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Der Autodoc-Standort in Lichtenberg.

© Autodoc

Der Amazon für Autobastler: Berliner Autoteile-Händler geht an die Börse

Die Geschäftsidee ist simpel und äußerst erfolgreich. Autodoc bietet auf seiner Online-Plattform rund 6,7 Millionen verschiedene Ersatzteile an und profitiert von einer alternden Autoflotte.

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Mit Vergasern, Luftfiltern, Auspuffanlagen oder Scheibenwischern lässt sich gutes Geld verdienen. Mehr als 6,7 Millionen unterschiedliche Autoteile hat das Berliner Unternehmen Autodoc im Angebot. Damit wurde 2024 ein Verkaufs-Umsatz von knapp 1,6 Milliarden Euro in Europa gemacht, 19 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Gewinn vor Steuern erreichte 151 Millionen Euro. Das kann sich sehen lassen.

Die Gründer von Autodoc, Alexej Erdle, Vitalij Kungel und Max Wegner, wollen ihr Unternehmen jetzt an die Börse bringen und reich werden. Die drei kamen mit ihren Familien als Spätaussiedler nach Berlin und gründeten 2008 ihr Online-Unternehmen. Inzwischen sitzen sie im Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, an der auch der US-Finanzinvestor Apollo Global Management beteiligt ist.

Autodoc verkauft Ersatzteile für Autos an private Bastler, aber auch an professionelle Werkstätten – in der Regel deutlich günstiger als der stationäre Handel. In diesem Geschäft ist das Unternehmen nach eigenen Angaben in Europa führend. Der Vertrieb von Autoteilen wird durch das schwächelnde Neuwagengeschäft und die Diskussion um teure Elektroautos beflügelt. Autos werden immer älter und brauchen mehr Ersatzteile.

Das Berliner Unternehmen Autodoc ist als Onlinehändler für Fahrzeugteile europaweit erfolgreich.

© Autodoc

In großen Logistikzentren, eins davon in Berlin-Lichtenberg, wird der Handel abgewickelt. Anders als der US-Riese Amazon hat Autodoc mit einer klar definierten Produktpalette Erfolg. Inzwischen werden die Kfz-Teile in 27 europäische Länder verkauft, dafür sind 5000 Mitarbeiter an Bord, darunter viele geflüchtete Ukrainer. Es gibt auch ein Büro in Odessa.

Ähnlich wie Amazon arbeitet Autodoc mit einem gestaffelten Rabattsystem für Premiumkunden und persönlicher Registrierung, womit wichtige Daten über die Kundschaft gesammelt werden. Teaser wie „meistverkaufte Ersatzteile“ lenken den Blick auf zusätzliche Angebote. Außerdem gibt es Anleitungen und Video-Tutorials fürs Reparieren des eigenen Autos und einen Bastler-Club.

5000
Beschäftigte hat Autodoc europaweit.

Nach einem gescheiterten Versuch vor vier Jahren versucht es Autodoc jetzt ein zweites Mal mit dem Börsengang. Angestrebt wird eine Bewertung von 2,4 Milliarden Euro, das ist angesichts der guten Bilanzen eher konservativ. Das Unternehmen nannte am Dienstag eine Preisspanne von 58 bis 61 Euro je Aktie.

Das Unternehmen erhält beim Börsengang kein zusätzliches Kapital, da fehlt die Wachstumsstory.

Michael Kunert, Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger

Rund ein Fünftel des Kapitals soll an die Börse gebracht werden, das entspricht 7,6 Millionen Aktien im Wert bis zu 464 Millionen Euro, wie das Unternehmen mitteilte. Die Zeichnungsfrist hat bereits begonnen, sie endet am 24. Juni.

Dmitry Zadorozhny ist seit 2022 der Geschäftsführer von Autodoc.

© Autodoc

Bei dem Börsengang trennen sich die Gründer und der Finanzinvestor Apollo von Anteilen. Eine Kapitalerhöhung ist nicht geplant, was Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger als „gewisses Manko“ bewertet. „Das Unternehmen erhält so kein zusätzliches Kapital, da fehlt die Wachstumsstory.“ Dennoch bewertet Kunert Autodoc als „interessantes, gut aufgestelltes Unternehmen.“

Aktie von Auto1 hat sich nicht erholt

Dennoch bleibt ein Einstieg riskant. Kunert erinnert an den Börsengang des Gebrauchtwagenhändlers Auto1. Die Aktie hatte 2021 einen fulminanten Start, lag deutlich über 50 Euro, stürzte dann aber relativ schnell ab und hat sich trotz positiver Unternehmenszahlen bislang kaum erholt.

Autodoc will künftig vor allem im Profi-Geschäft mit Werkstätten wachsen, das bislang nur einen geringen Anteil hat. Im ersten Quartal 2025 stieg der Umsatz in diesem Segment um 172 Prozent auf rund 30 Millionen Euro. Inzwischen sind 18.000 Werkstätten in 106 europäischen Regionen an das Vertriebssystem angeschlossen, wie Autodoc mitteilt. Das Kerngeschäft bleibe aber der Teileverkauf an private Kunden.

Gegenwärtig wagen offenbar auch größere Unternehmen den Sprung an die Börse, nachdem die starken Schwankungen an den Finanzmärkten im Frühjahr einige Emissionspläne durchkreuzt hatten. Unter anderem strebt die Münchner Medizinsoftwarefirma Brainlab noch vor der Sommerpause an die Börse. (mit Reuters)

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