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Rund um Thälmanns Denkmal errichtete die DDR 1987 eine Muster-Plattenbausiedlung. Heute entspannen sich viele Prenzlauer Berger im Park am Planetarium.

© Kitty Kleist-Heinrich

Neugestaltung am Ernst-Thälmann-Park: Anwohner befürchten steigende Mieten und Verdrängung

Ernst Thälmann steht hier immer noch. Nun soll sich der DDR-Neubaupark in Prenzlauer Berg neu erfinden – und die Anwohner fürchten um ihre Welt.

Viel Grün, viel Platz, viel Geschichte. Hier kann man noch was gestalten. So dachte es sich die DDR-Führung, als 1987 der Ernst-Thälmann-Park eröffnet wurde. Heute blättert der Lack vom sozialistischen Hochhausprojekt im Zentrum der Stadt ab. Nun kann man wieder gestalten – denn wo gibt es sonst noch große Flächen in Prenzlauer Berg, die noch entwickelt werden können? Neu entwickelt. Weiter entwickelt. Gegen Widerstände entwickelt?

Es ist wie fast überall in der Innenstadt: Investoren reißen sich um freie Flächen – auch um neue Wohnungen zu bauen. Anwohner haben Angst vor steigenden Mieten und Verdrängung. Der Bezirk Pankow will nun mit einem Entwicklungskonzept einen Weg in die Zukunft weisen. Doch in der Gegenwart bangen die Kultureinrichtungen um ihre Existenz. Und die Mieter um ihre Wohnwelt zwischen Greifswalder Straße, Prenzlauer Allee, Danziger Straße und S-Bahn-Ring.

Der Ernst-Thälmann-Park wurde 1987 als Prestigeobjekt zur 750-Jahr-Feier Berlins errichtet, nachdem zuvor das dortige Gaswerk abgerissen wurde. Die Mischung aus Wohnungen, Grünflächen, Kultur, bezirklichen Einrichtungen und Gewerbe war so einzigartig, dass sogar Sowjetchef Michail Gorbatschow vorbeikam. Die heutige Kanzlerin Angela Merkel entspannte regelmäßig in der Schwimmhalle, sie wohnte um die Ecke an der Schönhauser Allee. Als die Mauer fiel, schwitzte Merkel, damals 35 Jahre alt, gerade in der Sauna. Anschließend marschierte sie am von Massen bestürmten Grenzübergang Bornholmer Straße in den Westen. Im Osten des Areals, an der Greifswalder Straße, thront das 50 Tonnen schwere Denkmal des von den Nazis ermordeten Kommunistenführers Ernst Thälmann über einem einstigen Aufmarschplatz. Heute treffen sich dort Skater, Jugendliche und Trinker.

Das soll nicht so bleiben. „Wir wollen Missstände und Sanierungsbedarf herausfinden“, sagt Jens-Holger Kirchner (Grüne), Stadtrat für Stadtentwicklung. Dazu spreche das beauftragte Büro „Stattbau“ mit sämtlichen Eigentümern, Bewohnern, Einrichtungen und Gewerbetreibenden. Wo sind Neubauten sinnvoll? Wie kann man das Bezirksamt in der Fröbelstraße umnutzen? Was soll aus dem Vivantes-Klinikum werden? Die Planer sollen auch herausfinden, was die Sanierung der Grundschule am Planetarium sowie von Sport-, Jugend- und Freizeitflächen kosten würde. Gegen Jahresende soll ein Leitbild für das Gelände stehen. Die Bürger sollen mitreden.

In den Plattenbauten aber herrscht Angst. Die Anwohner befürchten steigende Mieten und eine Aufwertung des Areals. „Wir wollen nicht, dass es zu massiver Verdrängung kommt“, sagt Markus Seng von der Anwohnerinitiative. Seng lebt in einer Platte in der Ella-Kay-Straße und will mit 40 Mitstreitern den Kiez mitgestalten. Denn saniert wird hier in jedem Fall. Die städtische Gewobag kündigte an, 650 Wohnungen und sechs Gewerbeobjekte zwischen 2016 und 2018 energetisch zu erneuern. Das Unternehmen würde im Thälmann-Park gerne neu bauen. Man befinde sich bereits „in der Planungsphase“, sagt eine Sprecherin.

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Warten auf die nächste Wende.
Warten auf die nächste Wende.

