil von Berlin geworden“. Die Unterstützung von Obdachlosen-Projekten ist im Jubiläumsjahr ein Schwerpunkt. Lorenz Maroldt, einer der beiden Chefredakteure des Tagesspiegel und einer der beiden Vereinsvorsitzenden, betont, dass im Verlauf der Jahre in die Arbeit des Spendenvereins „Vertrauen aufgebaut wurde“.

Kooperationen fürs Gemeinwohl, die ging der Tagesspiegel auch mit dem Zirkus Roncalli ein: Heimkinder und von Schicksalsschlägen betroffene Familien, von denen wir über einen Aufruf in der Zeitung wussten, gingen Weihnachten gratis in den Zirkus. Auch der erste Kältebus – und weitere – der Stadtmission wurde von der Tagesspiegel-Aktion ermöglicht.

Die Stadtmission schlug „Menschen helfen!“ für den Berliner Unternehmerpreis „Engagiert in Berlin“ vor. 2017 gewann ihn die vom Tagesspiegel unterstützte „Nachtschicht“, wir wurden zweite. 2018 kam das Verlagshaus mit „Menschen helfen!“ auf Platz eins und wurde vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) mit der Mendelssohn-Medaille ausgezeichnet.

Jetzt geht es in die 30. Runde. An jedem Werktag bis Weihnachten stellen wir ihnen Projekte stellvertretend für die insgesamt 33 ausgewählten vor – und, wir kennen Sie: Sie spenden, sammeln in Schulklassen, bei Geburtstagen und Hochzeiten. Danke für drei Jahrzehnte gemeinsam gutes Tun!

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