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Straßenbäume in Berlin mit Blick auf den Fernsehturm.

© Getty Images/Corbis Documentary RF

Bekommt Berlin ein Baum-Gesetz?: Volksbegehren zum Hitzeschutz kann starten

Ein „Bäume-Plus-Gesetz“ soll den Hitzeschutz der Hauptstadt verbessern – mit neuen Parks und hunderttausenden zusätzlichen Bäumen. Der Countdown läuft.

Stand:

Entweder das Abgeordnetenhaus beschließt noch in diesem Jahr ein Gesetz, um die Berliner in künftigen Sommern besser vor Hitze zu schützen – oder die Wähler können es im nächsten Jahr selbst beschließen. Der 2023 gestartete „Baum-Entscheid“ hat nach Auskunft der Initiatoren die rechtliche Prüfung durch den Senat erfolgreich absolviert. Damit ist der Weg frei für die nächsten Schritte bis zu einer möglichen Abstimmung am Tag der nächsten Berlin-Wahl im September 2026.

Sollte das Gesetz umgesetzt werden, würde es die Stadt deutlich verändern: Zu den aktuell noch vorhandenen rund 430.000 Straßenbäumen kämen mindestens 300.000 weitere hinzu. „Alle 15 Meter ein Straßenbaum auf jeder Seite“, beschreibt Mitinitiator Heinrich Strößenreuther das Ziel. Vor allem in den verdichteten und entsprechend hitzebelasteten Kiezen müssten im Abstand von 150 Metern grüne „Kühlinseln“ angelegt werden. Alle 500 Meter müsste ein mindestens einen Hektar großer Park erreichbar sein. Das ergibt nach Auskunft von Strößenreuther rund 1000 Kühlinseln und 100 Parks zusätzlich.

Im Kern geht es darum, dass wir in zehn oder 20 Jahren noch einigermaßen gut hier leben können.

Heinrich Strößenreuther, Mitiniator des Baum-Entscheides

Das neue Grün soll vor allem älteren Menschen ermöglichen, sich auch in immer heißeren Sommern noch durch die Stadt bewegen zu können. Außerdem sollen vor allem jene von Schatten profitieren, die bisher keine leicht erreichbare Zuflucht vor ihren überhitzten Mietwohnungen haben. „Im Kern geht es darum, dass wir in zehn oder 20 Jahren noch einigermaßen gut hier leben können“, sagt Strößenreuther.

Die SPD hat Zustimmung signalisiert, die CDU ist skeptisch

Gut ein halbes Jahr lang hat die Innenverwaltung den Gesetzentwurf auf rechtliche Zulässigkeit geprüft, etwa auf Widersprüche zu Bundesrecht. Das Gesetz sei dabei nicht verwässert und „eher noch besser geworden“, konstatiert Strößenreuther und lobt die Zusammenarbeit mit der Innenverwaltung. Als nächsten Schritt müsse die Verkehrsverwaltung bis Ende Juli eine Senatsposition zu dem Gesetz erarbeiten. Danach habe das Abgeordnetenhaus vier Monate Zeit, das Gesetz zu beschließen. Da die SPD bereits Zustimmung signalisiert hat und die CDU skeptisch ist, könnte das Thema die Koalition belasten.

Berlins Straßenbäume leiden unter der Klimakrise. Der „Volksentscheid Baum“ will erreichen, dass die Stadt insgesamt grüner und schattiger wird.

© Stefan Jacobs

Wo Baumscheiben leer bleiben, dürfen die Bürger aktiv werden

Sofern das Parlament den Entwurf nicht übernimmt, müsste die Initiative ab Januar rund 250.000 Unterschriften sammeln, um den Volksentscheid im September zu veranlassen. Die nötige Zustimmung dürfte mühelos erreichbar sein. Strößenreuther schwärmt von „einer Million Schrebergärten direkt vor den Haustüren“ – womit die künftig größeren Baumscheiben gemeint sind, die von Anwohnern bepflanzt werden dürfen, wie es der Bezirk Tempelhof-Schöneberg per Gestaltungsvereinbarung schon jetzt ermöglicht. Wo Baumscheiben lange leer bleiben, dürfen Bürger auch selbst Bäume nachpflanzen – allerdings anders als im ursprünglichen Entwurf nicht auf eigene Faust, sondern mit fachkundigem Personal und gemäß einer Liste geeigneter Baumarten. Die Pflege muss dann der Bezirk übernehmen.

7,5
Milliarden Euro soll die Umsetzung des Baum-Gesetzes bis 2040 kosten.

Einklagbar ist die Umsetzung des Gesetzes nicht, sodass die Fortschritte von der finanziellen und politischen Lage abhängen können wie beim – ebenfalls auch von Strößenreuther initiierten – Mobilitätsgesetz. Anders als bei dem ist aber beim Baum-Gesetz eine Prüfungsinstanz in Gestalt eines „Kontrollrates Klimaanpassung“ vorgesehen. Dieser Rat soll regelmäßig die erreichten Fortschritte mit dem Soll abgleichen und dadurch Druck erzeugen, wenn die Umsetzung schleift.

Bei der Schätzung der Umsetzungskosten waren sich Initiative und Senat nach Auskunft von Strößenreuther einig: 7,2 bis 7,5 Milliarden Euro bis 2040, also rund 500 Millionen Euro pro Jahr. Das entspreche rund zehn Prozent des Berliner Investitionshaushaltes, sagen die Initiatoren und verweisen darauf, dass die Folgekosten unterlassener Klimaanpassung noch viel höher wären.

Das eigentliche Konfliktpotenzial des Gesetzes dürfte sich erst bei der praktischen Umsetzung erweisen, wenn etwa Grünflächen mit Parkplätzen konkurrieren. Platz kann auch die lokale Versickerung des Regenwassers erfordern, das bisher in der City großenteils durch die Kanalisation abfließt. Perspektivisch soll laut dem Gesetzentwurf die Hälfte des Regens aufgefangen und zur Bewässerung genutzt werden.

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