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Checkpoint Charlie: Ein Erinnerungsort muss sein
Ein Zwischenruf aus dem laufenden Beteiligungsverfahren zur Neugestaltung
Stand:
Im langjährigen Ringen um die Gestaltung des Checkpoint Charlie wird morgen ein Meilenstein erreicht. Das Abgeordnetenhaus soll den Rückkauf von zwei Teilflächen der ehemaligen Grenzübergangsstelle Friedrichstraße Ecke Zimmerstraße beschließen. Folgt das Parlament der „eiligen Beschlussempfehlung“ des Hauptausschusses, gehören dem Land dann 1.150 m2 auf der Ostseite und 1.133 m2 auf der Westseite der Friedrichstraße. Dem Land sind die beiden Flächen über drei Millionen Euro wert.

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Das ist gut so, weil Berlin mit dem Ankauf die öffentliche Gestaltungshoheit über diesen international bedeutsamen Geschichtsort signifikant stärkt. Gleichwohl muss die Stadt diesen Gestaltungsmöglichkeiten jetzt auch endlich kulturpolitisch gerecht werden. Es braucht eine öffentlichere Diskussion darüber, wie Geschichtsvermittlung an diesem Ort für die vielen Touristen und Berliner bestmöglich gelingt.
Es geht um die Geschichtsvermittlung
Im derzeit laufenden städtebauliche Dialogverfahren zum Bildungs- und Erinnerungsort Checkpoint Charlie werden bereits richtungsweisende räumliche Szenarien entwickelt. Die Szenarien „Relief“ und „Projektion“ (einsehbar auf mein.berlin.de) akzentuieren den Freiraum, der bis heute eine Wunde des zweiten Weltkrieges, aber auch die Dimensionen der ehemaligen Grenzübergangsstelle Friedrichstraße Ecke Zimmerstraße im Stadtraum „lesbar“ hält. So könnte die städtebauliche Leerstelle eine Lehrstelle des sich Erinnerns, Gedenkens und sich Informierens werden. Es könnte ein Ort entstehen, an dem sich viele Menschen mit historischen wie gegenwärtigen (geopolitischen) Grenzziehungen und -praktiken auseinandersetzen können.

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Das von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen im Eilverfahren abgewickelte städtebauliche Dialogverfahren lässt naturgemäß wenig Raum für eine tiefergehende Diskussion der Erinnerungs- und Informationskultur an diesem Ort. Die Themen „Kultur und Bildung“ sowie „Denkmalschutz“ sind zwei von acht (!) Schlüsselthemen im Dialogverfahren.
Das „Mauermuseum“ ist wesentlicher Bestandteil der Erinnerungs- und Informationsinfrastruktur am authentischen Ort
Theresa Keilhacker, Thomas Flierl, Christoph Sommer, Mitglieder im Beratungsgremium des „Städtebaulichen Dialogverfahrens zum Bildungs- und Erinnerungsort Checkpoint Charlie“
Zur angepeilten Erinnerungs- und Informationskultur braucht es aber eine eigene Diskussion über eine angemessene Geschichtsvermittlung, die dann in den städtebaulichen Leitlinien berücksichtigt werden kann. Bislang hat diese Diskussion praktisch noch nicht stattgefunden, die von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa in Zusammenarbeit mit der Stiftung Berliner Mauer erarbeitete „Bedarfsfundierung“ kennen (bislang) noch nicht mal die Mitglieder des für das Dialogverfahren einberufenen Beratungsgremiums.

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Während 2004 anlässlich des Hildebrandt‘schen „Freiheitsmahnmals“ der Mauer noch regelrecht „um die Wette gedacht wurde“ (um es mit der Stadtsoziologin Sybille Frank zu sagen), wird Alexandra Hildebrandt heute gar nicht erst zu Dialogveranstaltungen eingeladen. Dabei ist das „Mauermuseum“ – ob es einem gefällt oder nicht – wesentlicher Bestandteil der Erinnerungs- und Informationsinfrastruktur am authentischen Ort. Vor der Pandemie zog das Mauermuseum jährlich immerhin fast eine Million Besucher an.
An was soll am Checkpoint Charlie erinnert werden?
Genauso zu berücksichtigen wären in einer kulturpolitischen Diskussion die konkreten Pläne der Stiftung Berliner Mauer für ein „Museum des Kalten Krieges“. Und natürlich müsste das Angebot des brandneuen „Cold War Museums“, das soeben Unter den Linden eröffnet wurde, mit bedacht werden – genauso wie die Geschichtsarbeit der Stiftung Topografie des Terrors. Dabei wäre es für die gesamte Diskussion hilfreich zu wissen, wo welche historischen Angebote im Umfeld des Checkpoint Charlie existieren und wie sie von den verschiedenen Nutzergruppen rezipiert werden können.
Eine öffentlicher Debatte über den Erinnerungsort ist überfällig
Eine öffentliche Ausstellungskonzeption auf (oder unter) einem öffentlichen Platz sollte zuvor auch in der Öffentlichkeit erörtert werden, nicht anders als der Städtebau in Varianten diskutiert wird und die internationale Fachöffentlichkeit mit einbezieht. Wie sonst, kann man der Bedeutung des Ortes gerecht werden und angesichts der akuten Bedrohungslagen aus der Geschichte des Kalten Krieges lernen?
Aus dem Verein „Zentrum Kalter Krieg – Ausstellung am Checkpoint Charlie“ heißt es immer mal wieder bedauernd, dass am Checkpoint Charlie eine Stellvertreterdebatte über Berliner Stadtentwicklungsprobleme geführt werde. Dies stünde einem Museum im Wege. Ohne selbst die Debatte zu führen, wird damit das Ziel schon vorweggenommen und städtebaulich eingefordert. Dabei lautet der öffentliche Auftrag eindeutig, einen „Bildungs- und Erinnerungsort“ am Checkpoint Charlie zu schaffen.
Was aber sind die tatsächlichen Bedürfnisse nach historischen Informationen an diesem Ort, welches wären die zeitgemäßen Medien und Formate für die mittlerweile weltweit digital alphabetisierten Besucher*innen? Eine öffentliche Diskussion, was „ein informativer und moderner Erinnerungsort“ (Axel Klausmeier) an diesem Ort ist, und wie dieser in eine integrierte Bau-Verkehr-, Stadt- und Grünflächenplanung integriert werden kann, ist überfällig. Sie ist auch zwingend erforderlich, um eine präzise Auslobung für einen Wettbewerb nach den Richtlinien für Gestaltungswettbewerbe auszuloben. Für diese Qualitätsdebatte brauchen wir jetzt endlich eine kulturpolitisch interdisziplinäre Programmierung des Ortes.
Die Autor*innen waren im Zuge der Aufstellung des Bebauungsplans als Expert*innen an verschiedenen Fachworkshops beteiligt. Aktuell sind sie Mitglieder im Beratungsgremium des „Städtebaulichen Dialogverfahrens zum Bildungs- und Erinnerungsort Checkpoint Charlie“.
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