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Ein Helfer sammelt einen toten Kranich auf und wirft ihn in eine Traktorschaufel. Die auch als Vogelgrippe bezeichnete Geflügelpest hat sich mittlerweile fast über ganz Deutschland ausgebreitet.

© dpa/Christophe Gateau

Update

Auch Fälle in Berlin bestätigt: Vogelgrippe breitet sich in Brandenburg aus – 130.000 Tiere müssen getötet werden

Das Ausmaß der Vogelgrippe versetzt Brandenburg in Alarmbereitschaft. Jetzt sind große Geflügel-Anlagen mit zehntausenden Tieren betroffen. In Berlin gibt es 14 neue Verdachtsfälle.

Stand:

In zwei Geflügelbetrieben im Landkreis Märkisch-Oderland müssen rund 130.000 Tiere infolge der Vogelgrippe getötet werden. Das sagte eine Sprecherin der Kreisverwaltung der Deutschen Presse-Agentur am Morgen. Bislang hatte der Landkreis von 35.000 und 50.000 Tieren gesprochen.

Nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) haben bislang mehr als 30 kommerzielle Geflügelhalter bundesweit ihre Tiere töten müssen. Der Schaden für betroffene Betriebe geht insgesamt in die Millionen.

Um die weitere Ausbreitung der Tierseuche möglichst einzudämmen, seien ersten Erhebungen zufolge etwa 400.000 Hühner, Enten, Gänse und Puten gekeult und anschließend entsorgt worden, sagte eine Sprecherin des für Tiergesundheit zuständigen FLI mit Sitz in Greifswald auf Anfrage.

„Ähnliche Zahlen hatten wir bereits 2021, dem bisher stärksten "Geflügelpest-Jahr". Wie sich die Situation weiter entwickelt, ist nicht abzusehen, auf jeden Fall rechnet das FLI mit einer weiteren Zunahme der Ausbrüche und Fälle“, sagte Instituts-Präsidentin Professor Christa Kühn. „Wir sehen nach wie vor ein sehr dynamisches Geschehen.“

Fünf Brandenburger Geflügelbestände betroffen

Laut Landwirtschaftsministerium sind in Brandenburg mittlerweile fünf Geflügelbestände vom Vogelgrippe-Ausbruch betroffen, wie der RBB berichtet.

Mit der Tötung sollte am Sonntagvormittag bei den 80.000 Enten in Neuhardenberg begonnen werden, sagte die Sprecherin. Nach Laboranalysen sei inzwischen klar, dass nicht 35.000 Tiere des Betriebs, sondern alle gekeult werden müssten. „Das ist heute nicht alles zu schaffen.“ 

In dem zweiten Betrieb in Neutrebbin sei die Tötung von 50.000 Tieren angeordnet worden. „Das wird in den nächsten Tagen stattfinden“, sagte die Sprecherin. Es sei aufwendig, so viele Tiere zu töten.

Die Tiere werden in Ställen gehalten. Wie das hoch ansteckende Virus H5N1 genau eintragen wurde, war laut Landkreis bislang nicht bekannt.

In diesem Geflügelzuchtbetrieb in Neuhardenberg ist die Geflügelpest ausgebrochen, am Sonntagvormittag soll dort mit der Tötung von 80.000 Enten begonnen werden.

© dpa/Frank Hammerschmidt

Auch im Linumer Teichland im Nordwesten Brandenburgs bergen Helfer angesichts des massenhaften Sterbens von Kranichen weitere Kadaver. Das Naturschutzgebiet gilt als einer der größten Rastplätze für Zugvögel in Europa.

„Es ist keine überraschende Seuche – überraschend ist das Ausmaß“, sagte der stellvertretende Landrat Friedemann Hanke (CDU). Wie der Erreger in die Ställe kam, sei noch unklar.

Institut bestätigt Vogelgrippe-Fälle in Berlin

Die Vogelgrippe erreicht auch Berlin: Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) hat die ersten Berliner Vogelgrippe-Fälle in der aktuell grassierenden Seuchenwelle bestätigt. Das teilte die Senatsverwaltung für Justiz mit. Das Landeslabor Berlin-Brandenburg hatte das Virus zuvor bei zwei verendeten Kranichen festgestellt. Das FLI hat nun die Proben der beiden Verdachtsfälle ausgewertet und das Virus nachweisen können.

