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Gerlinde Kempendorff hat in Bad Belzig ein Kulturzentrum geschaffen.

© KIM/promo

Kulturzentrum in Brandenburg: Berliner Kabarettistin lädt zum „Komischen Festival“ nach Bad Belzig

Gerlinde Kempendorffs "Kleinkunstwerk" ist fester Bestandteil der Stadt. Anfangs kamen 80 Prozent der Gäste aus Berlin und nur 20 Prozent aus Bad Belzig. Heute ist es umgekehrt.

Eigentlich hatte sie von einer Scheune geträumt, irgendwo auf dem Land, für ein eigenes Theater. Nach fast vierzig Jahren auf der Bühne wollte Gerlinde Kempendorff, Sängerin und Kabarettistin aus Berlin, sich ihre eigene Spielstätte einrichten, Künstler einladen, Programm machen. Aber die Brandenburger Scheunen und Bauernhöfe, die sie besichtigte, waren entweder baufällig, zu teuer oder zu schlecht erreichbar. Was nützt ein Theater ohne Publikum? Da kam das Elektrizitätswerk.

„Ich wusste sofort: Das ist es“, erinnert sich Kempendorff an ihren ersten Besuch in Bad Belzig im Jahre 2010. Das Backsteingebäude am Ortsrand, 1909 als Elektrizitätswerk errichtet, war zuletzt als Kfz-Werkstatt genutzt worden und stand schon seit Jahren leer. Es roch nach Motoröl, die Fliesen waren schmierig, es gab weder Küche noch Sanitäranlagen. Aber Kempendorff – groß, schlank, kurze Haare und markante Stimme – war begeistert, vom Gebäude, der Lage und der Stadt.

Ein magischer Ort

„Für mich ist das ein magischer Ort. Bad Belzig ist von Berlin aus in einer Stunde mit dem Zug zu erreichen, das Gebäude ist nah an der Altstadt und dennoch im Grünen.“ Mit Hilfe ihres Mannes Eberhard Hoene und ihrer Söhne renovierte sie zunächst nur das Nötigste und lud zu Baustellenkonzerten mit selbst gebackenem Kuchen. Ehemalige Theaterkollegen spendeten Stühle, Bühnenausstattung, Beleuchtung für den großen Raum, der 99 Plätze fasst.

Heute kann Gerlinde Kempendorff stolz auf sechs Spielzeiten zurückblicken, mit je einer monatlichen Aufführung von Mai bis Dezember. Konzerte, Comedy, Lesungen, Kabarett: Liedermacher Manfred Maurenbrecher war da, die ehemalige Distel-Chefin Gisela Oechelhaeuser, die Jazzsängerin Ruth Hohmann, das Integrationstheater der Uni Potsdam, bestehend aus Menschen mit 14 Nationalitäten und drei Glaubensrichtungen, spielt jedes Jahr Shakespeare.

Fassade und Tor wurden, zum Teil mit Zuschüssen des Landes, erneuert, der Bühnenraum liebevoll eingerichtet, mit einer gemütlichen grünen Sofaecke und inzwischen auch einem Ofen, um in der Übergangszeit zu heizen. Und die Chefin, die als Trainerin und Coach arbeitet und 2010 an der UdK promoviert hat, tritt natürlich auch selbst auf, mit der ganzen Bühnenpräsenz aus Jahrzehnten.

Interessiertes Publikum und viele Touristen

Das „Kleinkunstwerk Bad Belzig – Kultur im Mühlenhölzchen“ ist ein Glücksfall – für Kempendorff und für Bad Belzig. Die Kleinstadt im Fläming hat ein interessiertes Publikum und zieht mit der historischen Altstadt, der Burg Eisenhardt und der Steintherme auch Touristen an. An diesem Wochenende beginnt die 55. Burgfestwoche, Galerien und Museen laden zum „Belziger Kunstbummel“. Am kommenden Wochenende öffnen sich die Höfe der Altstadt zum „Altstadtsommer“.

Und das Kleinkunstwerk ist mit dabei: Kempendorff präsentiert am 24. und 25. August, jeweils um 18 Uhr, zum vierten Mal das „Komische Festival“. Je vier Kabarettistinnen und Kabarettisten wetteifern um den Titel „Belziger Bachstelze“.

Am 26. August um 16 Uhr spielt die Folk-Band Yellow Bird und erhält die „Ehrenbachstelze“. Das Festival, so hofft Kempendorff, soll auch überregionale Aufmerksamkeit auf Bad Belzig ziehen.

„Für mich ist wichtig, dass ich hier nicht als die Berlinerin gesehen werde“

Dass das Kleinkunstwerk ein selbstverständlicher Teil des Kulturlebens der Stadt geworden ist, ist dem Geschick und Engagement Kempendorffs zu verdanken. Als gebürtige Magdeburgerin fühlt sie sich dem „Brandenburger Temperament“ sehr nahe. „Für mich ist wichtig, dass ich hier nicht als die Berlinerin gesehen werde, sondern ich will mit den Leuten leben, ich gehe auf den Markt, zu Veranstaltungen, und freue mich, wenn die Leute fragen, wer als Nächstes im Mühlenhölzchen auftritt.“ So hat sie ein Stammpublikum gewonnen: Zu Beginn kamen noch 80 Prozent der Gäste aus Berlin und nur 20 Prozent aus Bad Belzig, heute ist es umgekehrt.

Auch Gerlinde Kempendorffs Sohn, der Saxofonist Uli Kempendorff, tritt regelmäßig auf, und Sohn Paul Wernicke, der die benachbarte „Wildnisschule Hoher Fläming“ leitet, hat schon mit Wald- und Tiergeschichten unterhalten.

Überhaupt die Familie: Außer den beiden Kempendorff-Söhnen mit ihren Kindern kommen auch die neun Kinder ihres Mannes samt Partnern und Nachwuchs gerne nach Bad Belzig. „Zusammen haben wir 17 Enkel“, erzählt Kempendorff. Auch das war ein Grund für die lange Suche nach einer Scheune, die im Elektrizitätswerk endete. „Wir brauchten einen Mittelpunkt für diese riesige Familie.“ Einen Mittelpunkt, wo die Funken sprühen.

Spielplan des Kleinkunstwerks und Informationen zum Komischen Festival Belziger Bachstelze unter kleinkunstwerkbelzig.de. Infos zu Kunstbummel und Burgfestwoche: kunstbummel-bad-belzig.de und burgfestwoche.com

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