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Eine U-Bahn fährt am 11.09.2014 in Berlin in den Bahnhof am Potsdamer Platz ein.

© dpa

Berliner Verkehrsbetriebe: BVG hat in der NS-Zeit Schuld auf sich geladen

Die Berliner Verkehrsbetriebe haben nach fast 70 Jahren nun ihre Rolle unter den Nazis aufgearbeitet. Dokumentiert ist diese in einem Buch.

Fast 70 Jahre hat die BVG verstreichen lassen, bis sie sich mit ihrer Rolle im Nationalsozialismus beschäftigt hat. Das Unternehmen habe zwischen 1933 und 1945 eine „schwere Schuld“ auf sich geladen, sagte BVG-Chefin Sigrid Evelyn Nikutta am Dienstag. Aufgearbeitet wird die damalige Rolle der BVG jetzt in einem Buch „Aus Rot wird Braun“, das am Dienstag vorgestellt worden ist.

Die Autoren beginnen bereits 1929, dem Gründungsjahr der BVG. Nur so kann man verstehen, wie radikal der Umbruch in dem damals größten kommunalen Verkehrsbetrieb der Welt war, bei dem rund 28 000 Menschen beschäftigt waren. Zu Beginn war die vom damaligen Stadtrat für Verkehr, Ernst Reuter (SPD), gegründete BVG stark sozialdemokratisch ausgerichtet – bis in die Leitung. Im Arbeiterrat hatten die Kommunisten die absolute Mehrheit; erst 1930 zog ein NSDAP-Mitglied in den Betriebsrat ein.

"Kämpfer" wurden befördert

1933 ging es dann ganz schnell, sagte Christian Dirks, einer der Autoren des Buches. Der von Hermann Göring eingesetzte Staatskommissar für Berlin, Julius Lippert, machte den strammen Nazi Johannes Engel, der als Dreher gearbeitet hatte, zum Aufsichtsratschef der BVG. Der Vorstand und die meisten leitenden Angestellten wurden gekündigt oder zumindest entmachtet. Bevorzugt wurden nun „alte Kämpfer“ eingestellt oder befördert. Sozialdemokraten und Kommunisten wurden zuhauf entlassen.

Wie auch Mitarbeiter mit jüdischen Wurzeln. Die Autoren zeigen dies am Beispiel des Straßenbahn-Schaffners Georg Speyer. Er war evangelisch getauft, sein Vater aber war Jude. Das reichte, um ihn 1936 zu entlassen. Speyer verlor nicht nur seinen Arbeitsplatz, sondern auch die damit verbundene Dienstwohnung. Ein schwerer Schlag. Im Oktober 1945 kehrte Speyer wieder zurück zur BVG und stieg noch zum Fahrlehrer auf.

Der Mitarbeitermangel im Krieg führte dazu, dass die BVG auch Zwangsarbeiter einsetzte. Rund 4000 mussten für den Verkehrsbetrieb schuften. Die BVG baute für sie sogar eigene Barackenlager.

Ausstellung "Aus Rot wird Braun"

Nach dem Krieg war alles vergessen. Die braune Vergangenheit spielte jahrelang keine Rolle. Den Grund kann auch die heutige Chefin nicht nennen. Nikutta selbst war erst 2010 zur BVG gekommen. Der Anstoß, sich auch mit diesem düsteren Kapitel zu beschäftigten, kam 2010 von außen.

Der Historiker Christian Dirks hatte sich damals mit der Rolle von städtischen Unternehmen in der Nazizeit beschäftigt und nach seinen Angaben festgestellt, dass die Rolle der BVG kaum erforscht war. Zusammen mit der BVG entwickelte er dann die Ausstellung „Aus Rot wird Braun“, die 2013 im U-Bahnhof Alexanderplatz gezeigt worden war. Als Folge entstand dann das Buch; es wird auch im Handel angeboten.

Nikutta hofft, dass auch Schulen darauf zurückgreifen, weil es gerade am Beispiel der BVG anschaulich zeige, wie die Nationalsozialisten vorgegangen seien und wie Menschen davon betroffen waren.

Johannes Engel, der aus der roten die braune BVG gemacht hatte, wurde nicht bestraft. Er musste lediglich auf seine Pension verzichten.

Christian Dirks/Jörg Pache/Thorsten Beck: Aus Rot wird Braun – Die BVG 1929–1945. Mitteldeutscher Verlag, Halle. 128 Seiten. 14,95 Euro.

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