Der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz zufolge wurden die Tiere im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg aufgefunden. Nach einem RBB-Bericht gibt es inzwischen 14 neue Verdachtsfälle. Betroffen sollen Wildvögel sein, darunter mindestens ein Schwan.

Die Vogelgrippe ist eine hochansteckende und bei vielen Vogel- und Geflügelarten rasch tödlich verlaufende Infektionskrankheit. Die Krankheit breitet sich derzeit in Deutschland stark aus. Auch in Brandenburg gibt es einen Ausbruch der Vogelgrippe bei Kranichen und Geflügelbetrieben.

Laut dem Landesverband des Naturschutzbunds (Nabu) gibt es in Berlin nur eine relativ kleine Kranichpopulation. „Aber natürlich macht das Virus nicht an den Landesgrenzen Halt. Die Zugvögel fliegen auch über Berlin“, sagte eine Sprecherin.

Vogelgrippe-Ausbruch stellt Betriebe vor Herausforderungen

Auch wirtschaftlich macht sich der Ausbruch der Geflügelpest bemerkbar: für den Agrarbetrieb in Neuhardenberg verursacht er nach Angaben des Landkreises Märkisch-Oderland einen Verlust von etwa 500.000 Euro. Einen Teil des Schadens gleiche die Tierseuchenkasse aus, aber nicht alles, sagte der stellvertretende Landrat Friedemann Hanke (CDU). Da die betroffenen Ställe 30 Tage lang gesperrt seien, könne der Betrieb aber auch keine neuen Tiere für das bevorstehende Weihnachtsgeschäft verkaufen. „Es sind schon erhebliche Verluste, die da liegen bleiben.“

Das Kranichsterben im Landkreis Ostprignitz-Ruppin geht indes unvermindert weiter. „Wir gehen davon aus, dass wir inzwischen bei 1200 angekommen sind“, sagte Landrat Rald Reinhardt (SPD) im RBB-Inforadio mit Blick auf die Zahl der verendeten Tiere. „Es ist bedrückend. Die Ehrenamtler, wenn man mit ihnen spricht, sind tatsächlich aufgewühlt.“ Das Aufsammeln der Kadaver führe nicht nur zu körperlicher Erschöpfung, sondern sei auch eine psychische Belastung.

„Wir müssen unbedingt verhindern, dass sich das auf die Geflügelbestände in unserer Region ausweitet“, betonte Reinhardt. Er warnte gleichwohl vor übereilten Schritten – wie etwa das Ausrufen des Krisenfalls durch das Land Brandenburg. Das hätte starke Konsequenzen für die Betriebe. Schon jetzt schränkten die bestehenden Verordnungen infolge des Vogelgrippe-Ausbruchs die Nutztierhalter in großem Umfang ein. „Deswegen muss man da die Gratwanderung genau im Auge behalten.“

Vorsichtsmaßnahme bei Zoo und Tierpark

Nach Angaben der Verbraucherschutzverwaltung ist der derzeit grassierende Vogelgrippe-Subtyp H5N1 in der Vergangenheit in Einzelfällen bei engem Kontakt mit erkrankten Vögeln auch auf den Menschen übertragen worden und hat teils zu Erkrankungen geführt. Die Übertragung von Mensch zu Mensch sei bisher noch nicht nachgewiesen.

Einige Säugetierarten könnten ebenfalls an dem Virus erkranken. Für die Bevölkerung besteht laut FLI derzeit kein besonderes Risiko, dass es zu schwerwiegenden Erkrankungen kommt. Bei grippeähnlichen Symptomen nach engem Geflügelkontakt empfiehlt das Bezirksamt Lichtenberg in einer aktuellen Mitteilung, sich ärztlichen Rat einholen.

