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Berlin: Berliner Koalitionspoker: Jetzt ist auch Rot-Rot-Grün im Gespräch

Das Wahlziel von SPD und Grünen hieß bis zuletzt: Fortsetzung der rot-grünen Koalition. Allen Umfragen, die keine eigenständige Mehrheit voraussagten, zum Trotz.

Das Wahlziel von SPD und Grünen hieß bis zuletzt: Fortsetzung der rot-grünen Koalition. Allen Umfragen, die keine eigenständige Mehrheit voraussagten, zum Trotz. Und auch nun, nach den Wahlen, halten relevante Kreise in beiden Parteien an diesem Ziel fest - modifiziert. Der Joker, den sie in die Debatte um die Koalitionsbildung einbringen, heißt nun Rot-Rot-Grün.

Zum Thema Online Spezial: Berlin hat gewählt Wahlergebnisse: Direktmandate, Stimmenanteile und Sitzverteilung Foto-Tour: Bilder vom Wahlabend Während die Stadt das Abwägen zwischen einer Ampelkoalition und einer Koalition aus SPD und PDS beobachtet, wollen sich mindestens die Grünen die Option offenhalten, doch noch ein Bündnis mit den anderen beiden Linksparteien zu schmieden. "Die Stimmungslage läßt alle drei Konstellationen offen", hieß es am Dienstag bei den Grünen. Eher wachse noch die Ablehung einer Ampelkoalition mit SPD und FDP - wegen inhalticher Differenzen und wegen einer umstrittenen Zusammensetzung der FDP-Fraktion. Bei den Sozialdemokraten, sowohl im Berliner Landesverband als auch in der Bundespartei, gewinnt die Idee ebenfalls Liebhaber. Denn mit der FDP, bei denen zwei nationalliberale Abgeordnete ins Parlament einzögen, sei uverlässige Politik nur bedingt möglich.

Aus den Sondierungsgesprächen zwischen SPD und Grünen trat die grüne Fraktionschefin Sibyll Klotz mit dieser Aussage: "Wir gehen raus mit der klaren Option, eine Ampel zu prüfen". Doch rot-rot-grün sei ebenfalls eine Option, fügte Klotz an. Damit hat die grüne Spitzenkandidatin ihre Position aus dem Wahlkampf revidiert. Und auch vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit kommen neue Töne. Nach dem Sondierungsgespräch mit den Grünen berichtete er, über die rot-rot-grüne Option sei gesprochen worden. Die PDS will dieser Koalitionsvariante ebenfalls keine Steine mehr in den Weg legen.

Aus diesen Äußerungen ist keine Präferenz für Rot-Rot-Grün bei SPD oder Grünen zu schlußfolgern. Nach wie vor gehen die Meinungen zu dieser Frage in beiden Parteien auseinander. Bei den Grünen etwa lehnt Justizsenator Wolgang Wieland das linke Dreierbündnis ab. Der französische Vordenker auch für die deutschen Grünen, Daniel Cohn-Bendit, dagegen empfiehlt es in der taz seinen Berliner Parteifreunden.

Charme hat die Überlegung insbesondere für die linken Grünen, die einer Ampelkoalition wenig abgewinnen können, ähnliches gilt für die Linke in der SPD. Zudem fürchten in beiden Parteien Politiker die Labilität eines Ampelbündnisses mit nur zwei Mandaten Mehrheit - zudem bei der FDP zwei früher dem nationalliberalen Flügel zugehörige Abgeordnete einziehen werden, die in der Vergangenheit die eigene Parteiführung vehement attakiert hatten.

Auch längerfristige taktische Überlegungen bestimmen die Diskussion: Die Grünen haben - in Hinblick auf die bevorstehende Bundestagswahl - kein Interesse an einer längerfristigen Stärkung der Liberalen. Einige Sozialdemokraten wiederum sähen in einem - durch die Grünen abgeschwächten - Bündnis mit der PDS die perspektivische Erweiterung ihrer Koalitionsoptionen.

Wer mit wem kann

Wer würde im rot-grünen Senat wen um den Finger wickeln? Herr Wowereit Herrn Gysi oder Herr Gysi Herrn Wowereit? Beide sind Kommunikationstalente und flachsen gern unkonventionell miteinander - bei aller Distanz. Gregor Gysi ist eloquenter, Klaus Wowereit vermutlich taktisch raffinierter. Unter den Abgeordneten von SPD und PDS sind perösnliche Animositäten nicht erkennbar. Die meisten kennen sich seit Jahren. Und der Machtwechsel im Juni war ja nicht ohne die PDS möglich. Sie gab den zuverlässigen Tolerierungspartner des rot-grünen Minderheitssenats, Absprachen funktionierten lautlos. PDS-Fraktionschef Harald Wolf wird als Haushaltsexperte geschätzt, der ruhige, freundliche Michael-Müller und seine SPD-Fraktion folgen brav Wowereit. Das hieß nie Verbrüderung oder Feierei mit der PDS. Generell ist das Verhältnis der SPD-Ostler zur PDS eher frostig, aber die drei, die wegen der PDS die Hand nicht zum Sturz von Eberhard Diepgen hoben, gehören dem neuen Parlament nicht an. Die Wahl-Zugewinne der PDS liegen der SPD schwer im Magen; den Ostlern verderben sie gar die Freude an eigenen Gewinnen. Das Gysi-Wort, nur mit der PDS im Senat sei die innere Einheit zu schaffen, findet auch Wowereit "verwegen", nein "anmaßend".

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