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Justizsenator Dirk Behrendt (Bündnis 90/Die Grünen) wird von Richtern aufgefordert, für eine frühere Impfung des Justizpersonals zu sorgen.

© Christophe Gateau/dpa

Verjährungen wegen Ansteckungsgefahr?: Berliner Richter und Staatsanwälte fordern frühere Corona-Impfung

Viele Verfahren würden aus Angst vor Ansteckungen nicht terminiert, klagen die Juristen. Doch ein fertiges Pilotprojekt setze Justizsenator Behrendt nicht um.

Um die Arbeitsfähigkeit der Berliner Justiz zu gewährleisten, fordern Richter:innen und Staatsanwält:innen, schneller geimpft zu werden. „Abzuwarten, wann ggf. regulär Impfeinladungen an die Kollegenschaft geht, bedeutet für die unter 60-Jährigen und nicht chronisch Kranken, dass sie kaum vor Juli mit einer ersten Impfung rechnen können. Für die Kolleginnen und Kollegen im Bereich der Familiengerichte und der Strafgerichte bzw. der Staatsanwaltschaft (HRHS) ist das zu spät“, heißt es in einem Schreiben des Vorsitzenden des Hauptrichter- und Hauptstaatsanwaltsrats Gregor Schikora an Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) und die Mitglieder des Rechtsauschusses des Berliner Abgeordnetenhauses.

Es drohe wegen der angespannten Corona-Lage insbesondere bei den Strafgerichten, „dass viele Verfahren wegen weiter steigender Ansteckungsrisiken der Verjährung anheimfallen, weil bis auf Haftsachen nichts mehr terminiert werden wird“. Bereits in der ersten Corona-Welle hätten es viele Staatsanwält:innen aus Sorge um ihre Gesundheit abgelehnt, in Sitzungen zu gehen, heißt es in dem Schreiben.

Wie problematisch die Lage offenbar ist, geht auch aus einem Brief des Gesamtrichterrates der ordentlichen Gerichtsbarkeit an die Senatsjustizverwaltung hervor, der dem Tagesspiegel auszugsweise vorliegt. Das Strafgericht Moabit würden demnach täglich mehr als tausend Besucher:innen betreten, für die keine vorherige Testpflicht bestehe und die sich unkontrolliert im Gebäude bewegten.

„Ohne ein Impfangebot kann der Sitzungsdienst nicht mehr geordnet aufrechterhalten werden, denn die Kollegen fürchten zunehmend um ihre Gesundheit und werden sukzessive immer weniger Sitzungen abhalten", heißt es darin. Staatsanwält:innen beantragten immer häufiger, aus gesundheitlichen Gründen vom Sitzungsdienst befreit zu werden. Die Situation müsse „schließlich zu Haftentlassungen auch gefährlicher Straftäter führen“.

Richter kritisiert Senator: „Passiert ist praktisch nichts“

Richter Schikora weist in dem Brief darauf hin, dass Behrendt bereits Anfang März öffentlich erklärt habe, sich für ein Impfangebot für diese Gruppen einsetzen zu wollen. „Passiert ist praktisch nichts“, klagt der Vorsitzende des HRHS.

Viele Richter:innen und Staatsanwält:innen haben Angst, sich bei ihrer Arbeit mit dem Corona-Virus zu infizieren. (Symbolfoto)

© Paul Zinken/dpa

Die Senatsjustizverwaltung habe mitgeteilt, man befinde sich „lediglich in der Beobachtungsphase“, auf welchem Weg die weitere Impfung der Richter:innen und Staatsanwält:innen gelingen könne. Dabei, so Schikora, habe die Kammergerichtsverwaltung längst ein Konzept zur Impfung durch die Betriebsärzte des Arbeitsmedizinischen Zentrums der Charité erstellt.

Richter:innen fordern von Behrendt Start eines Pilotprojekts zur Impfung

Für den Hauptrichter- und Hauptstaatsanwaltsrats fordert der Vorsitzende, im Rahmen eines Pilotprojekts betriebsärztliche Impfungen durchzuführen, wie es sie bereits bei Unternehmen gebe. Als Gerichte schlägt Schikora dazu den Standort Moabit unter Einschluss aller Berliner Familiengerichte vor. Ein Konzept liege ja bereits vor. Daher sei es „bitter nötig“, sofort mit der Impfung der 128 Familienrichter:innen und ihren Kolleg:innen an den Strafgerichten anzufangen.

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Angesprochen darauf erklärte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) am Donnerstag im Rechtsausschuss seine Unterstützung für die Forderungen des Justizpersonals. „Da rennen sie bei mir offene Türen ein.“ Bislang seien lediglich die Betreuungsrichter:innen sowie die Bediensteten im Vollzug und die Justizwachtmeister:innen geimpft worden. „Ich verstehe sehr gut, dass die anderen darauf hinweisen, dass sie jetzt auch geimpft werden wollen.“

Justizsenator Behrendt verweist auf fehlende Rechtslage

Behrendt sprach sich dafür aus, die Impfungen von den Betriebsärzt:innen vornehmen zu lassen. „Ich unterstütze, dass wir das wie bei der Grippeschutzimpfung machen.“ Von einer schnellen Umsetzung sprach Behrendt indes nicht. „Momentan können wir noch nicht abschätzen, wann es soweit sein wird.“

Nach der geltenden Impfreihenfolge fallen Richter:innen und Staatsanwält:innen erst unter die Prioritätsstufe Drei. „Da sind wir noch nicht“, so Behrendt. Auch eine Impfung über die Betriebsärzte lasse die Bundeseben nicht zu. Auf die Forderung des HRHS nach einem Pilotprojekt ging er nicht ein.

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