Im Zoo und Tierpark gibt es bislang noch keine Fälle von Vogelgrippe, wie Sprecherin Svenja Eisenbarth sagte. Zoo und Tierpark stünden im engen Austausch mit den zuständigen Behörden. Demnach ergreifen sie aus eigenem Antrieb vorsorgliche Maßnahmen zum Schutz der Tierbestände. Empfängliche Vogelarten würden in geschützte Winterquartiere gebracht, teilten Tierpark und Zoo mit. Dies betreffe unter anderem Pelikane, Gänse, Enten, Hühner sowie Geier und weitere Greifvögel.

Volieren im Tierheim werden mit Folie abgedeckt

Das Tierheim Berlin hat seine Hühner zum Schutz bereits am Donnerstag alle in den Stall geschickt, wie Tierheimsprecher Daniel Zellmer der Deutschen Presse-Agentur sagte. Es handle sich um etwa fünf, sechs Tiere.

Zusätzlich würden die Vogelvolieren oben mit Folien abgedeckt. Das soll zum Beispiel verhindern, dass Federn von Wildvögeln ins Gehege gelangen. „Wir sind auf der Hut“, sagte Zellmer. Der Vogelbereich werde gerade umgebaut. Neu ankommende Vögel würden für zwei Wochen isoliert und durchgecheckt, bevor sie zu den anderen Tieren gelassen würden.

Papageien, Wellensittiche oder ähnliche Haustiere werden nach wie vor aufgenommen, Wildvögel aber nicht, zurzeit auch keine Tauben, so Zellmer. Im Unterschied zu Wasser-, Raben- oder Greifvögeln gelten kleinere Singvögel und Tauben als nicht besonders anfällig für den Vogelgrippe-Erreger, wie die Verbraucherschutzverwaltung informiert.

Zoo und Tierpark bleiben offen

Zoo und Tierpark bleiben laut einer Mitteilung wie gewohnt geöffnet. Nur die Flugshow im Tierpark entfalle bis auf Weiteres. Besonders empfängliche Vogelarten werden vorzeitig in ihre Winterquartiere gebracht. Dies betrifft vor allem Pelikane, Gänse, Enten, Hühner sowie Geier und weitere Greifvögel.

„Wir haben umgehend reagiert und umfassende Vorsichtsmaßnahmen in die Wege geleitet“, sagte Senior Kurator im Tierpark Matthias Papies. „Alle Mitarbeitenden sind für die aktuelle Situation sensibilisiert und die betroffenen Tierbereiche wurden besonders gesichert. Der Schutz unserer Tiere hat die oberste Priorität.“ Für Gäste bestehen derzeit keinerlei Einschränkungen. Wegen eines Vogelgrippe-Falls war der Zoo 2022 von November an für mehrere Wochen geschlossen gewesen.

„In dieser Größenordnung einmalig“: Die Vogelgrippe in Brandenburg

Das Vogelsterben ist laut dem Brandenburger Umweltministerium „in dieser Größenordnung einmalig“. In einem Entenmast-Betrieb in Neuhardenberg sollen laut einem aktuellen RBB-Bericht 35.000 Tiere getötet werden. Das ist fast die Hälfte der Tiere in dem Betrieb, insgesamt sind es 80.000 Enten.

Rund 1200 tote Kraniche sind im Rastgebiet an den Linumer Teichen bereits geborgen worden. Die Zahl der toten Wildvögel im Linumer Teichland – im Herbst ein Kranich-Hotspot – könnte sich auf rund 2000 erhöhen, schätzte der Leiter des Artenschutzzentrums in Linum, Norbert Schneeweiß. Der kräftezehrende Einsatz der Helfer zur Beseitigung der Kadaver soll noch Tage dauern.

Geflügelhalter ergreifen weiter Schutzvorkehrungen, um die Tierseuche einzudämmen. In drei Betrieben in Brandenburg sind bislang fast 18.000 Gänse, Enten und Puten getötet worden. In der Agrarbranche wächst die Sorge vor wirtschaftlichen Schäden. Die Tierseuche hat sich nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) mittlerweile fast über ganz Deutschland ausgedehnt. (Tsp, dpa)

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