© Kitty Kleist-Heinrich

Auch die Kulturobjekte brauchen mehr als nur neuen Lack. Der Bezirk möchte das Jugendfreizeitzentrum Wabe, die Galerie Parterre und das Theater unterm Dach treuhänderisch an die gemeinnützige Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) abgeben. Dann muss die GSE sanieren, der finanziell klamme Bezirk wäre nur der Mieter. Ein Vertrag existiert bis heute nicht. Im Bezirksamt heißt es, die GSE zweifele, das Areal wirtschaftlich betreiben zu können. „Wir denken, dass das möglich ist“, sagt die für Immobilien zuständige Stadträtin Christine Keil (Linke). Die Künstler verlangen endlich Klarheit. „Wir haben zwei Jahre lang um die Existenz gekämpft“, sagt Jens Becker vom Aktionsbündnis Berliner Künstler. Im Gegensatz zu der von der GSE angekündigten stückchenweisen Sanierung hofft Becker auf eine umfassende Erneuerung. Beispiele gefällig? Sanitäre Anlagen müsste man herrichten, das Haus mit dem Theater unterm Dach besser isolieren. Derzeit könne die Jugend nicht proben, wenn das Theater im Stockwerk darüber eine Vorstellung gebe – zu laut. Und wenn die Wabe besser lärmgedämmt würde, könne man im Rosengarten eine weitere Spielstätte eröffnen.

Würde, könnte, hätte. Vieles ist noch offen am Thälmann-Park. Derzeit ruht auch die Entwicklung am alten Güterbahnhof. Die 28 000 Quadratmeter große Fläche südlich des S-Bahn-Rings hatte Investor Christian Gérôme gekauft, der sie gemeinsam mit der Sanus AG entwickeln will. Geplant sind zwei achtzehnstöckige Hochhäuser an der Greifswalder Straße sowie Townhouses mit insgesamt 400 Wohnungen. „Ich plane, eine Gartenstadt zu entwickeln“, sagt Gérôme auf Anfrage. Die Wohnungen sollen sich allesamt „im unteren Preissegment“ bewegen und teilweise zum Selbstausbau sein. Die Anwohnerinitiative befürchtet dagegen „hochpreisiges Wohnen“, sagt Seng. Eine Baugenehmigung existiert noch nicht. Für Gespräche mit Anwohnern sei er offen, sagt Gérôme. Man habe ihn bisher nicht eingeladen. Vor kurzem hat Gérôme ein weiteres großes Grundstück östlich der Greifswalder Straße erworben.

Am verrottenden Güterbahnhof will ein Investor bauen – moderne Hochhäuser und Townhouses.
Am verrottenden Güterbahnhof will ein Investor bauen – moderne Hochhäuser und Townhouses.

© Kitty Kleist-Heinrich

Stadtrat Kirchner will „so sozialverträglich wie möglich sanieren“. Er würde gern die Gegend vom Senat zum Sanierungsgebiet erklären lassen. Dann könnte man Fördermittel bekommen, Grundstücksgeschäfte steuern und die Mietpreise deckeln – wenn der Senat denn mitspielt. Auch die Grünflächen will der Stadtrat sichern. Die Zukunft des Bezirksamts an der Fröbelstraße sei noch unklar. Neue Wohnungen könnten hier entstehen, die Bürgerinitiative lehnt aber einige Standorte ab. Ihre Wünsche formulieren die Anwohner derzeit in Arbeitsgruppen, sie tragen Namen wie „AG Mieten und Verdrängung“ und „AG Altlasten“. Altlasten sind noch so eine Sorge. Der Boden am Jugendtreff Wabe sei in einer Tiefe zwischen vier und 20 Metern verseucht, wie die Senatsverwaltung für Umwelt mitteilte. Die giftigen Stoffe, aromatische Kohlenwasserstoffe („BTEX“), sind sogar bis zur Christburger Straße im Winskiez nachweisbar. BTEX können die Leber zerstören, chronische Nervenschäden verursachen und Krebs hervorrufen. Gefahren für die Bevölkerung gibt es laut Senatsverwaltung aber keine. Die Schadstoffe kamen aus der Benzolanlage des alten Gaswerks.

Viel Grün, viel Platz, viel Geschichte. Hier kann man noch was gestalten, oder? Stadtrat Kirchner jedenfalls findet neue Hochhäuser inmitten des Parks gut, lehnt jedoch Townhouses ab. „Die gehören da nicht hin. Das ist Stadt, nicht Vorstadt.“ Oder, einfach gesagt: Ernst Thälmann steht mitten in der Innenstadt, inmitten der Debatten der neuen Zeit.

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