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Die Revolutionstage im November 1918 waren auch in Schöneberg turbulent.

© Amélie Losier / promo

Ausstellung: Als die Revolution nach Schöneberg kam

Eine Ausstellung im Schöneberg Museum widmet sich der Revolution 1918/1919 und zeigt Biografien von Bürgern aus dem Bezirk.

Der Krieg ist gerade zu Ende. Viele Soldaten sind schwer verwundet heimgekehrt, sind traumatisiert, leiden an den Verheerungen, die der Erste Weltkrieg mit sich gebracht hat, sind entwurzelt. Dennoch blüht in Berlin und im nahen Schöneberg, das seinerzeit noch eine unabhängige Stadt ist, das Amüsement: Das Nachtleben in den Tanzbars und Kneipen ist legendär. Aber nicht allen gefällt es: „Berlin halt ein! Besinne dich, Dein Tänzer ist der Tod“, heißt es auf Plakaten, die eine schwache Berolina in den Armen eines tanzenden Skeletts zeigen. So prangern 1919 konservative Kreise den vermeintlichen Sittenverfall in der Stadt durch ungehemmtes Tanzen und engen Körperkontakt an.

Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Ende des Kaiserreichs ist die politische Ordnung in Deutschland auf den Kopf gestellt worden. Das Land und die Menschen müssen wieder zu sich finden – sowohl in der großen Politik als auch in den Kommunen. Wie sich diese Zeit und das Leben in Schöneberg und der seinerzeitigen Landgemeinde Friedenau, die aber Berlin schon so nahe sind, gestalten, hat das Schöneberg Museum in der Hauptstraße in den Mittelpunkt seiner Ausstellung „Revolution 1918/19 – Schöneberg ringt um Demokratie“ gestellt. Als symbolträchtiges Exponat dafür liegt mitten im Raum die Büste des einstigen Reichskanzlers Otto von Bismarck, die vermutlich in den Revolutionstagen im Rathaus Schöneberg vom Sockel gestoßen wurde.

Fünf Biografien Schöneberger und Friedenauer Bürger

Die Ausstellung anlässlich des 100. Jahrestags des Kriegsendes versucht, die Ereignisse dieser Zeit vor allem an Hand von fünf Biografien Schöneberger und Friedenauer Bürger mit verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Hintergründen nachzuvollziehen. Sie widmet sich den Befürwortern und Gegnern der Republik, die zunächst vom Sozialdemokraten Philipp Scheidemann und kurz darauf vom Sozialisten Karl Liebknecht ausgerufen worden war. Den radikalen Kräften und den bürgerlichen. Da ist zum einen die Spartakistin und Journalistin Gertrud Alexander aus Friedenau, Anhängerin von Rosa Luxemburg. Sie will radikale Veränderungen erreichen. Auf der anderen Seite Otto Dibelius als konservativer Pfarrer, der die Umbrüche im Staat fürchtet.

Elly Heuss-Knapp, die Frau des späteren ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss, kommt aus dem Bürgertum, wirbt schnell für das neue Frauenwahlrecht. Joseph Ekwe Bilé fordert mit anderen Migranten aus den ehemaligen Kolonien mehr Rechte für schwarze Menschen in der jungen Republik. Der Sozialdemokrat Hermann Molkenbuhr befürwortet eine zügige Demokratisierung und lässt sich in die Nationalversammlung wählen.

Aber es geht in der Ausstellung nicht nur um politische Veränderungen, sondern auch um gesellschaftlichen Wandel. Fotos und Plakate dokumentieren dies. „Die Freundschaft – Zeitschrift für Aufklärung und geistige Hebung der idealen Freundschaft“ fordert schon 1919 in ihrer ersten Nummer die Aufhebung des Paragrafen 175, der homosexuelle Handlungen unter Strafe stellt. Ein wichtiges Thema schon damals im Schöneberger Kiez rund um den Nollendorfplatz, der auch heute das Zentrum des queeren Lebens ist. Erst nach langen Jahren in der Bundesrepublik – im Jahr 1994 – fällt der Paragraf.

Schöneberg Museum, Hauptstraße 40-42, Montag bis Donnerstag, Samstag, Sonntag 14-18 Uhr, Freitag 9-14 Uhr. Bis 11. November. Infos übers Begleitprogramm: museen-tempelhof.schoeneberg.de

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