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 Zahlreiche Fluggäste sind vor den Check-in-Schaltern im Terminal 1 des Flughafens Berlin-Brandenburg unterwegs.

© dpa/Michael Ukas

Update

75 Prozent der Abflüge nach Cyberangriff verspätet: Auch am Dienstag lange Schlangen am BER erwartet

Noch immer gibt es nach einer Cyberattacke große Einschränkungen am BER. Am Montag waren tausende Marathonläufer betroffen, die zurück in ihre Heimat reisen wollten. Noch ist kein Ende in Sicht.

Stand:

Auch am dritten Tag nach dem Cyberangriff ist kein Ende des Chaos am Berliner Hauptstadtflughafen BER in Sicht: 75 Prozent der Flüge starten verspätet, teilte ein BER-Sprecher am späten Montagnachmittag mit. Damit hat sich die Bilanz im Vergleich zum Morgen leicht verschlechtert.

„Wir können aktuell noch nicht absehen, wie lange die Störungen andauern. Wir warten darauf, dass der Dienstleister das Problem löst“, sagte der Sprecher und erklärte, auch am Dienstag sei mit Einschränkungen zu rechnen. Am Montagnachmittag war auf der Webseite des Flughafens zu sehen, dass die meisten Flieger mit teils mehrstündigen Verspätungen abheben.

Der IT-Dienstleister Collins Areospace war am Freitagabend zur Zielscheibe eines Cyberangriffs geworden. Die Hintergründe blieben vorerst unklar. Wegen der Attacke meldeten vier europäische Flughäfen – Berlin, Brüssel, Dublin und London-Heathrow – Probleme bei der Passagierabfertigung. Gepäckabfertigung und Check-In müssen seither am BER teilweise händisch erledigt werden, was deutlich mehr Personal in Anspruch nimmt und zu großen Verzögerungen führt.

Der Kenianer Sabastian Sawe gewann den Berlin-Marathon, aber verpasste einen Tag später seinen Rückflug.

© dpa/Andreas Gora

Am Montag erwischte es unter anderem auch den diesjährigen Gewinner des Berlin-Marathons: Der Kenianer Sabastian Sawe verpasste aufgrund der langen Wartezeiten am BER seinen Rückflug, wie dessen Management dem Tagesspiegel bestätigte: „Ja, Sabastian wird einen Tag länger in Berlin bleiben müssen.“ Wegen der Cyberattacke habe es Probleme mit seinem Check-in gegeben, weshalb er erst am Dienstag fliegen werde. Zunächst berichtete die „Berliner Morgenpost“.

Probleme bei Check-in und Gepäcksortieranlage

„Gestern lief es recht flüssig und ruhig, aber heute sind wir nach wie vor vom Cybervorfall betroffen“, sagte ein Sprecher des BER dem Tagesspiegel am Montag. Das Passagierabfertigungssystem sei weiterhin nicht verfügbar. Noch immer müssen die meisten Airlines händisch am Check-in arbeiten. „Nicht betroffen sind die Self-Check-ins, von denen es über 120 am BER gibt, die alle funktionieren“, sagt der Sprecher.

Auch die Gepäcksortieranlage sei noch von dem Cyberangriff betroffen. „Die gesamte Flughafengesellschaft und alle Dienstleister versuchen mit zusätzlichem Personal anzupacken, um die Auswirkungen gering zu halten“, so der Sprecher. „Durch das manuelle Abfertigen des Gepäcks dauert es natürlich länger. Das hat zur Folge, dass sich ein Rückstau bildet.“

Bei den Check-in-Schaltern am BER bilden sich Schlangen.

© Luis Brückner

Immer wieder berichteten Passagiere, dass ihr Gepäck nicht mit ihnen ankam. Zum Teil wurden Koffer von Passagieren, die am Samstag flogen, erst am Sonntag hinterhergeschickt. Wie der BER-Sprecher dem RBB mitteilte, wurden zusätzliches Personal und Equipment auch von den Airlines bereitgestellt, um die Abläufe zu beschleunigen. So habe auch der Flughafen bereits Mitarbeiter aus anderen Bereichen abgezogen, die helfen sollen, die zahllosen Koffer einzeln zum richtigen Flugzeug bringen zu lassen.

Wünschen uns eine bessere Krisenkommunikation seitens des BER.

