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Viele Teilnehmer sind Anhänger der schiitischen Hisbollah, die von Teheran finanziert wird.

© imago/Christian Mang

Antisemitische Demo in Berlin: Wer steckt hinter dem Al-Quds-Marsch?

Samstag zieht der alljährliche Al-Quds-Marsch durch Berlin. Unter den Teilnehmern finden sich viele Anhänger der Hisbollah - und deutsche Männer, die absurde Lügen verbreiten.

Wenn die Demonstration am Sonnabend auf Außenstehende halbwegs gemäßigt wirkt, liegt das vor allem an den strengen Auflagen der Polizei. Es ist untersagt, Puppen zu verbrennen. Es darf nicht offen zu Entführungen oder Mord aufgerufen werden. Die Teilnehmer sollen auch nicht „Zionisten ins Gas“ skandieren oder „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein“. Alles Dinge, die in früheren Jahren passiert sind.

Sechs Monate nach den angezündeten Davidsternen, zwei nach der Attacke auf einen Kippaträger in Prenzlauer Berg werden am Wochenende hunderte Israelhasser und Antisemiten durch die City-West ziehen. Anlass ist der sogenannte Al-Quds-Marsch – und dessen Hauptforderung so brutal wie eindeutig: Der jüdische Staat soll ausgelöscht werden.

Unter den Teilnehmern finden sich Unterstützer von Terrorgruppen wie Hamas oder PFLP, besonders jedoch der Hisbollah. Auf der offiziellen Webseite der Veranstaltung liest man davon nichts, dafür aber die Behauptung, der Marsch trete für „Frieden auf der ganzen Welt“ ein. Das wirkt umso bizarrer, wenn man sich dessen wichtigste Köpfe anschaut.

Einer heißt Jürgen Grassmann. Er ist Sprecher der „Quds AG“, die den Aufmarsch angemeldet hat. Grassmann betreibt in der Kaiser-Friedrich-Straße unweit vom Charlottenburger Schloss einen Ikonenhandel. An den Wänden seines Geschäfts hängen russische Heiligenbilder aus Holz und Bronze. Grassmann hat sich auf Motive spezialisiert, die zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert entstanden sind.

"Israel ist der Schuldige an allem Übel in dieser Welt"

Dem Tagesspiegel will er kein Interview geben. Doch im Internet gibt es einige Mitschnitte seiner Reden, die keinen Zweifel an seiner Gesinnung lassen. Grassmanns Israelhass hat wahnhafte Züge. Er glaubt zum Beispiel, der jüdische Staat sei Schuld daran, dass die Terrororganisation Islamischer Staat auf Sklavenmärkten Mädchen verkaufe.

Oder dass in den 1980er Jahren tausende Kurden durch Chemiewaffen ermordet wurden. Oder dass es weltweit Millionen Tote und Flüchtlinge durch Bürgerkriege gebe. Seine Überzeugung fasst Grassmann in einem Satz zusammen: „Israel ist der Schuldige an allem Übel in dieser Welt.“

Jürgen Grassmann (rechts) will den Staat Israel abschaffen. Ansonsten betreibt er in Charlottenburg einen Ikonenhandel.
Jürgen Grassmann (rechts) will den Staat Israel abschaffen. Ansonsten betreibt er in Charlottenburg einen Ikonenhandel.

© imago/ZUMA Press

Der Berliner ist vor Jahren zum schiitischen Islam konvertiert. Er bewundert den verstorbenen iranischen Revolutionsführer Ayatollah Chomeini, hielt vor dessen Mausoleum eine Lobrede. Chomeini war es auch, der 1979 den jährlichen Quds-Tag initiierte – um die Welt am Ende des Fastenmonats Ramadan daran zu erinnern, dass der jüdische Staat ausgerottet und Al-Quds, das arabische Wort für Jerusalem, erobert werden müsse.

Laut Verfassungsschutz ist der Marsch einer der wenigen Tage im Jahr, in dem sich die Berliner Mitglieder der Hisbollah öffentlich zu erkennen geben. Rund 250 gibt es in der Stadt. Das Emblem der Gruppe, ein in die Luft gerecktes Sturmgewehr, darf eigentlich nicht gezeigt werden. Im vergangenen Jahr sah man es trotzdem mehrfach, ohne dass die Polizei einschritt.

Beobachter fürchten, die diesjährige Demonstration könne mehr Teilnehmer anziehen als sonst, etwa wegen der Botschaftsverlegung der USA oder des Streits um das iranische Atomprogramm. Die Polizei will sich frühestens nach ihrer Lagebesprechung am Freitag dazu äußern. Angemeldet sind 2000 Teilnehmer.

