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Pöbelnde Kunden: Aushang in einer Bäckerei-Filiale in Pankow.

© Christian Tretbar

„Warte mal ab, bis du Feierabend hast“: Berliner Bäckerei erhält wegen Maskenpflicht Drohungen von Kunden

Wegen der Maskenpflicht würden ihre Verkäuferinnen immer häufiger beschimpft, sagt eine Pankower Bäckerin. Per Aushang richtet sie sich an ihre Kunden.

Von Christian Hönicke

„Ich bin sehr traurig und erschrocken: Immer häufiger werden meine Kolleginnen hier im Verkauf von Kunden angegangen, beschimpft und persönlich beleidigt.“ Mit diesen Worten beginnt ein Aushang der Konditorei „John's“ in der Wollankstraße in Berlin-Pankow.

Auf dem Zettel werden die Kunden gebeten, sich „für wenige Minuten“ eine Maske aufzusetzen, die Verkäuferinnen müssten das schließlich auch „7-8 Stunden“ am Tag tun. Ein Corona-Fall würde eine Schließung des Betriebs nach sich ziehen, 40 MitarbeiterInnen samt Familien wären betroffen.

Der Aushang hängt seit kurzem in allen sechs Berliner „John's“-Filialen und schließt mit der Bitte: „1,5 m Abstand, Maske tragen und Respekt! Ist Ihnen davon etwas nicht möglich, möchte ich Sie bitten nicht einzutreten.“ Was dahinter steckt, erzählt Bäckerei-Chefin Nadja John im Interview.

Frau John, ohne Maske keine Bedienung – die Botschaft ist klar. Wie kam es zu dem Zettel?
Wir haben eine Masken-Tragepflicht, weil wir in unserem kleinen Laden die 1,5 Meter Abstand nicht einhalten können. Meine Verkäuferinnen haben mir berichtet, dass immer wieder Kunden bewusst in den Laden kommen und sagen: Ich trage keine Maske. Nach ihren Hinweisen, doch bitte eine Maske zu tragen, sind dann mehrere Kunden auf meine Kolleginnen losgegangen und persönlich geworden. Das hat mich tierisch geärgert und traurig gemacht.

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Ich habe meine Kolleginnen gebrieft, wie man Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg anwendet. Aber auch das hilft nicht immer. Deswegen habe ich beschlossen, einen anderen Weg zu gehen und aufzuschreiben, was das für uns persönlich bedeutet, wenn man wegen einer Maske angefeindet wird.

Was genau ist denn vorgefallen?
Es gab einerseits persönliche Beleidigungen. Manche Menschen haben nicht nur das Masketragen infrage gestellt, sondern meine Kolleginnen richtig beschimpft, etwa: „Du doofe Kuh.“ Und manchmal wird es sogar bedrohlich. Der letzte Fall war vergangene Woche, wo jemand der Verkäuferin offen gesagt hat: Warte mal, bis du Feierabend hast, dann wirst du mal sehen.

Was glauben Sie, warum Menschen so reagieren?
Meine persönliche Meinung ist, dass es Narzissten sind. Sie verhalten sich wie kleine, bockige Kinder. Ich kenne Maskengegner, die der Meinung sind, dass ihre Grundrechte dadurch angegriffen werden. Hinzu kommt, dass nicht alle Geschäfte darauf achten und manche ein Auge zudrücken. Wir kriegen immer wieder zu hören: Aber in dem anderen Laden braucht man auch keine Maske tragen.

Ich habe keine Ahnung von Virologie. Aber ich habe eine Verordnung des Landes Berlin vor der Nase, und danach muss ich mich richten.

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Sie drücken also weiterhin kein Auge zu?
Nein. Einerseits ist es wichtig, sich zu schützen. Das gilt auch für meine Mitarbeiterinnen, die tatsächlich eine Ansteckung fürchten. Außerdem kann es ja sein, dass der nächste Kunde vom Ordnungsamt ist und wir dann eine Strafe kriegen.

[Dieses Interview stammt aus dem kommenden Leute-Newsletter für Pankow, den unser Autor Christian Hönicke jede Woche schreibt. Unsere Bezirksnewsletter können Sie hier kostenlos und kompakt bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Und zu guter Letzt ist es eine rein betriebswirtschaftliche Abwägung. Eine Konditorei ist kein Homeoffice, wo man für sich allein verantwortlich ist. Bei uns hieße ein positiver Fall, wir müssten vermutlich schließen. Mit allen Konsequenzen.

Befürchten Sie keine negativen wirtschaftlichen Auswirkungen durch den Zettel?
Nein. Es gibt unheimlich viele, insbesondere Stammkunden, die das total toll finden. Die sind auch entsetzt über die Rücksichtslosigkeit. 98 Prozent halten sich daran, die anderen zwei Prozent machen dann aber auch immer Stress. Wenn jemand Stress macht, wollen wir ihn auch nicht als Kunden. Es gibt natürlich auch ältere Menschen, die ein bisschen vertüddelt sind und das nicht so begreifen. Denen helfen wir natürlich.

Wie sieht die wirtschaftliche Situation generell bei Ihnen aus?
Wir mussten unseren Bistrobereich schließen, das Geschäft mit den belegten Brötchen ist fast komplett weggebrochen. Aber wir kommen über die Runden, es ist okay. Die große Existenzangst ist nicht mehr da. Unsere Stammkundschaft ist uns treu geblieben, auch wenn ein Unterschied zu vorher zu merken ist. Aber im Hotelgewerbe oder der Gastronomie ist es sicher schlimmer.

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