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Kein Tor zur Welt. Das Brandenburger Tor ist weiterhin bei Touristen beliebt. Aber insgesamt kommen weniger Besucher.

© Getty Images/Luis Alvarez

Exklusiv

Berlin leidet unter Undertourism: Paris und Rom haben die deutsche Hauptstadt abgehängt

Eine Auswertung von Zahlen der Buchungsplattformen zeigt, dass die Übernachtungszahlen innerhalb von fünf Jahren um fast 30 Prozent gesunken sind. Vor allem ausländische Touristen fehlen.

Stand:

Auf der spanischen Ferieninsel Mallorca demonstrieren die Bewohner gegen den ungehemmten Ansturm von Touristen, in Berlin dagegen ist das Thema „Overtourism“ aus den Schlagzeilen verschwunden. Der Grund ist einfach: Es besuchen deutlich weniger Menschen die deutsche Hauptstadt; vor allem ausländische Gäste fehlen.

Eine aktuelle Datenanalyse von Tagesspiegel Innovation Lab und weiteren europäischen Medien im Urban Journalism Network kommt zu überraschenden Ergebnissen. Ausgewertet wurden Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat auf Basis von Angaben großer Buchungsplattformen wie Booking oder Airbnb. Demnach sind die gebuchten Nächte in Berliner Ferienwohnungen und Kurzzeit-Apartments in den Jahren 2018 bis 2023 um 28 Prozent gesunken – das Niveau aus den Jahren vor der Corona-Krise ist also noch weit entfernt.

Die Daten spiegeln nicht alle Buchungen wider, da nicht alle Gäste über diese Plattformen buchen. Auch über die Plattformen gebuchte Hotelübernachtungen sind in ihnen nicht enthalten. Aber weil für alle Länder und Städte dieselben Quellen genutzt werden, erlauben sie neue Vergleiche zu internationalen Trends. [Die Analyse für alle deutschen und europäischen Regionen finden Sie hier]

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Mit 30 Millionen Übernachtungen in 2023 zählten die Berliner Behörden ein Vielfaches mehr an Übernachtungen in der Hauptstadt als Eurostat mit drei Millionen. Denn Erstere basiert auf Meldungen der Hotelbetriebe, Letztere erfasst erstens lediglich die großen Buchungsportale Booking, Airbnb, Expedia und Tripadvisor, zweitens gehen dort gebuchte Hotelübernachtungen nicht in die Statistik ein. Den allgemeinen Trend nach unten aber bestätigen Zahlen des Statistikamts Berlin-Brandenburg. Demnach ist die Zahl der Gäste in Berlin 2023 m Vergleich zu 2018 um 10,5 Prozent gesunken.

Andere europäische Hauptstädte wie Paris oder Rom, mit denen sich Berlin gerne vergleicht, verzeichnen dagegen im selben Zeitraum ein Plus von 45 beziehungsweise 38 Prozent. Deutschlandweit stiegen die Übernachtungszahlen sogar um 64 Prozent, im Nachbarland Brandenburg um 80 Prozent, allerdings wurden dabei nur die Sommermonate Juni bis September gemessen.

Ähnlich schlecht wie in Berlin haben sich die Zahlen beispielsweise in Amsterdam entwickelt, dort wurde wie in Berlin eine Registrierungspflicht für private Anbieter von Zimmern und Ferienwohnungen eingeführt. Dadurch verschwand in Berlin rund ein Drittel der Anbieter von den Vermittlungs-Plattformen, vor allem bei Airbnb.

Paris führt den europäischen Städtetourismus weiterhin mit großem Abstand an, gefolgt von Rom, Madrid und Lissabon. London wurde nicht ausgewertet, da die Zahlen von der europäischen Statistikbehörde Eurostat aggregiert wurden.

Abgesehen von diesen klassischen Tourismus-Hauptstädten sind Übernachtungszahlen in der zypriotischen Hauptstadt Nikosia, Bukarest, Luxemburg-Stadt und Athen am stärksten gestiegen.

Auf Mallorca demonstrieren Bewohner gegen den wachsenden Tourismus.

© AFP/JAIME REINA

Ein Indikator für Overtourism sind die Übernachtungszahlen pro 1000 Einwohner. Auf den Balearen, zu denen Mallorca gehört, stiegen die Übernachtungszahlen in den vergangenen sechs Jahren zwar nur um zehn Prozent, pro 1000 Einwohner gab es 2023 allerdings schon 5064 Übernachtungen in den Sommermonaten, ein europäischer Spitzenwert.

Die kroatische Adriaregion Jadranska Hrvatska hatte mit mehr als 22.000 europaweit die meisten Übernachtungen pro 1.000 Einwohner – in den Sommermonaten Juni bis September.

Flugverbindungen sind ein wichtiger Treiber von Tourismus. Wo die Billigflieger nicht hinfliegen, steigen auch die Tourismuszahlen kaum – und umgekehrt. In Berlin sanken die Zahlen ausländischer Gäste parallel zu den Fluggastzahlen am BER. Easyjet und Ryanair haben ihre Flugzeugflotten am BER stark reduziert, vor allem mit Verweis auf hohe Gebühren. Rom und Paris wurden dagegen häufiger angeflogen. In Deutschland insgesamt stiegen die Buchungszahlen über die großen Online-Plattformen derweil stark an.

Der Senat fordert schon länger von der Bundesregierung, den BER als weiteres Drehkreuz für Langstreckenverbindungen nach Asien und Amerika zu etablieren, doch die Resonanz blieb bislang aus.

Der inländische Tourismus hängt weniger von Flugverbindungen und offenbar auch von der Vermittlung privater Unterkünfte ab. Hier sanken die Übernachtungen in Berlin nur um vier Prozent im Vergleich zu 2018. Und laut Statistikbehörde Berlin-Brandenburg machen die inländischen Touristen einen weit größeren Anteil der Besucher aus als die Daten vermuten lassen. Die deutschen Besucher scheinen jedoch wesentlich seltener online zu buchen.

Klarstellung: In einer früheren Version dieses Textes war die Definition der in den Daten enthaltenen Übernachtungen missverständlich. Die Eurostat-Statistik zählt Übernachtungen in „Ferienunterkünften und anderen Kurzzeitunterkünften“. Nächte in herkömmlichen Hotels, die auf den erfassten Plattformen (Booking, Airbnb, Expedia und Tripadvisor) gebucht werden, sind nicht in den Daten enthalten. Wir haben entsprechende Passagen klarer formuliert und bitten um Entschuldigung. Außerdem haben wir einen Vergleich mit Gästezahlen des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg ergänzt, die auf Meldungen der Hotels basieren.

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