Breite Gegendemo aus fast allen politischen Lagern

Der Marsch der Israelfeinde startet am Adenauerplatz, diverse antifaschistische Gruppen rufen ab 12 Uhr am U-Bahnhof Wilmersdorfer Straße zu Gegenprotesten auf, ein breites bürgerliches Bündnis startet um 13.30 Uhr am Nollendorfplatz. Dass neben SPD, CDU, Linke, FDP und Grünen auch der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg gegen den Quds-Tag demonstrieren will, ist für Jürgen Grassmann von der „Quds AG“ nur logisch: In seinem neuesten Video behauptet er, die Homosexuellen würden seit Jahrzehnten „weltweit von Zionisten organisiert“.

Felix Klein, der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, fände ein Verbot des Marsches richtig, weiß aber um die hohen gesetzlichen Hürden. Der Ex-Bundestagsabgeordnete Volker Beck fordert alle muslimischen Verbände auf, sich vom Quds-Marsch zu distanzieren.

Besonders die „Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands“ (IGS), deren Mitglieder sich jedes Jahr zahlreich beteiligen, müsse endlich aktiv werden. „Wenn sie sich tatsächlich als demokratische Religionsgemeinschaft versteht, sollte sie dringend dazu aufrufen, dieser üblen antisemitischen Veranstaltung fernzubleiben.“ Eine Anfrage des Tagesspiegels ließ die IGS am Mittwoch unbeantwortet.

Zu den wichtigsten Rednern der Demo zählt neben Jürgen Grassmann auch der der Potsdamer Verschwörungstheoretiker Christoph Hörstel. Der 61-Jährige glaubt, Angela Merkel sei Israel gegenüber positiv eingestellt, weil sie jüdische Vorfahren habe. Vereint mit geheimen Mächten habe sie gezielt die Flüchtlingskrise von 2015 vorbereitet, um Deutschland „kaputtzumachen“ und einen Bürgerkrieg zu starten. Unter den Geflüchteten befänden sich „30.000 Terroristen, Häuserkämpfer und Mörder“.

Der Potsdamer Verschwörungstheoretiker Christoph Hörstel glaubt, Angela Merkel habe jüdische Vorfahren.
Der Potsdamer Verschwörungstheoretiker Christoph Hörstel glaubt, Angela Merkel habe jüdische Vorfahren.

© imago/Christian Ditsch

Christoph Hörstel nennt sich selbst „Publizist und Berater“, muss nach eigenen Angaben von Hartz-IV leben, da er aufgrund seiner politischen Überzeugungen in Deutschland diskriminiert werde. Neuerdings vertritt er eine noch drastischere Verschwörungstheorie: In einem aktuellen Video behauptet er, die Herrschaft des Nationalsozialismus sei von langer Hand von Zionisten vorbereitet worden – also von Juden, die Gründe für die Schaffung des Staates Israel brauchten.

Hörstel glaubt, Adolf Hitler sei „Agent des Zionismus“ gewesen, wäre ohne „zionistisches Geld nie an die Macht gekommen“. Juden hätten Hitler auch dazu gedrängt, Frankreich anzugreifen.

In den vergangenen Jahren kam es am Rand des Quds-Marsches wiederholt zu Angriffen auf kippatragende Menschen. Doch es gibt noch einen weiteren Effekt, sagt Benjamin Steinitz von der Berliner Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias): Veranstaltungen, auf denen offener Antisemitismus propagiert werde, trügen immer zu einem Klima bei, in dem „Gewalt gegen Personen wahrscheinlicher wird, die als jüdisch oder pro-israelisch identifiziert werden“.

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Was alle Wortführer des Marsches eint, ist die Behauptung, gar nicht antisemitisch zu sein. Plakate mit Slogans wie „Rabbi trinkt Kinderblut, tote Kinder landen bei McDonald's“ und Sprüche wie „Verdammt seien die Juden“ seien entweder missverständlich formuliert oder von israelfreundlichen Provokateuren untergejubelt. 

Die Veranstalter verweisen zudem gern darauf, dass auch Juden beim Quds-Marsch mitlaufen dürfen. Dies ist wahr – und gleichzeitig perfide. Tatsächlich nehmen jedes Jahr eine Handvoll orthodox gekleideter Männer an der Demonstration teil, sie werden öffentlichkeitswirksam in der ersten Reihe präsentiert oder direkt vor dem Lautsprecherwagen.

Sie gehören „Neturei Karta“ an, einer kleinen, radikalen Sekte, die den Holocaust als Strafe Gottes gegen die Juden begreift und Adolf Hitler als Gottes Werkzeug. Ihrer Meinung nach müsse der jüdische Staat zerstört werden. Jürgen Grassmann bezeichnet sie deshalb als „die echten Juden“.

Auch Christoph Hörstel, der Verschwörungstheoretiker aus Potsdam, will sich nicht Antisemit nennen lassen. Nachdem der Staat Israel abgeschafft sei, sollten die verbliebenen Juden der Region unter muslimischer Herrschaft weiterleben dürfen, sagt er. Christoph Hörstel behauptet, er habe darüber bereits mit der Hamas gesprochen. Die sei bereit, sich für die Sicherheit der Juden einzusetzen.

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