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Klimademonstranten blockieren das Frankfurter Tor.

© Foto: Letzte Generation

Berliner Gericht pfeift Amtsrichter zurück: Doch kein Freispruch für Klimaaktivisten

Ein Berliner Amtsrichter hatte einen Strafbefehl für eine Aktivistin wegen einer Klebeblockade abgelehnt – wegen der Weltlage. Nun rüffelte das Landgericht ihn.

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Der Fall polarisierte. Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb von „sehr grundsätzlichen Worten“, mit denen ein Berliner Amtsrichter im Oktober einen von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehl für eine Klimaaktivistin wegen einer Klebeblockade abgelehnt hatte.

Die Justiz suche noch nach einer „gemeinsamen Linie“ zur Frage, ob die Aktionen der „Letzten Generation“ strafbar sind, „einige Richter“ zögerten, alles sei noch offen. Die „Welt“ geißelte den Bericht wegen zur Schau getragener Sympathie mit dem Richter, nannte dessen Entscheidung „puren Hohn“. Die „taz“ jubelte über „richterlichen Widerstand“.

Doch der Richter lag daneben. Auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hob eine große Strafkammer am Landgericht seine Entscheidung auf. Die Angeschuldigte sei „einer Straftat hinreichend verdächtig“. Es bestehe die „erforderliche Wahrscheinlichkeit“, dass sie „wegen Nötigung in Tateinheit mit Widerstand“ verurteilt werde. Damit zieht das Landgericht eine Richtschnur bei der Bewertung von Blockaden ein.

So gut wie alle beantragten Strafbefehle sind erlassen worden, nur in zwei Fällen wollten die Richter eine Verhandlung – und nur besagter Amtsrichter lehnte den Strafbefehl ab. Rechtskräftig sind nur wenige Entscheidungen, es gibt Berufungen, in einem Fall sogar Sprungrevision vor das Kammergericht. Davon wird eine Grundsatzentscheidung zu Klimablockaden erwartet – mit Folgen für die Rechtsprechung in Berlin.

Richter ist „nicht mehr zu überzeugen“

Beim bislang einzigen abgelehnten Strafbefehl wies das Landgericht die Sache für einen Prozess zurück ans Amtsgericht. Jetzt müsse ein anderer Richter eine „unvoreingenommene Verhandlung“ führen. Denn „aufgrund der umfangreichen Ausführungen“ in der ersten Entscheidung sei zu befürchten, dass der ursprüngliche Richter seine „Bewertung so verinnerlicht hat“, dass er selbst vom Landgericht „nicht mehr zu überzeugen ist“.

Auf sieben Seiten hatte der Richter begründet, warum er den Strafbefehl gegen die 34-jährige Johanna S. aus Würzburg ablehnt und die Blockade für nicht strafbar hält. Eine Nötigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte wollte der Richter nicht erkennen. S. hatte sich am 23. Juni mit anderen Aktivisten am Frankfurter Tor auf die Straße geklebt, das Motto: „Öl sparen statt Bohren“, sogar die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann, hatte sich solidarisiert.

Es komme nicht darauf an, inwieweit er selbst Ziele und Vorgehen der Demonstranten „nützlich oder wertvoll“ findet, erklärte der Richter. Dennoch begründete er seine Entscheidung dann doch mehrfach mit dem Klimawandel. Dass eine ökologisch notwendige Wende „im politischen Handeln (...) ein dringendes globales Thema ist, ist wissenschaftlich nicht zu bestreiten“, heißt es im Beschluss. Auch der UN-Generalsekretär wird bemüht.

Autofahrer hätten auf Bus und Bahn umsteigen sollen

Es bestehe eine „objektiv dringliche Lage bei gleichzeitig nur mäßigem politischem Fortschreiten unter Berücksichtigung namentlich der kommenden Generationen“. Die blockierten Autofahrer verbrauchten maßgeblich Öl und seien „Teil der Klimaproblematik“. Es gehe um die „die Menschheit dringlich betreffenden Ziele“ der Demonstranten. Außerdem habe die „Letzte Generation“ Blockaden allgemein angekündigt, Autofahrer hätten auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen können. Auch für sie würden die Demonstranten „mit demonstrieren“.

Das Landgericht stellt aber klar: Bei der Bewertung hätten die Anliegen und „Fernziele der Aktivisten außer Betracht zu bleiben“. Es bestehe kein Recht, „durch Sitzblockaden und Instrumentalisierung Dritter öffentliche Aufmerksamkeit zu erzwingen“. Zu bewerten seien allein die Auswirkungen auf viele Personen, die fehlende konkrete Ankündigung und der fehlende Bezug zwischen Protestinhalt und blockierten Autofahrern. Die Blockade stelle sich „als verwerflich dar“.

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