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Berlin schuftet zum Nulltarif: Mehr als 30 Millionen unbezahlte Arbeitsstunden in der Hauptstadt
Berlin hat im vergangenen Jahrlaut einer Studie mehr als 50 Millionen Überstunden geleistet. Experten warnen vor Burnout. Die Bundesregierung plant unterdessen, noch mehr Überstunden zu ermöglichen.
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Berlins Beschäftigte haben im vergangenen Jahr mehr als 54 Millionen Überstunden geleistet, mehr als davon 30 Millionen unbezahlt. Das geht aus dem „Arbeitszeit-Monitor“ hervor, den das Pestel-Institut im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) gemacht hat.
Auf Gastrobetriebe und Hotels entfielen rund 1,4 Millionen Überstunden, was der Mitteilung zufolge aus einer Auswertung der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht. Die Wissenschaftler haben dabei für Berlin bundesweite Durchschnittswerte von Arbeitszeiten in der Gastrobranche herangezogen. Demnach waren 52 Prozent aller in Berlin geleisteten Überstunden in Hotels, Restaurants, Gaststätten und Biergärten unbezahlt, heißt es in der Mitteilung.
Gewerkschaft warnt: Überstunden sollen noch mehr werden
Die NGG warnt außerdem vor einer weiteren Zunahme der Überstunden in Berlin. Ausschlaggebend seien neue Pläne zur Arbeitszeitregelung der Bundesregierung. „Schwarz-Rot will eine wöchentliche Höchstarbeitszeit und den 8-Stunden-Tag abschaffen. Betriebe könnten von ihren Beschäftigten dann verlangen, auch zehn, elf oder in der Spitze sogar 12 Stunden und 15 Minuten pro Tag zu arbeiten“, zitiert die NGG Berlin-Brandenburg ihren Geschäftsführer Sebastian Riesner.
So seien der Gewerkschaft zufolge „73,5-Stunden-Wochen möglich – nämlich zu sechs Tagen à 12 Stunden und 15 Minuten im Job. Das wäre fast das doppelte Wochen-Pensum von heute – und damit Arbeitszeit-Stretching pur“.
Außerdem würden zehn- oder zwölf-Stunden-Tage keine fehlenden Fachkräfte ersetzen. „Gute Arbeitsbedingungen, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, systematische Qualifizierung und mehr Ausbildung. Das sind die richtigen Hebel für mehr Fachkräfte. Verschiebereien bei der Arbeitszeit sind nichts anderes als das Löcherstopfen bei einer zu dünnen Personaldecke“, so Riesner.
Anstatt das Fachkräftepotential von Frauen zu nutzen, verhinderten XXL-Schichten eine echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, teilt die Gewerkschaft außerdem mit.
Höchstarbeitszeit auf über zwölf Stunden „dürfte wirtschaftlich sogar kontraproduktiv wirken“
Die geplante Einführung einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit betrachten auch weitere Experten kritisch. Die mögliche Ausweitung der täglichen Höchstarbeitszeit auf über zwölf Stunden „dürfte wirtschaftlich sogar kontraproduktiv wirken“, hieß es in einer von der Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht (HSI) veröffentlichten Studie im Mai.
Die HSI-Forscher warnten vor überlange Arbeitszeiten. Sie würden die Gesundheit der Beschäftigten gefährden, das Unfallrisiko erhöhen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschweren.
Die schwarz-rote Bundeskoalition will längere Arbeitszeiten ermöglichen und damit den Arbeitgebern mehr Spielraum lassen. Zuletzt forderte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), dass Deutsche mehr arbeiten sollten.
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