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Demonstranten vor dem Springer-Hochhaus in Berlin-Kreuzberg.

© Paul Zinken/dpa

Berlin-Kreuzberg: Demonstration vor dem Springer-Haus: "Ich bin Özil"

Rund 150 Erdogan-Anhänger demonstrierten in Kreuzberg gegen den Umgang mit dem Fußballer in der „Bild“.

Rund 150 Menschen haben sich am Sonntagnachmittag vor dem Axel-Springer-Haus in Kreuzberg versammelt. Angemeldet hat die Kundgebung unter dem Motto „Ich bin Özil“ der Kunst- und Kulturverein Hacivat, den Bilgili Üretmen gegründet hat. Er ist Erdogan-Fan und Blogger. Ziel der Kundgebung ist primär die „Bild“-Zeitung.

„Wir haben uns vor der Bild versammelt, um zu sagen: Es reicht!“, verkündet er per Lautsprecher und bekommt viel Applaus und Zuspruch von den Teilnehmenden, die vor allem türkische und auch einige deutsche Fahnen schwenken. Früher habe er das Trikot der deutschen Nationalmannschaft mit Stolz getragen, sagt Üretmen, „bis die Brandanschläge von Mölln und Solingen stattfanden“.

In einem Videoaufruf hatte Üretmen, der in Soest lebt und für die Kundgebung nach Berlin angereist war, zuvor verkündet: „Seit Monaten überzieht die deutsche Presse einen deutsch-türkischen Fußballspieler mit dem übelsten Shitstorm. Die 'Bild'-Zeitung hackt und tritt und diffamiert aufs übelste. Ich habe keinen Bock mehr, mir von der Hetzpresse, vom Axel-Springer-Verlag insbesondere, das gefallen zu lassen.“ Bei der Demonstration legte er dann auch den Teilnehmern nahe, nicht mit Vertretern von deutschen Medien zu sprechen. Auch dem Tagesspiegel wollte er keine Statements geben.

„Die Medien haben ein verzerrtes Bild von unserem Präsidenten“

Der Blogger nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er auf deutsche Medien, deutsche Politiker und Teile der deutschen Bevölkerung schimpft. Ihnen fehle der Respekt vor Muslimen und Türken. Auch deutsch-türkische Politiker wie Cem Özdemir und Sevim Dagdelen verschont Üretmen nicht. Immer wieder nimmt er den türkischen Staatspräsidenten Erdogan in Schutz, der sich vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Juni mit Mesut Özil abbilden ließ. Das Foto hatte in Deutschland für Empörung gesorgt. „Die Medien haben ein verzerrtes Bild von unserem Präsidenten“, verkündet Üretmen. Sein Verein Hacivat sei zwar Erdogan-Anhänger, nicht aber die AKP, betont Üretmen.

Laut Recherchen vom Bayerischen Rundfunk und dem Rechercheverbund Correctiv hat der Blogger über die sozialen Netzwerke als Meinungsmacher eine großen Einfluss unter Deutschtürken und damit eine deutlich größere Reichweite als viele Zeitungen und Nachrichtenportale. Auf Facebook hat Bilgili Üretmen 30.743 Abonnenten, auf Youtube rund 18.900. In einem Youtube-Video spricht er sogar deutsche Rentner an und vergleicht sie mit türkischen: „An bestimmten Feiertagen kriegen diese Rentner sogar 1000 türkische Lira Prämie, während Sie hier in Deutschland weiterhin nur Müll wühlen müssen.“

Von Verhaftungen von Oppositionellen und Journalisten, der Tatsache, dass viele Menschen seit dem Putschversuch von 2016 ihre Jobs verloren haben, davon spricht der Blogger nicht. In einem anderen Video auf Deutsch und Türkisch, auf das er sich auch bei der Demonstration bezieht, will er bewiesen haben, dass die Meinungsfreiheit in der Türkei nicht eingeschränkt sei und macht einen Selbstversuch.

Er geht eine Istanbuler Straße mit viel Polizeipräsenz entlang mit einem T-Shirt, darauf die Aufschrift „Diktator“. Darunter ist Erdogan abgebildet. Am Ende der Straße ohne Probleme angekommen, verkündet er, so habe er bewiesen, dass die Rede von der Einschränkung der Meinungsfreiheit in Deutschland eine Lüge sei.

In einem ZDF-Interview von 2016 erklärt er, warum viele türkische Wähler zu Erdogan halten. „Wer kein Geld hatte, konnte sich keine ärztliche Behandlung leisten und wurde in der Türkei vor Krankenhäusern liegen lassen. Eine der ersten Sachen, die Erdogan eingeführt hat, war, dass armen Menschen sich ärztliche Versorgung leisten können.“

Hülya Gürler

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