Jürgen Lock, Geschäftsführer vom Marathonveranstalter SCC

Top-Atleten kehrten ins Hotel zurück

Erschwerend kommt seit Montagmorgen die Rückreise tausender Läufer des Berlin-Marathons hinzu. „Viele unserer Top-Athleten, aber auch viele andere Läuferinnen und Läufer, die am Marathon teilgenommen haben, sind von der Cyberattacke betroffen. Viele von ihnen sind jetzt ins Hotel zurückgekommen“, sagt Jürgen Lock, Geschäftsführer vom Marathonveranstalter SCC. „Doch das ist alles mit hohem logistischen Aufwand verbunden, zumal das Hotel natürlich nur begrenzte Kapazitäten hat. Wir haben eine Fürsorgepflicht für die Läuferinnen und Läufer und würden uns eine bessere Krisenkommunikation seitens des BER wünschen.“

Am BER selbst spricht ein Mitarbeiter der Sicherheitskontrolle zwar von einem „ganz normalen Tagesablauf“, doch vormittags sei es zum Teil chaotisch zugegangen. Ein Fluggast, der nach dem Marathon in Richtung Peking unterwegs war, berichtete von 40 Minuten Wartezeit vor dem Check-in-Schalter.

BER-Personal? „Ziemlich unfreundlich“

Auch Sarah Jane aus dem englischen Fareham ist in Berlin gestrandet: „Wir sind heute Morgen drei Stunden vor unserem Flug hier gewesen, wie es in den Anweisungen steht, die jeder bekommen hat“, sagt sie am Morgen. Ihre gesamte Gruppe, die nun ratlos am Flughafen steht, ist am Sonntag noch den Berlin-Marathon gelaufen.

Am Montagmorgen, als sie die Rückreise antreten wollten, habe Chaos geherrscht am BER. „Die Schlange am British-Airways-Schalter war unglaublich“, sagt sie. Weil jeder Gepäckanhänger in Folge des IT-Ausfalls handschriftlich beschrieben werden musste, sei ihre etwas größere Reisegruppe nicht rechtzeitig durch den Check-in gekommen, den Flug haben sie deshalb verpasst.

Begeistert von Berlin, aber „die Erfahrung am Flughafen war schrecklich“: Marathonläufer aus England stranden am BER.

© Luis Brückner

Das BER-Personal sei „ziemlich unfreundlich“ gewesen, jetzt würden sich British Airways und der Flughafen gegenseitig die Schuld zuschieben. „Ganz untypisch für Berlin, die Menschen hier waren die nettesten der Welt und wir wollen wiederkommen, aber die Erfahrung am Flughafen war schrecklich“, sagt Jane. Sie steht nun mit der Reisegruppe, unter ihnen auch ein Baby, im Eingangsbereich der Halle und versucht über die Hotline der Airline herauszubekommen, wo sie nun übernachten könnten. Der nächste Flug, den British Airways ihnen angeboten habe, startet erst am Dienstagabend um 21 Uhr.

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Deutlich mehr Passagiere als an einem normalen Montag

Der BER bat Fluggäste bereits am Wochenende, online einzuchecken und ihr Gepäck nach Möglichkeit selbstständig an den Automaten aufzugeben. Mit 95.000 Passagieren würden viel mehr Menschen erwartet als an einem normalen Montag mit 75.000 bis 85.000, sagte ein Sprecher.

Auf der Internetseite des Flughafens war zu sehen, dass frühmorgens viele Flüge ohne Verspätung gestartet waren. Dann kam es im Laufe des Vormittags immer wieder zu verspäteten Starts, oft zwischen zehn und 50 Minuten, beispielsweise nach Belgrad oder Oslo. Zwei Flüge, einer nach Düsseldorf und einer nach Brüssel, wurden abgesagt. Auch bei den Ankünften kommt es teilweise zu Verzögerungen zwischen wenigen Minuten bis zu einer Stunde.

Ende der Probleme noch nicht absehbar

Weiterhin sei nicht klar, wann die Systeme wieder repariert seien. Man stehe in engem Kontakt zu der amerikanischen IT-Firma Collins Aerospace, die Opfer des Cyberangriffs geworden sei, so ein Sprecher des BER. Die externe Firma hatte am Sonntagabend angekündigt, man befinde sich in den letzten Zügen der nötigen Updates, die das System wieder voll funktionsfähig machten. Die Hintergründe des Cyberangriffs sind weiterhin unklar.

Der Flughafensprecher betonte: „Bevor wir unser System wieder koppeln, müssen wir hundertprozentig sicher sein, dass keine Schadprogramme mehr enthalten sind.“ Zuvor werde es daher eine gründliche Prüfung geben. Einen Zeitrahmen dafür könne man noch nicht mitteilen.

Die Cyberattacke strapazierte zwar die Nerven von Passagieren und Personal stark, für den Luftverkehr stellte sie aber nach offiziellen Angaben keine Gefahr dar. „Für den Luftsicherheitsbereich gab es keinerlei Beeinträchtigung oder Gefahr“, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. (mit dpa)

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