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Zwei Männer sitzen beim Sonnenuntergang auf der Modersohnbrücke in Berlin.

© dpa/Marcel Kusch

Berlin ist gar nicht so schlimm, wie Deutschland denkt!: Fünf Schritte, um die Hauptstadt lieben zu lernen

Bei einer aktuellen Umfrage kam heraus: Menschen aus ganz Deutschland finden uns Berlinerinnen und Berliner nicht sympathisch. Können wir sie umstimmen?

Stand:

Keiner mag uns. „Wie sympathisch sind Ihnen Menschen aus den anderen Bundesländern?“, fragte die Freie Universität Berlin ganz Deutschland. Und die Berliner kamen schlecht weg.

Wie ein Experte erklärt, liegt das wohl zum Teil daran, dass man Berlin mit dem Regierungssitz assoziiert. Zumindest ein bisschen Berlinablehnung gilt also immerhin den Politikern und nicht uns Stadtbewohnerinnen und -bewohnern.

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Zum anderen hält sich deutschlandweit das Vorurteil, dass in der Hauptstadt nichts funktioniert. Wir wissen: In jedem Vorurteil steckt auch ein Körnchen Wahrheit. Gut, in diesem konkreten steckt ein leuchtendes Wahrheitsatom. Man schaue Richtung vermurkste Wahlen oder Langzeitbaustelle BER.

Und trotzdem stehen wir hier ja durchaus für Vieles, was gut ist. Finden wir zumindest selbst. Vielleicht können wir den Rest Deutschlands ja davon überzeugen. Versuchen wir es mal mit diesen fünf einfachen Schritten.

1 Fahren Sie doch mal zum Alexanderplatz

Zunächst sollte man sich dem Wahrzeichen der Stadt nähern: dem Fernsehturm. Vorsicht: Es gibt immer wieder Menschen, die behaupten, man könne den Fernsehturm auch „Telespargel“ nennen, aber ohne repräsentative Umfrage können wir guten Gewissens behaupten, dass das nie jemand bei Verstand macht. Und sollte man es doch versuchen, wird man vermutlich sehr schnell und zu Recht ausgelacht (siehe Punkt 2 dieser Liste).

Viel Beton, viele Touristen: Wer den Alexanderplatz nicht mag, kommt hier dank toller Verkehrsverbindungen zumindest schnell wieder weg.

© imago/Sabine Gudath

Am Alexanderplatz angekommen, kann man feststellen, dass es hier absolut furchtbar ist. Deshalb gibts hier auch nichts außer Beton und einem Haufen Touristen.

Vom Alex aus kann man aber in alle Himmelsrichtungen fahren und hier wird’s schnell interessant: Berlin ist so vielfältig, wie die Menschen, die hier leben. Im tiefsten Neukölln, im „Böhmischen Dorf“ fühlt man sich wie in einer pittoresken Kleinstadt. Eine Straße weiter ist es dann wieder laut und dreckig, aber dafür gibt es die besten türkischen und arabischen Imbisse. Im Grunewald bekommt man den Eindruck, man sei in einem Kurort gelandet – und in der Charlottenburger Kantstraße gibt es Berlins inoffizielles „China Town“.

Man merkt: Berlin ist nicht gleich Berlin, und am Ende sollte hier jeder ein Fleckchen finden, dass er oder sie mag.

2 Lassen Sie sich nicht von falscher Freundlichkeit einlullen

Man wird zäh in einer Stadt, in der die Wege weit sind, die sibirisch anmutenden Winter etwa 70 Prozent des Jahres herrschen und man sich, wie wir oben bei den Vorurteilen gelernt haben, in einem desolaten Dauerzustand befindet. Bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Wer hier nett zu einem ist, der meint das auch wirklich so!

Berlinerinnen und Berliner geben keine falsche Freundlichkeit von sich, keine überbordenden Höflichkeiten oder ähnlichen Quatsch. Deshalb wird man beispielsweise auch unumwunden darauf hingewiesen, dass „Telespargel“ ein vollkommen bescheuerter Ausdruck ist. Die einen nennen das „Berliner Schnauze“, die anderen Ehrlichkeit.

Möglicherweise lebensrettend: ein typischer Berliner Spätkauf.

