
„Kein landespolitischer Bezug“: AfD-Landtagsvizepräsident verhindert Debatte über Rechtsterror im Parlament
Der Landtag von Brandenburg sollte sich in der nächsten Sitzung mit Rechtsterrorismus beschäftigen. AfD-Politiker Andreas Galau sperrte sich dagegen.
Nach dem rechten Mordanschlag im hessischen Hanau soll sich auch der Landtag in Brandenburg auf Antrag der CDU-Fraktion am Donnerstag in der aktuellen Stunde mit dem rechtsextremistischen Terror befassen – doch der Vizepräsident des Landtags, Andreas Galau (AfD), sperrt sich. Nun hat CDU-Fraktionschef Jan Redmann beim Landesverfassungsgericht beantragt, dass Galau zur Zustimmung verpflichtet werden soll.
Der Antrag trägt den Titel „Walter Lübcke, Halle, Hanau – Wehrhafte Demokratie in der Pflicht“. Es soll auch um die Konsequenzen für den Rechtsstaat gehen, also auch in Brandenburg. Ursprünglich hatte die CDU am vergangenen Mittwoch fristgemäß das Thema "Hundert Tage Kenia-Koalition" für die aktuelle Stunde angemeldet. Nach dem Hanau-Anschlag beantragte sie am Freitag die Änderung.
Dazu muss Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) mit ihrem ersten Vize Galau Einvernehmen herstellen. Doch der AfD-Politiker, der im September nur dank zahlreicher Enthaltungen Vizepräsident wurde und bisher als politisch gemäßigt gilt, hat nun seine Zustimmung zur Änderung der Tagesordnung verweigert.
Rechtextremismus "selbstverständlich" auch ein Thema in Brandenburg
Galau sieht bei dem Thema keinen landespolitischen Bezug zu Brandenburg, aber eine politische Instrumentalisierung. Liedtke, die Galaus Auffassung nicht teilt, forderte am Montag von ihrem Vize sogar, seine Haltung schriftlich zu begründen. Denn, so Liedtke, es gehe um das verfassungsrechtlich garantierte Antragsrecht der Abgeordneten und Fraktionen. Die kurzfristige Änderung der Aktuellen Stunde könne nur abgelehnt werden, wenn wichtige und zutreffende Gründe dafür vorliegen.
Galaus Antwort: „Dann haben wir an dieser Stelle leider einen Dissens.“ Galau beruft sich auf seine Pflicht, die Würde des "hohen Hauses" zu bewahren. Die Berichterstattung der vergangenen Tage sei sehr emotional gewesen, von Hass und Wut geprägt, die Emotionalität habe sich auch schon bei "ähnlichen Fällen" in vergangenen Plenardebatten niedergeschlagen.
Eine solche Instrumentalisierung der Hanau-Morde dürfe aus Rücksicht auf die Opfer und die Hinterbliebenen nicht zugelassen werden, erklärte Galau. Die CDU könne die Aktuelle Stunde zu dem Thema auch fristgerecht auf die Tagesordnung der Landtagssitzung Anfang April setzen.
CDU-Fraktionschef Redmann will nun eine einstweilige Anordnung gegen den Vizepräsidenten des Landtages beim Landesverfassungsgericht beantragen. „Wir lassen uns die Behandlung des Themas Rechtsterrorismus durch die AfD nicht verbieten“, sagte Redmann am Montag.

Der Vizepräsident sei zur politischen Neutralität verpflichtet und dürfe keine Parteipolitik betreiben. „Dass Herr Galau die Ereignisse in Hanau nicht einer Parlamentsdebatte für würdig hält, ist eine Herabwürdigung aller Menschen, deren Leben durch rechtsextremen Hass, Radikalisierung und menschenverachtende Ideologien eingeschränkt wird“, sagte Redmann.
Galau füge mit seinem Verhalten dem Amt des Vizepräsidenten Schaden zu. Selbstverständlich sei Rechtsextremismus auch in Brandenburg ein Thema. Daher sei der Landtag in der Pflicht, sich klar und unmissverständlich zu positionieren und über die Herausforderungen für die Sicherheitsbehörden zu sprechen.
SPD fordert Rücktritt, Kalbitz verteidigt
Fraktionsübergreifend ist am Montag auf Galau, dessen Fraktion von AfD-Rechtsaußen und Flügel-Mann Andreas Kalbitz geführt wird, Druck aufgebaut worden. SPD-Fraktionschef Erik Stohn sagte, der Vizepräsident müsse sein Amt unparteiisch ausüben, um die Würde des Parlaments zu wahren. „Wenn sich Herr Galau nicht daran halten will, soll er seinen Posten zur Verfügung stellen“, sagte Stohn.
Kalbitz verteidigte Galaus Vorgehen dagegen als richtig, um die Würde des Parlaments zu wahren, aber auch um „die Opfer sowie ihre Angehörigen vor einer schändlichen Instrumentalisierung des schrecklichen Verbrechens zu schützen“. Es gebe keine landespolitischen Bezug, die „Altparteien“ planten „eine parteipolitische Instrumentalisierung“.
Mit 36 von 88 Stimmen gewählt
Das Führungsduo der Linksfraktion, Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter, sagte: „Galau scheint zu fürchten, dass in einer Aussprache über den rechten Terror in Deutschland auch die rassistische Hetze aus weiten Teilen seiner Partei zum Thema wird. Deshalb handelt er aus parteipolitischem Kalkül.“ Galau trage „die Partikularinteressen der AfD in das überparteiliche Amt“. Die Linke sehe sich darin bestätigt, Galau im September nicht zum Vizepräsidenten mitgewählt zu haben.
Damals hatten von 88 Abgeordneten 36 für Galau gestimmt, gegen ihn 20, bei 31 Enthaltungen. Die AfD-Fraktion verfügt über 23 Sitze. Für die Wahl reichte eine einfache Mehrheit, auch aus den Reihen der CDU bekam er Stimmen. Nach einer Änderung der Landesverfassung in der vergangenen Wahlperiode stand der AfD als zweitstärkster Fraktion der Posten zu, eine Nicht-Wahl hätte die Parlamentsarbeit blockiert. Wegen der rechtlichen Frist für die Ministerpräsidentenwahl hätte das sogar eine Neuwahl nach sich ziehen können.