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Raue Umgebung, aggressive Stimmung. In den Berliner Justizvollzugsanstalten werden vor allem weibliche Bedienstete von Häftlingen überaus despektierlich, teilweise sogar sehr aggressiv behandelt.

© Thilo Rückeis

Update

Gewalt in Gefängnissen: Angriffe auf Berliner JVA-Beamte nehmen zu

Bespuckt, beleidigt, bedroht: Bedienstete in Berlins Haftanstalten werden immer häufiger Ziel verbaler und körperlicher Attacken. Besonders Frauen sind betroffen. Viele der Aggressoren kommen aus Nordafrika.

Die Nachricht war wohl nicht bloß als kollegialer Hinweis gedacht, sie hatte den Charakter einer Warnung. In der Justizvollzugsanstalt Moabit, wo vor allem Untersuchungshäftlinge sitzen, würden diverse Gefangene das Vollzugspersonal übel behandeln. Das ganze Programm: Spucken, Beleidigungen, Anweisungen würden nicht befolgt. Das betreffe sowohl Beamtinnen als auch Beamte. Aber die Frauen würden besonders schlimm behandelt.

Die Nachricht war Thema einer Frühbesprechung in der JVA Tegel, sie wurde dort vorgelesen und besprochen. Leitende Mitarbeiter sitzen in dieser Runde zusammen, eine wöchentliche Informationsveranstaltung. Und häufig geht es um außergewöhnliche Informationen. An diesem Tag im Spätherbst 2016 war der Hinweis aus Moabit die ungewöhnliche Information. Ein langjähriger Mitarbeiter, der in dieser Besprechung saß, sagt dem Tagesspiegel: „Das war eine Warnung an uns. Uns wurde gesagt, wir sollten uns vorbereiten, was passieren kann, wenn ein paar dieser Leute zu uns kommen.“ In Tegel sitzen nur Häftlinge, die rechtskräftig verurteilt sind.

4700 Menschen inhaftiert, darunter nur 260 Frauen

Es ist ein Problem, das hinter den dicken Gefängnismauern eher außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung grassiert: die frauenfeindliche Behandlung von Vollzugsbediensteten. Jetzt wird wieder bekannt, dass sich Mitarbeiterinnen der JVA Moabit über massive verbale Angriffe und teilweise sogar körperliche Drohungen beschwert haben. Häufig kommen die Täter aus Ländern, in denen ein Frauenbild dominiert, demzufolge Frauen weniger Rechte als Männer haben. „Es wurden ausschließlich Nordafrikaner als diejenigen genannt, die solche erheblichen Probleme machen“, sagt der langjährige Tegel-Mitarbeiter.

Fünf Männer-Haftanstalten für den geschlossenen Vollzug gibt es in Berlin, dazu noch eine Anstalt für Jugendliche und eine für Frauen. Derzeit sind 4700 Menschen inhaftiert, darunter sind nur 260 Frauen. 420 Häftlinge sind Jugendliche. Rund 50 Prozent aller Häftlingen haben einen Migrationshintergrund. In Tegel sind derzeit 25 Prozent des Justizpersonals weiblich, in Berlins größtem Männergefängnis arbeiten 90 Frauen und und 267 Männer im Vollzugsdienst, darunter auch Führungskräfte. So wird das Haus für Sicherungsverwahrte seit Jahren von einer Frau geleitet. Seit den 90ern arbeiten Frauen im Vollzugsdienst, dies habe das Klima erheblich verbessert, sagte ein Beamter in Tegel: "Mehr Frauen dürfen es aber nicht sein." So sei häufig Kraft erforderlich, um schwierige, gewalttätige Gefangene zu bändigen.

In Tegel sind 25 Prozent des Vollzugspersonals weiblich

Respektloses Verhalten gegenüber Vollzugsbeamtinnen ist nicht neu. Und die Senats-Justizverwaltung weist daraufhin, dass auch deutsche Gefangene Bedienstete abfällig oder aggressiv behandeln. Den brutalsten Übergriff beging der aus der DDR stammende Raymond S. im Jahr 2015. Der wegen Doppelmordes zu lebenslänglicher Haft verurteilte Mann hatte die Pfarrerin der JVA Tegel in ihrem Büro angegriffen und versucht zu vergewaltigen. Der Tagesspiegel hatte den Vorfall öffentlich gemacht.

Nun hat sich das Problem hat sich offenbar verschärft; ob dies mit der Flüchtlingswelle zu tun hat, ist schwer zu sagen. Auffällig ist auf jeden Fall der zeitliche Zusammenhang. In Tegel ist ein hoher Prozentsatz des Vollzugspersonals weiblich. „Natürlich gab es da immer wieder mal Vorfälle“, sagt der langjährige Mitarbeiter. „Aber dass wir regelrecht eine Warnung aus einer anderen Haftanstalt erhalten haben, das habe ich noch nie erlebt.“

Ein anderer Mitarbeiter von Tegel, seit Jahren in der JVA, erzählt Ähnliches. „Vor allem Leute, die erst seit einem oder zwei Jahren in Deutschland sind, haben ein völlig anderes Frauenbild. Die haben ja zu Hause nie weibliche Polizisten oder überhaupt Autoritäten erlebt.“ Wenn er solchen Häftlingen dann erzähle, dass er ein anderes Frauenbild habe als sie, dann höre er als Antwort immer wieder den Satz: „Dann bist du kein richtiger Mann.“

Der Mitarbeiter hat engen Kontakt mit Vollzugsbeamtinnen aus anderen Gefängnissen in Berlin. „Vor allem Frauen, die in der Jugend-Haftanstalt arbeiten, erzählen häufig, dass sie als Hure, Fotze oder Schlampe bezeichnet würden“, sagt er. Mitunter sind das einige der wenigen deutschen Wörter, welche die rabiaten Häftlinge überhaupt kennen.

Die Justizverwaltung teilte auf Anfrage mit, dass die Mitarbeitenden in den Anstalten "durch eine gute Ausbildung und Fortbildungen im Umgang auch mit Gefangenen aus anderen Ländern vorbereitet" werden. "Gerade bei körperlichen Auseinandersetzungen spielen aber Sprachbarrieren eine große Rolle und erschweren häufig eine Deeskalation. Nicht immer sind Dolmetscher in kritischen Situationen sofort verfügbar", hieß es weiter.

Die Anstalt erstattet dann, je nach Situation, Anzeige

Die Gegenreaktion auf Beleidigungen oder körperliche Angriffe ist erstmal eine interne Meldung. Die Anstalt erstattet dann, je nach Situation, Anzeige. In der JVA Tegel wird das strikt gehandhabt. Der Häftling wird unterschiedlich sanktioniert. Er kann einen Verweis erhalten oder er wird für eine gewisse Zeit in einen besonders gesicherten Haftraum gesperrt. Der Justizverwaltung ist allerdings in den vergangenen Jahren kein Fall bekannt, in denen eine Bedienstete wegen verbaler oder körperlicher Angriffe um eine Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz gebeten habe.

Vor kurzem sprach der langjährige Mitarbeiter in Tegel einen Häftling mit Migrationshintergrund auf dessen Vorstrafe an. „Was haben Sie denn gemacht?“, fragte er. Die Antwort lautete: „Ich habe eine Bedienstete in einem anderen Gefängnis sexuell genötigt.“

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