© IMAGO/Wolfgang Maria Weber

Anders, als man bei einer so großen Stadt wie Berlin annehmen könnte, ist es hier auch nicht anonym. Nachbarn kennen einander, sie sind auch mal etwas schroffer, aber das gehört dazu. Und wenn man keinen kleinen, süßen Kiez vor der Haustür hat, dann kennt man wenigstens seinen nächsten Späti und dessen Besitzer. Und die retten einem schon mal das Leben: Sei es die Zitronenlimo, die einem den Kater aus den Gliedern zuckert, oder die Milch, die man Sonntagabend dringend noch braucht. Hier kriegt man alles.

Die Berliner Spätis sind genau deshalb nicht nur in Berlin legendär und beliebt, sondern werden nach Berliner Vorbild gerne auch in anderen Städten nachempfunden. Ein Exportschlager also.

3 Stellen Sie sich einfach mal dumm an

Irgendwer hilft einem in Berlin immer. Wenn man den Weg nicht weiß, verdattert vor Öffi-Fahrplänen steht oder mit dem Kinderwagen die Treppen nicht hochkommt, gibt es immer Berlinerinnen und Berliner, die sich einem annehmen. Zu Bedenken ist allerdings: Je nachdem, wie blöde man sich anstellt, bekommt man fürs eigene Versagen ziemlich sicher einen zackigen Spruch reingedrückt.

Hart, aber gerecht geht es in den Berliner Bussen zu.

© dpa/Jörg Carstensen

Die Autorin dieses Textes beobachtete kürzlich im Bus folgende Szene: Eine Truppe asiatischer Touristen möchte zum Checkpoint Charlie und erkundigt sich beim Busfahrer nach der entsprechenden Haltestelle. Der Busfahrer nennt diese, die Fahrt geht los. Die Touristen steigen dennoch eine Station zu früh aus, der Bus setzt sich zunächst in Bewegung, bis der Fahrer die orientierungslose Reisegruppe bemerkt. Er hält an, brüllt aus voller Kehle „Ey, back inside! NOW!!!“ und entlässt die verschreckten Touristen dann an der richtigen Haltestelle, natürlich mit ähnlich sanftem Ton.

4 Toleranz nicht mit Gleichgültigkeit verwechseln

Wir geben null Fucks! Auf den Straßen Berlins tummeln sich Mode-Jünger, die aus Flippigkeitsgründen höchst verstörend aussehen; Hippie-Vatis mit grässlich ausgeglichener innerer Balance; seelenlos aussehende Anzugträgerinnen, die wirklich niemand bemitleidet; selbstüberzeugte Eltern, nervtötendes Kind an der Hand ist optional; Opas in Jogginghose, Selbstgespräche führend; die BMW-Brudis mit ihren geliehenen Karren; Menschen im schmuddeligen Hasenkostüm in der U-Bahn. Und alle von ihnen koexistieren, ohne dass man einander behelligt.

Achtung, selbstüberzeugte Eltern mit nervtötenden Kindern: Wochenmarkt am Kollwitzplatz.

© IMAGO / Jens Schicke

Berlin ist somit ein blendendes Beispiel dafür, dass man nicht gleich sein muss, um miteinander klarzukommen. Gerne wird diese Tatsache mit urbaner Gleichgültigkeit verwechselt. Dabei ist es die Freiheit und die Toleranz, die wir hier üben. Genau deshalb ist Berlin bekannt als queere und als Party-Hauptstadt. Hier kann alles, nichts muss, und jeder so, wie er oder sie will.

5 Verlassen Sie Berlin mal kurz!

Vielleicht wird einem auch erst bewusst, was man an Berlin hat, wenn man gar nicht dort ist. Wenn man irgendwo in der Provinz, oder noch schlimmer, Bayern hängt. Da peinigt sich einem direkt die södersche „Mia san Mia“-Grütze auf, die im Prinzip meint, dass man alles ablehnt, was außerhalb tradierter Normen existiert.

Bremst sich zuverlässig selbst aus: Berlin.

© dpa/Jörg Carstensen

Und das bedeutet in Deutschland offenbar: viel Fleisch essen, nicht gendern und ohne Tempolimit über die Autobahn brettern. Wäre in Berlin undenkbar! Letzteres sabotieren wir zuverlässig selbst: Die desaströse Fertigstellung des A100-Abschnitts beweist dies. Hier wird jeder Verkehrsfluss direkt durch die anhaltenden Bauarbeiten der Elsenbrücke ausgebremst.

Ja, manche Vorurteile stimmen. Aber auch darin lässt sich nun mal eine gewisse Konsequenz erkennen. Auf Berlin ist halt Verlass.

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